Das nennt der Abiturient 'antizipieren'
Man nehme zwei bis sechs BVB-Fans, eine X-Box 360, ein paar Fangetränke, Pizza und die neue Generation eines Videospiels und man erhält einen Abend voller Spaß, Spannung und manchmal auch Frustration.
Zwischen all dem echten Fußball in den zurückliegenden englischen Wochen, haben einige wenige schwatzgelb.de-Redakteure (und weitere Bekannte) zum Glück noch ein paar Minuten Zeit gefunden, um für euch einen kritischen Blick auf EA Sports neuesten Fußballsprößling zu werfen: FIFA 14.
Dabei wollen wir dann auch direkt ganz vorne anfangen: beim Cover. Hält man FIFA 14 in der Hand und hat FIFA 13 noch direkt daneben liegen, reibt man sich erstmals die Augen. Hat man gerade wirklich ein neues Spiel in der Hand? Man hat, was man dann auch bemerkt, sobald man im komplett umgestalteten Menü landet. Statt der bisher bekannten Leiste mit hochrollenden Menülisten erwartet einen bei FIFA 14 ein Menü im Stile von Windows 8, mit Registerkarten oben und großen Auswahlkacheln unten.
Was anfangs für Verwirrung und Unübersichtlichkeit sorgt, stellt sich nach kurzer Eingewöhnungsphase und vor allem dann später im direkten Spiel als absoluter Segen heraus: Im Pausenmenü kann man nämlich nicht nur direkt und übersichtlich Daten aus der laufenden Partie sehen, sondern per rechtem Stick auch noch schnell durch verschiedene taktische Varianten schalten, ohne mühevoll das Team-Management zu öffnen - vom 4-2-3-1 zum "Tannenbaum" in nur zwei Fingerbewegungen! Was das angeht, verzeichnen wir einen klaren Fortschritt mit sinnvollen Änderungen.
Nach den ersten Probepartien haben wir uns dann auch recht fix ins Getümmel geschmissen und als "Jürgen Klopp" eine Karriere mit dem BVB gestartet. Bei der Sortierung der Champions-Cup-Gruppen nach Vorbild des wahren UEFA-Wettbewerbs fiel dann leider auch auf, dass einige wenige Mannschaften sowie die gesamte Champions-League an sich nicht lizensiert sind. Bei einem Spiel, das so sehr auf Atmosphäre und "Drumherum" setzt wie FIFA, und einem Wettbewerb wie der Champions-League, deren Hymne selbst das Dortmunder Westfalenstadion bei jeder Partie erfürchtig erstummen lässt, ist das leider ein zwar kleiner aber verhältnismäßig schmerzhafter Kritikpunkt.
Im Karriere-Modus selbst werden wir wiedermal vom Menü erschlagen, was sich aber nach kurzer Zeit gibt. Wie schon im Vorgänger macht das gesamte Drumherum hier einfach Spaß, egal ob man dabei Mails von Vorstand und Spielern liest oder sich mit Nachrichten über Transfers von Konkurrenten amüsiert. Unser Vorstand bermittelt uns kurz nach dem Beginn dann auch schon seine Vorstellungen von der neuen Saison und geizt dabei nicht mit Forderungen: Von uns wird sowohl die deutsche Meisterschaft als auch der Sieg im nationalen wie internationalen Pokal erwartet. Nichts leichter als das, eh?!
