Endlich Feindbild!
Was ist da bloß mit dem Verhältnis zwischen Bayern und Dortmund passiert? Das war früher alles so einfach: Einmal im Jahr kamen die nach Dortmund. Sie wurden verachtet und irgendwie auch wegen ihrer Erfolge geachtet, und die Rollen waren klar verteilt. Jederzeit war klar, wer in diesem Rollenspiel Groß und wer Klein war. Der kleine, unschuldige BVB gegen die mächtigen, erfolgreichen, reichen und protzigen Bayern. Da gab es auch keine Probleme mit deren Fans. Einfach nicht ernst nehmen – fertig.
Und heute?
Heute arbeiten sich die Bayern ja geradezu an uns ab, als hätten sie sich urplötzlich den fettesten Minderwertigkeitskomplex zugezogen. Nicht nur die Fans. Auch die Vereinsspitze. 2008 beim Pokalfinale konnte man die nach ihrem Pokalsieg noch so wunderbar wegen ihrer Feier-Verweigerungshaltung bepöbeln. Da kam nix zurück. Die waren wie aus Gummi. Man kam an diese Fan-Roboter einfach nicht heran. Auch in der Saison 2009/2010 schauten Bayern-Fans noch ganz traurig, als wir uns nach ihrem Heimsieg schon mit dem bevorstehenden Derby befassten und unsere Niederlage in ihrer Arena einfach ignorierten. „Ihr ärgert euch ja gar nicht, dass ihr verloren habt“, klagten sie. Wir antworteten mit einem laut geschmetterten „Am Tag als...“ und zeigten, wo die Prioritäten liegen. Bayern? Braucht man, damit die Blauen nicht Meister werden. Ansonsten? Überflüssiges Zeug. Ignorieren.
Aber wie das so ist: Gewisse Dinge lassen sich irgendwann nicht mehr ignorieren. Pickel zum Beispiel. Vor allem die an den fiesen Stellen. In den Augenbrauen zum Beispiel. Bah, was hasse ich Pickel in den Augenbrauen. Da ist die Haut so dünn, und wenn sich da so ein fieser Bayern-Pickel entwickelt, nervt der einfach nur noch und muss weg. Oder Pickel an Stellen, wo sie ohnehin schon sprichwörtlich nerven. Beim Sitzen zum Beispiel. Um den Bayern-Pickel an unserem Hintern wachsen zu lassen, mussten wir erst Meister werden.
Hmm, weil das hier jetzt noch halbwegs appetitlich bleiben soll, suche ich lieber ein anderes Bild.
Star Trek! Da gibt es ja die Borg. So fiese Hybrid-Wesen, die fremde Kulturen assimilieren, bis nichts mehr davon übrig bleibt. Vom großen Jean Luc Picard habe ich gelernt, dass die Borg dich nur angreifen, wenn sie dich als Gefahr erkennen. Die Bayern sind die Borg der Bundesliga. Mia san mia, Widerstand ist zwecklos, ihr werdet assimiliert werden.
Von dem Moment an, als die Borg-Bayern den BVB als Gefahr erkannten, gingen sie zum Angriff über. Erst halbherzig, weil sie den neuen Gegner noch nicht so richtig einschätzen konnten. Dafür brauchte es erst eine volle schwarz-gelbe Breitseite: Meisterschaft, Demütigung im Pokalfinale und die konsequente Positionierung als der Verein, der erfolgreich ist und sich dennoch strikt weigert, Ähnlichkeit mit den Bayern zu haben. Erfolgreich UND sympathisch? Da hatten uns die Bayern-Borg endlich als Beute entdeckt.
Hatten sie ja früher schon mal. In den 90ern haben sie versucht, uns mit Wettrüsten platt zu machen. Hat geklappt. Borussia zahlte immer höhere Ablösesummen und Gehälter, damit Spieler bloß nicht zu den Bayern gingen. Irgendwann waren wir so pleite wie die Russen nach dem Wettrüsten der 80er Jahre.
Jetzt haben uns Borg-Verein und Borg-Fans wieder auf dem Schirm und sind voll auf Angriff programmiert. Sie haben Götze assimiliert und bei Lewandowski schon die ersten Kabel unter die Haut gepflanzt. Die Bayern laufen wie ferngesteuert durch die Liga und sagen roboterhaft: „Muss. Dortmund. Töten.“
Und die Fans? Die spielen das mit! Die haben in den vergangenen zwei, drei Jahren einen derartigen Minderwertigkeitskomplex uns gegenüber entwickelt, dass es fast schon pathologische Züge trägt. Die gewinnen die Champions League und es wirkt, als sei ihnen der Sieg über uns wichtiger als der Titel als solcher. Sie müssten jetzt zwanghaft Titel sammeln, nur damit wir sie nicht kriegen. Wir! Der Emporkömmling! Das Modell, das nicht funktionieren kann! Das Modell, das vorlebt, dass man auch erfolgreich sein kann, wenn man demütig an schwere Zeiten denkt. Dass man einen Titel feiern kann, ohne schon an den nächsten zu denken. Die Bayern hassen uns, weil sie sehen, dass es möglicherweise einen Gegenentwurf zu ihnen geben kann.
Die wollen uns attackieren, packen und kaputt machen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Das Doofe und für die Bayern so wahnsinnig Frustrierende: Wir bieten keine Angriffsfläche. Noch nicht. Das muss unbedingt so bleiben. Das muss eine ewige Mahnung an uns selbst sein: Bescheiden bleiben. Immer. Nicht das Maul aufreißen. Nehmen, was kommt. Konzentrieren. Unbedingt authentisch bleiben. Wenn wir es weiterhin schaffen, uns nach Niederlagen im Champions-League-Finale mehr zu freuen als der Sieger, uns nicht über zweite Plätze in der Bundesliga zu ärgern, vor einer Saison zu sagen, dass zwischen Platz 1 und 8 alles möglich ist und uns dann im Laufe der Saison auch mit Platz 9 anzufreunden, weiter den Tag zu leben und uns nicht irgendwelchen Allmachtsfantasien hinzugeben. Wenn wir das leben, wofür der neue BVB steht. Das ist unsere schwerste Aufgabe. Daran müssen wir arbeiten. Denn wenn wir jetzt auch nur den Hauch von Hybris entwickeln – das gilt auch für Watzke, Zorc, Klopp und die Mannschaft –, hat die Assimilierung durch die Borg-Bayern begonnen. Dann werden wir irgendwann wir sie: gefühllose, abgestumpfte, kalte Titelsammelmaschinen.
Die Bayern der Saison 2012/2013 sollten uns als Mahnung dienen. Denn was treibt sie an? Nur negative Beweggründe. Gier, Frust, Verzweiflung, Rache. Ausgerechnet in einer Saison, in der die Bayern den vielleicht besten und schönsten Fußball ihrer Vereinsgeschichte spielen, präsentieren sich Verein und Fans als die größten Kotzbrocken der Liga! Sympathie ist nicht ihr Ziel. Sie wollen nicht nur gewinnen, sie wollen vernichten, dominieren, besiegen und herrschen. Sie wollen alles, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie sind die Bayern. Sie sind Borg. Sie sind scheiße.
Euer
desperado09, 29.05.2013
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