U19 lässt für Neapel den Vorhang fallen
Mit einer kämpferisch überzeugenden und vor allem sehr reifen Leistung besiegte unsere U19 am gestrigen Dienstagnachmittag in Holzwickede das Wandertheater vom SSC Neapel. Selbst der zwischenzeitliche Rückstand durch den zukünftigen Oscar-Preisträger Gennaro Tutino konnte die Jungs von Trainer Meister nicht schocken. Kurt und Weber schlugen zurück, sodass unsere Farben in der neuen UEFA Youth League nun alles selbst in der Hand haben, um das Achtelfinale zu erreichen.
Um kurz vor halb 4 wies noch nichts auf ein emotionales Fußballspiel hin. Die Haupttribüne beim gastgebenden SV Holzwickede war nur spärlich gefüllt. Erst im Laufe der Partie kamen immer mehr Zuschauer, die gegen Ende des Spiels auch zumindest Pöbel-Stimmung verbreiteten. Neben der noch früheren Anstoßzeit als vor einigen Wochen gegen Arsenal dürfte auch die Kälte eine Rolle gespielt haben, warum zu Beginn des Spiels die Zuschauermassen noch nicht vorhanden waren. Die später durchgesagte Größenordnung von 520 Personen kann letztlich jedoch als durchaus respektabel für diesen Anlass eingestuft werden. Alle Gäste hatten zudem die große Ehre, eine kostenlos Karte mit dem Aufdruck „Ehrenkarte“ am Eingang ausgehändigt zu bekommen.
Ein Blick auf den Spielberichtsbogen offenbarte neben den Mannschaften auch ein kleines Kuriosum. So war wie vor drei Wochen gegen Arsenal erneut der Hannoveraner Harm Osmers vierter Offizieller (die 4. Männer kommen in der Youth League stets aus dem Land des Gastgebers). Entweder es läuft für ihn im Beruf des Betriebswirts gerade nicht so gut oder er kann sich unproblematisch Urlaub nehmen. Leider widmete sich Osmers im Spielverlauf eher Nebensächlichkeiten und wies beispielsweise die Fotografen auf der Laufbahn hin, hinter die Tore zu gehen. Er hätte mal lieber seinen bosnischen Schiedsrichterkollegen auf die unerträglichen Schauspieleinlagen der neapolitanischen Gäste hinweisen sollen. So merkte man deutlich die Verwandtschaft mit seinem Vater Hans-Joachim Osmers. Bei dem Namen klingelt es? Richtig! Osmers entschied 1994 beim Stochern von Thomas Helmer aufs legendäre „Phantomtor.“
Unerträgliche Schauspieleinlagen
Genug der Anekdoten und rein in Spiel oder wie Wolff „Matchday“ Fuss sagen würde: „Packen wir's an!“ Schon nach zwanzig Sekunden setzte der neue schwatzgelb-Liebling Gennaro Tutino (sein Vater spielte übrigens im Spielbericht vom Hinspiel eine nicht unbedeutende Rolle!) eine erste Duftmarke, als er nach einem harmlosen Allerweltszweikampf herzzerreißend zu Boden ging. In der Folgezeit kam es immer wieder zu solchen Situationen, wobei der Schiedsrichter aus Bosnien-Herzegowina leider zu oft auf diesen schlechten Stil reinfiel. Gefühlt waren selbst aus objektiver Sicht vier der fünf Karten für den BVB aufgrund der Schauspielkünste Süditaliens provoziert worden. Ein echter Spielfluss kam so auf beiden Seiten nicht wirklich zusammen, wobei der holprige Boden auch seinen Anteil hatte.
Nach gut zwanzig Minuten war es der engagierte Stenzel, der zunächst das Außengestänge traf, nachdem sein Treffer kurze Zeit vorher wegen Abseits wohl zurecht keine Anerkennung fand. Auch Gümüstas vergab in dieser Phase eine gute Schusschance, als ihn erneut Stenzel wunderbar freispielen konnte. Vor dem BVB-Tor von Steffen Göcke blieb es hingegen weitgehend ruhig. Tutino und ein anderer Neapolitaner vergaben jeweils bereits im Ansatz gute Chancen. Kurios wurde es schließlich nach 23 Minuten. Ein wunderschöner Spielzug über links ermöglichte dem BVB gleich drei Torchancen auf einmal. Während Knystock die Hereingabe wohl auch aufgrund des unberechenbaren Geläufs nicht verwerten konnte, zeigte Gäste-Torwart Contini sein Können, als er Gümüstas' Abstauberversuche gleich zweimal glänzend parieren konnte. Diese Szene erinnerte fast schon an die slapstickartigen Versuche der Arsenal-Jugend, die gegen Göcke auch tausendprozentige Tormöglichkeiten nicht verwerten konnten.