Scouting und Transfermarkt
Da, anders als beispielsweise im Managerbruder, in FIFA14 keine zweite Mannschaft zur Verfügung steht, entscheiden wir uns trotz gutem Kader zu einem Gang auf den Transfermarkt, um einigen der Amateure bei anderen Clubs Spielpraxis zu verschaffen und so dauerhaft die Stimmung in unserem Team auf gutem Niveau zu halten. Da aber auch unsere Lust, mit Topstürmer Lewandowski realitätsfern zu verlängern, ziemlich gering ist, begeben wir uns auf die Suche nach einem künftigen Nachfolger und kratzen uns erst mal kollektiv den Kopf. Das gesamte Transfersystem aus dem Vorgänger wurde umgekrempelt. Konnte man früher noch schlicht nach Spielern mit gewissen Fähigkeiten suchen, ist die eigene Marktkenntnis jetzt deutlich eingeschränkter. Statt nach Stürmern mit einer Gesamtstärke über 80 zu suchen, bleibt uns jetzt nur noch die Möglichkeit, Spieler namentlich zu finden oder Länder zu scouten.
Unsere erste Investition in den Transfermarkt sind also rund 7 Millionen Euro in einen weiteren Scout, den wir dann auch flugs nach Argentinien schicken, um den neuen Lucas Barrios zu finden. Beim Scouting können wir nur einige wenige Einstellungen vornehmen, wie z.B. das Alter und die Position oder bis zu 6 von verschiedenen Eigenschaften des zu findenden Spielers.
Wir lassen unsere Scouts in diversen Ländern also nach Stürmern unter 24 suchen, die als Eigenschaften "Vielversprechend" und "Qualität erste Mannschaft" haben, da wir schließlich unseren Topstürmer zu ersetzen haben. Als Ergebnisse bekommen wir später erst gar keine Spieler, durch weglassen der Eigenschaft "Qualität erste Mannschaft" dann aber eine ganze Welle von Stürmern, deren genaue Attribute uns immer noch schleierhaft sind: Um mehr zu erfahren, müssen wir Scouts auf einzelne Spieler ansetzen und diese in Phasen von mehreren Tagen detailliertere Informationen sammeln lassen, um auch nur annähernd etwas über die endgültige Stärke der Spieler zu erfahren.
Da, nach dem Verleihen der Amateure und dem Ablehnen diverser Kaufangebote für Hummels, Subotic und Co. dann auch endlich erste Testspiele anstehen, vernachlässigen wir das Scouting und konzentrieren uns endlich aufs Spielen. Wie schon im Vorgänger, wird die Ladezeit durch Ableger der Skill-Spiele überbrückt, mit denen wir uns diesmal gar nicht befasst haben. Generell sind sie für den geneigten FIFA-Spieler aber absolut empfehlenswert, um sich das allgemeine Spielgefühl anzueignen und ein paar der vielen kleinen Tricks kennenzulernen. Bei feinstem Sommerregen begrüßen uns Manni Breuckmann ("Es regnet!") und Frank Buschmann dann auch endlich zum ersten Spiel der jungen Saison mit unserem BVB, bei dem wir diversen Ersatzspielern direkt mal einen Einsatz gönnen werden.
Grafik und Spielgefühl
Grafisch ist der erste Eindruck verwirrend: Sollte man von der neuen Version eines Spiels nicht erwarten dürfen, dass sie besser aussieht als die Alte - oder zumindest nicht schlechter? Klar, wir spielten "nur" auf der X-Box 360 und somit nicht auf den Konsolen der neuen Generation, die wohl hauptsächlich von der neuen Ignite-Engine profitieren würden, dennoch wirkt das Spiel weniger organisch, weniger echt und irgendwie plastischer. Der Regen wirkt liebloser, der Rasen eintöniger und die Trikots unflexibler als im Vorgänger, auch wenn es toll ist, wie nah einige der BVB-Spieler dank original Gameface dem echten Vorbild kommen. Alles in Allem wirkt das Spiel grafisch deutlich weniger brillant als der Vorgänger, was nicht mal an dem groben Schnitzer liegt, dass die Auswärtsfans im Westfalenstadion auf der Südtribüne stehen. Ein Rückschritt, auch wenn der Südtribünen-Fehler dank eines Patches in der Zwischenzeit behoben wurde.
