Alles und nichts / realistischer Optimismus - Doppel-Feature
Zwei Dinge beschäftigen die BVB-Fans seit einigen Tagen. Werden die Bayern uns jetzt komplett aufkaufen? Und natürlich: Jubelt desperado09 über einen Ausgleichstreffer? Anlass genug für eine Doppelausgabe der Kolumne.
Ach, die Bayern... Die sind so putzig, dass man sie fast gern haben müsste. Sie schmücken sich mit Spielern, die sie für viel Geld anderen Vereinen oder einem anderen Verein abkaufen. Sie geben uns Geld, um damit unsere Spieler zu kaufen, denen sie schon vorab einen wunderbaren Trainer gekauft zu haben glauben.
Aber sie irren. Sie können alles von uns bekommen und werden am Ende doch nicht alles haben. Weil das kleine Quäntchen, das schlussendlich einen Verein ausmacht, nicht (ver)käuflich ist: wir.
Gegen Real (cool, dass wir in diesen Tagen des Kaufrauschs ausgerechnet gegen die Betriebssportabteilung einer Supermarktkette spielen) waren wir alle da und standen hinter unserer Mannschaft, von der ein Teil bald nicht mehr unsere Mannschaft sein wird. Und wir standen wirklich! Hatten sich die Bändchenträger beim Malaga-Spiel noch beim Ordner beschwert, weil ihnen durch stehende Fans die Sicht verstellt wurde, so standen sie diesmal tatsächlich selbst. Die haben's gut: letzte Reihe im Block, da kann sich hinter ihnen nur die Werbung beschweren, aber die hat in der Champions League eh die Augen verbunden. Jedenfalls, die alle am stehen! Das ganze Stadion! Bändchen-, Schlips-, Anzug-, Trikot-, Fahnen-, Bedenken-, Rechts- und Linksträger haben gestanden und gesungen. Ich war ja sowas von baff, dass die sogar die Texte kannten! Also nicht nur die von den Liedern, wo nur Buchstaben drin vorkommen, sondern auch richtige Texte.
Tja, liebe Bayern. All diese Fans könnt ihr nienienienie kaufen. Und was noch besser ist: Je mehr ihr uns wegkauft, desto mehr Feuer bekommen selbst die Trägsten unter ihren Hintern und werden euch zeigen, was es heißt, sich mit dem BVB anzulegen!
Das sei euch gesagt, liebe Wechselwillige. Ihr könnt in München alles haben - aber ihr werdet dort nichts bekommen, von dem ihr später euren Enkeln erzählen werdet. Ihr werdet ihnen von eurer ersten Meisterschaft, vom ersten Double, von Malaga und von Real erzählen. Von Triumphzügen durch Dortmund werdet ihr berichten. Vom Spirit, den ihr nur hier in euch gespürt habt und der bei eurem Umzug nach München an Dortmunds Stadtgrenze einfach auf der Sauerlandlinie verreckt ist. Die wertvollsten Fotos in eurer Datenwolle werden die sein, auf denen ihr in schwarz-gelben Trikots feiert und gefeiert werdet. Und wenn ihr zum ersten Mal gegen uns spielt, wird es euch so vorkommen, als spieltet ihr ein bisschen gegen euch selbst.
Schaut euch Meisterfeiern in München an - das ist es, was man bekommt, wenn man alles haben will.
Danke!!! - Bitte!!!
Und jetzt ich.
In der Kolumne nach Malaga habe ich ja überlegt, ob ich es mal mit Optimismus versuchen sollte. Habe ich gemacht. Der Anlass war passend, denn trotz aller Hysterie um das vermeintlich wichtigste Spiel der Vereinsgeschichte war mir diese Partie relativ egal. Freundschaftsspiel auf höchstem Niveau. Nix zu verlieren, viel zu gewinnen. Also die passende Testumgebung für ein Optimismus-Experiment. Ich war mir tief im Innern sicher, dass wir gewinnen. 1:0 oder eher 2:1. wobei da schon wieder der Pessimismus siegte - Auswärtstor und so. Aber das Finale war für mich eingetütet. Was nicht so ganz geklappt hat, war der in der letzten Kolumne angekündigte Versuch, bei einem 1:1 zu jubeln. War irgendwie unpassend. Aber beim 2:1 habe ich gejubelt und wegen meiner miesepetrigen Auswärtstor-Rechenweise war das ja sowas wie ein Ausgleich, zumindest ein gefühltes 1:1. Beim 3:1 Riesenjubel - ungefähr 1:0, brauchte der Gegner doch nun zwei Tore, um uns rauszuwerfen. Das 4:1? Unglaublich und unbeschreiblich! Selbst mit dem irgendwei auf negativ gedrehten Gedanken, dass der Gegner jetzt "nur" drei Tore schießen muss, um uns rauszuwerfen, ist das für meine Verhältnisse ein bemerkenswert beruhigender Vorsprung. Aber ich habe ja 2002 nach unserem 4:0 gegen den AC Mailand bis zu Rickens erlösendem 3:1 im Rückspiel im Mailänder Gästeblock gebibbert. Möglich ist also immer noch alles.
Und trotzdem habe ich mich tatsächlich dabei erwischt, wie ich einer in London wohnenden Freundin eine Nachricht geschrieben habe. Irgendwas mit "tickets" und Wembley...
Euer
desperado09, 25.04.2013
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