Gebt ihm eine Chance
Julian Schieber ist ein Strahlemann. Er lacht viel, ob nun auf der Bank oder auf dem Platz. Bei Facebook gibt er sich sympathisch und äußert sich auch nach den vielen Spielen, in denen er nicht zum Einsatz kommt, stets motiviert. Seine Postings wirken zudem so, als fühle er sich hundertprozentig als Teil dieser Mannschaft. Beispiel gefällig? „Viertelfinale: geil!“ hieß es am Mitwoch. Gegen Hannover hat Schieber sein erstes Bundesliga-Tor im schwatzgelben Trikot erzielt. Es könnte alles so schön sein, wenn es nicht viele Menschen besser wissen wollen und ihn zum Fehleinkauf degradieren. Und womit? Mit Unrecht.
Elf Mal hat Jürgen Klopp den 24-Jährigen in dieser Saison eingewechselt. Und ein Jeder weiß, dass Klopp seine Stürmer höchstens ab der 65. Minute wechselt. Wirklich viel bewegen lässt sich in dieser Phase des Spiels nicht mehr. Jedenfalls nicht in Dortmund, wo das Spiel zu diesen Zeitpunkten meistens bereits entschieden ist. Und dann gab es da noch drei Einsätze, in denen Schieber von Anfang an ran durfte. Zuhause gegen Mönchengladbach, weil Lewandowski geschont wurde. Und eben jetzt, gegen Frankfurt und Hannover. Unter dem Strich macht das also nicht viel Zeit, um sich zu zeigen. Um dem Trainer zu verdeutlichen, dass einem eigentlich der Stammplatz gehören müsste. Diese Situation kennen zwei mittlerweile umworbene wie geschätzte Spieler bereits.
Als Robert Lewandwoski 2010 von Posen nach Dortmund kam, musste ihm bewusst gewesen sein, dass Lucas Barrios der Stürmer beim BVB ist. Immerhin durfte der Pole anschließend 33 Mal spielen, kam aber 18 Mal von der Bank aus und spielte vordergründig im offensiven Mittelfeld. Keiner konnte oder wollte glauben, dass er jemals Barrios verdrängen würde. Der Rest ist, nach Barrios' Verletzung nach der ersten Meisterschaft, Geschichte.
Ein noch passenderes Beispiel für den Fall Schieber ist die Anfangszeit Ilkay Gündogans beim BVB. Nicht nur die Medien zweifelten Lautstark an ihm, auch viele Fans titulierten ihn bereits als Fehleinkauf. Keine Frage, viel Eigenwerbung betrieb er bei den wenigen Chancen, die sich ihm geboten haben, nun auch nicht. Bis er auf einmal beim Spiel in Köln anfing Zauberpässe zu schlagen, die Defensive abzusichern und das Spiel insgesamt zu beleben. Gündogans Entwicklung kam endgültig ins Rollen.
Also, Jürgen Klopp wird auch vorher schon gewusst haben, warum er einen Ilkay Gündogan stets im Aufgebot hatte. Und so sieht es auch bei Schieber aus. Leute, die an dem 24-Jährigen zweifeln, sollten Geduld beweisen. Es kann nicht einmal gesagt werden, ob Schieber zum Beispiel so etwas ein klassischer Chancentod ist, eben weil er bisher im BVB-Trikot kaum welche vergeben hat. Das lag bisher einzig und allein daran, dass er kaum Chancen auf dem Fuß hatte. Schon das Spiel gegen Hannover hat auch vor dem Tor gezeigt, dass Schieber rennt, versucht Bälle abzufangen und weiterzuleiten. Dafür hat er jetzt schon einmal Lob geerntet. Schneidet Klopp noch ein Paar unpassende Ränder an diesem Puzzlestück ab, so wird es in Zukunft wunderbar in das „4-2-3-1-Puzzle“ des BVB passen.
Sicherlich sollte man sich hüten zu predigen, dass Schieber noch Weltklasse zeigen wird. In 78 Spielen für Stuttgart und Nürnberg hat er auch nur 13 Tore erzielt. Er wäre aber nicht der erste Spieler, der von einem sportlich kleineren Verein kam und unter Klopp zum Star wird. Piszczek, Gündogan, Schmelzer, Subotic und Bender lassen grüßen.
Guerriero, 7.3.2013
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