Rettet mich vorm Bändchen-Terror
Wie soll man denn bitte als Familienvater mit seinen Kindern ins Stadion gehen, wenn man nicht vor besoffenen Schlägern sicher ist? Gemeingefährlich ist das! Nein, ich stand nicht mit BVB-Trikot bei den Schlümpfen im Gästeblock, sondern oben in meiner Ecke. Saß! Natürlich saß ich! Stehen ist ja... naja.. man stört dann so. Will man ja nicht. Meistens jedenfalls nicht. Und sonst so? Links, vorne und schräg hinten: Bändchenträger. Gefährliches Volk!
Das Spiel gegen Nürnberg war ja eigentlich langweilig. Souverän gewonnen und dann wegen guter Kleidung nicht mal gefroren. Alle über die Kälte am jammern und ich schön kaltes Bier am nippen. Ein öder Abend also, wären da nicht die Bändchenträger inne Ecke gewesen…
Der Typ neben meiner Frau hat sich schon beschwert, dass er immer den Fremdenführer spielen muss, weil bei jedem Spiel andere Touristen neben ihm sitzen und ihn Löcher in den Bauch fragen. Immer dieselben Löcher. Also, wie das alles so geht im Stadion und ob das immer so voll ist, wer das da in dem gelben Trikot auf dem Rasen ist... So Fachfragen eben. Und dann das Bändchenvolk in der letzten Reihe! Die quatschen und quatschen und quatschen. Der eine war „neutraler Beobachter“ und kam nach dem 2:0 zu der Erkenntnis, dass Borussia viel zu viel über die rechte Seite spielen würde. „Ja“, hab ich ihm zugestimmt, „dieser Götze und dieser Kuba können gar nix.“ Egal, Fußball muss ja nicht jeder verstehen.
Aber neben dem Neutrino saß noch so’n ganz Wichtiger schräg hinter mir, der seinen Nachbarn (nicht ganz so schräg hinter mir) andauernd – und das ist keine Übertreibung – mit irgendwelchem Gefasel von Mieten und Geschäften und wasweißich zugetextet hat. Selbst beim Elfmeter!!! Zwischendurch mal ne kurze Pause, um am Freibier zu süppeln, und weiter ging’s. Blablablablablablabla… bis zur Halbzeitpause.
Nach dem Seitenwechsel hatte er dann einen neuen Nachbarn. Der Vorgänger soll innere Blutungen im Ohr gehabt haben, hieß es. Die Labertasche legte los und wieder: Blablablablabla… Nur dass er dabei hin und wieder seinem Vordermann kleine Tritte in den Rücken versetzt hat. Dem reichte es dann irgendwann kurz vorm Schlusspfiff. Er drehte sich um und bat, dass das vielleicht mal aufhören könnte. Bändchen-Mann fing an zu pöbeln, zu drohen und zu provozieren und nach kurzem Wortgefecht landete die Bändchen-Hand tatsächlich im Gesicht – patsch! Es entwickelte sich so etwas wie ein kleiner Tumult zwischen pöbelnden Gelegenheits-Bändchenträgern und unterprivilegierten Dauerkartenbesitzern, bei dem ich mir noch anhören durfte, dass ich froh sein könne, dass ich eine Brille trage. Dabei sehe ich ohne auch ganz gut – oder wie hat er das gemeint?
Ich glaube, er war pampig, weil ich ihn gefragt hatte, ob er einer von diesen Ultras ist, über die man so viel in der Zeitung liest. Die sollen ja auch immer Schlägereien anfangen. Nee, er meinte dann, ich sei wohl ein Ultra. Okay, ich hatte ne schwarze Jacke an und ich kann den Text von „Unsere Droge“ mitsingen. Aber er war es doch, der meinem Nachbarn in den Rücken getreten hat. Beim Erzählen, weil er sich so businessmäßig in Ekstase geschwallert hatte. Und einer der Oberbändchenträger erzählt uns dann noch, der Platz wäre doch „so geil“, weil er so „einen geilen Blick auf die Südtribüne“ bietet. Ich Depp! Ich bin doch tatsächlich wegen Fußball... naiv, oder?
Ne, jetzt abba mal in echt: Das geht so nicht. Es kann nicht sein, dass da Leute kommen, sich null fürs Spiel interessieren und frieren müssen! Gibt es für die nicht irgendwo ein fensterloses Zimmer im Stadion? Und noch mehr in echt: Wie kann man denn bitte verhindern, dass Fans, die mit ihrer Mannschaft fiebern und sie anfeuern Stress kriegen und von Möchtergern-VIPs bepöbelt werden? Es macht eh kaum noch Spaß, weil man auf unseren Plätzen als Fan inzwischen mehr Störfaktor ist. Und folkloristische Kulisse. Und wenn die Kulisse sich über Tritte in den Rücken beschwert, gibt’s was aufs Maul. Nee, so geht’s nicht. Die müssen da weg. Oder wir. Wir haben schon herumgefragt: Wir würden auch umziehen. Block 87, unterer Bereich, zum Beispiel. Oder Block 88. Wir sind so rund 6 bis acht Leute, die umziehen würden. Dann könnten unsere Plätze mit noch mehr Bändchenträgern aufgefüllt werden.
Noch eine Saison muss ich das nicht haben. Oder wie meine kluge Frau es ausdrückte: "Wenn ich Besoffene beim Pöbeln sehen will, gehe ich auf die Süd."
Euer
desperado09, 30.01.2013
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