Als der Ball dann rollt, kämpfen wir ein wenig mit der Umgewöhnung von FIFA13. Das Spiel fühlt sich noch langsamer an als der Vorgänger, die Steuerung ist noch schwammiger als zuletzt, der Einfluss auf die Spieler noch einmal gesunken. Das mag realistisch sein, führt aber besonders zu Beginn des Spielens zunehmend zu Verzweiflung. Die Ballannahme und -kontrolle dauert teilweise "ewig", Pässe landen im Rücken des Spielers oder gar im Seitenaus. Während wir im Vorgänger durchgängig Passquoten jenseits der 80% hatten, kommen in unseren ersten Partien nicht mal zwei Drittel der Zuspiele beim Mitspieler an. Sprints sind im Angriff nun noch schwieriger zu kontrollieren, was sich darin niederschlägt, dass jeder zweite Lauf zur Grundlinie erst einmal im Toraus endet. Dabei sehen die Bewegungen insgesamt sogar deutlich besser aus. Das Spielgefühl wirkt runder, weniger mechanisch - und doch indirekter. Ein Zwiespalt, der uns teilweise ratlos zurückließ, wie wir diesen Aspekt nun beurteilen sollten.
Sprung der künstlichen Intelligenz
Nicht ganz unschuldig an unserer gestiegenen Fehlpassquote dürfte dann sicherlich auch der Umstand gewesen sein, dass die künstliche Intelligenz der Computergegner in Abwehraktionen einen riesigen Sprung gemacht hat, andererseits die KI bei Angriffsaktionen einfach deutlich schwächer geworden ist. Fast alle Gegner stehen brutal kompakt und hoch, was dazu führt, dass wir immer wieder ins Abseits laufen (teilweise werden sogar Befreiungsschläge von der eigenen Strafraumkante wegen Abseits des Stürmers vorne, der zuvor mal wieder munter drauf los lief, abgepfiffen) und bei versuchten Passkombinationen durch die Mitte den Ball verlieren. Während die Fehlerquote auf Seiten des Spielers also erhöht wurde, hat man teilweise das Gefühl, dass der Computer fehlerfrei agiert: Die Abwehrkette steht immer wie an der Perlenkette aufgereiht, Steilpässe finden noch mal deutlich seltener den Weg an den vielen Abwehrbeinen vorbei, es ist generell erheblich schwerer geworden, (häufig) schnelle Angriffe durch die Mitte zu spielen. Viel zu oft finden wir uns auf dem Flügel wieder, was zu Flanken und daraus resultierenden Toren führt - die Varianz des Angriffspiels leidet massiv unter der klügeren Verteidigung, von unseren Nerven bei den vielen Abseitsstellungen ganz zu schweigen. Dazu ist sogar die Abwehrreihe von Eintracht Braunschweig hin und wieder schneller als Aubameyang im Vollsprint. Realistisch? Nicht so. Teilweise verlaufen unsere Spiele wie das des BVB in Mönchengladbach: Drückend überlegen, dabei aber zu wenig zielstrebig und am Ende dann mit deutlichen Niederlagen.
Wie fast alle anderen Aspekte ist auch die Audiokulisse gleichermaßen schlimmer wie auch besser geworden. Während die Kommentatoren in einer ruhigen Phase des Spiels gerne tolle Geschichten zum Stadion oder dem Verein erzählen und beim BVB so beispielsweise empfehlen, das Borusseum zu besuchen, hat man fast jeden Kommentar aus dem Mund von Breuckmann und Buschmann relativ schnell todgehört - absolutes Lowlight dabei ist der Spruch "Das nennt der Abiturient 'antizipieren'!", welcher uns nach nur drei Spielen schon zweistellig um die Ohren geschlagen wurde. Grausig.
Fazit
FIFA 14 ist bereits erhältlich für XBox 360, PlayStation 3, Nintendo Wii und PC - vorbestellen könnt ihr es für XBox One (22. November) und PlayStation 4 (29. November) [Links führen zu unserem Amazon-Shop].