In der Halbzeitpause muss es in der Napoli-Kabine wohl richtig gekracht haben. Wahrscheinlich war Tutino sauer, dass er das gesamte Ensemble mit durchschleppen musste. Das wollte sich Außenverteidiger Girardi nicht anhören und ging nach gespielten 53 Minuten an der Mittellinie einfach mal völlig unmotiviert zu Boden. Seine Bariton-Schreie sind noch nicht operntauglich, doch für Schiri Pilav und Osmers, der direkt daneben stand, reichte es aus. Nun waren auch die letzten ruhigen Zeitgenossen auf der Haupttribüne vollkommen aufgebracht und pfiffen Girardi in Grund und Boden. Man bemüht sich ja immer, vorurteilsfrei in solche Spiele gegen italienische Mannschaften zu gehen. Aber manchmal übertrifft die Realität alle Klischees.
Jedenfalls waren in dieser Phase auch die Borussen sichtlich genervt und angespannt von diesem Stil der Gegner. Den langen Ball im Anschluss an diesen Witz-Freistoß konnte jedenfalls keiner richtig verteidigen und ausgerechnet (hier hat dieser inflationär gebrauchte Begriff tatsächlich mal seine Berechtigung) Tutino schoss zur 1:0-Führung ein. Zu diesem Zeitpunkt war der BVB ausgeschieden. Was für eine Moral unsere Jungs jedoch haben, zeigte sich in der Schlussviertelstunde. Einen Flachpass schirmte Gümüstas im Strafraum clever ab, sodass Stenzel von der Strafraumlinie abziehen konnte. Sein Schuss ging noch an den Pfosten, doch stand der Mann mit den drei Vornamen, Mehmet Alp Kurt, goldrichtig und erzielte den verdienten Ausgleich.
Weber mit Wille und Wucht
Aber es sollte noch schöner kommen. Der Jubel war noch nicht verhallt, als der eingewechselte Yildiz 22 Meter vor dem Tor zum Freistoß schritt. Was dann folgte, war eine Mischung aus Flipper und dem puren Willen. Schuss, ein Kopf in der Mauer, Latte und der Ball unendlich erscheinende Momente in der Luft. Plötzlich springt Nick Weber aus der Emscher in die Holzwickeder Dämmerung und wuchtet den Ball in die Maschen. Riesenjubel nun bei den Jungs, den Bänken und auf der Tribüne. Noch besser waren nur die dummen Gesichter der Schauspielregisseure auf der neapolitanischen Trainerbank.
Nun mussten jedoch noch zwölf Minuten über die Zeit gebracht werden. Die Borussen besannen sich der vorangegangenen Spielzeit und kopierten nun einfach das Repertoire der Gäste: Da wurden Bälle vor einem Einwurf ausversehen nicht gefangen, da wurde bei einem Foul einfach mal länger liegengeblieben. Der Schiedsrichter konnte nun natürlich nicht mit zweierlei Maß agieren und ließ die Dortmunder Jungs denn auch gewähren. So überstand man die Schlussphase ohne größere Probleme und kann am letzten Spieltag bei den bereits ausgeschiedenen Franzosen in Marseille den Achtelfinaleinzug perfekt machen.
schwatzgelb.de ließ es sich nach Spielschluss nicht nehmen, dem potentiellen Hauptdarsteller der kommenden Benigni-Filme ein „Arrividerci“ zuzurufen sowie Schwalben-Bewegungen mit den Händen zu imitieren. Dass Tutino sich für einen Nachwuchsprofi noch so einfach provozieren lässt und erst von seinen Spielerkollegen sowie Betreuern abgehalten werden musste, körperlich aktiver zu werden, machte diesen Triumph nur noch schöner.
Daten zum Spiel
Tore: 0:1 Tutino (53.), 1:1 Kurt (75., Vorarbeit Stenzel), 2:1 Weber (78., Vorarbeit Yildiz)
Zuschauer: 520
SR: Pilav (Bosnien-Herzegowina)
Chancen: 6:2
Ecken: 5:0
Gelbe Karten für den BVB: Kurt (13., angebliches, taktisches Foul), Mbende (39., angebliches Foulspiel an Tutino), Knystock (60., Meckern), Stenzel (73., Nachhaken), Weber (89., Foulspiel)