Weil wir die Guten sind
Runde zwei im Europapokal der Landesmeister bedeutet den Auftakt der schwatzgelben Reisewochen: Am Ende der anstehenden Etappe wartet kein geringerer als Manchester City auf unseren Ballspielverein. Dem arabischen Öl sei Dank kennen die Citizens längst keine finanziellen Schmerzgrenzen mehr. Im Flutlicht der einstigen Industriemetropole prallen am Mittwochabend zwei Welten aufeinander.
Hier der neureiche Verein aus dem Nordwesten Englands, der Titel sammeln soll und im Zweifelsfall vom Goodwill eines Scheichs abhängig ist. Dort die stetig wachsende Borussia mit einem nachhaltigen Zukunftskonzept. Seit 2008 hat Mansour bin Zayed Al Nahyan rund eine Milliarde Euro in Manchester City gepumpt. Mit diesem Bruchteil seines Privatvermögens ebnete der Investor den Weg aus der sportlichen Bedeutungslosigkeit binnen weniger Jahre. Vorläufiger Höhepunkt des Aufschwungs ist die Meisterschaft 2012, der erste Ligatitel seit 44 Jahren.
Financial Fairplay? Nö.
Welche Dimensionen dieses ebenso kostspielige wie fragwürdige Hobby mittlerweile angenommen hat, belegen folgende Zahlen: Im abgelaufenen Geschäftsjahr verzeichneten die Sky Blues einen saftiges Rekorddefizit von 243 Millionen Euro. Und das, obwohl der Klub im gleichen Zeitraum so viel Kohle einnahm wie noch nie, nämlich 155 Millionen Euro. Rechnet man außerdem Transfererlöse und –ausgaben des letzten Sommers gegeneinander auf, steht unterm Strich ein Minus von 37 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der BVB erwirtschaftete im gleichen Zeitraum mit Augenmaß einen gesunden Gewinn von 34 Millionen Euro und konnte seinen Umsatz auf 215 Millionen Euro erhöhen. Aber der Scheich hat’s ja!
Ob das Weilen im Vakuum finanzieller Grenzlosigkeit für Manchester City und seinen sorgenfreien Öl-Mäzen auch weiterhin Bestand haben wird, steht und fällt mit der UEFA. Wie konsequent wird sie ihr Financial Fairplay als Voraussetzung zur Teilnahme an europäischen Wettbewerben durchsetzen und verantwortungsvolles Wirtschaften ohne potente Geldgeber im Hintergrund einfordern? Skeptiker warnen schon jetzt vor bestehenden Schlupflöchern. Manchester City selbst zeigte sich spitzfindig, als es den Stadionnamen und Trikotwerbung über die Dauer von zehn Jahren zum völlig überhöhten und alles andere als marktgerechten Preis von 450 Millionen Pfund an eine Airline verhökerte. Die Fluglinie gehört zufällig zur Investmentgruppe von Scheich Mansour.
Auch wenn man nicht dran glauben mag, bleibt zu hoffen, dass die UEFA nachhaltig gegen diese künstlich aufgeblasenen Klubs vorgeht, deren Daseinsberechtigung einzig der Freizeitvertreib eines unberechenbaren Milliardärs ist, von dessen Launen und Gutdünken das Fortbestehen eines ganzen Vereins abhängt. Mahnendes Beispiel ist der FC Malaga, dessen potenter Scheich lustlos den Geldhahn zudrehte und den Verein rat- und mittellos sich selbst überließ.
Sightseeing und Fußball gucken
Beschäftigen wir uns an dieser Stelle lieber mit den Dingen, die wir auch beeinflussen können. Zum Beispiel mit der Frage, wie man sich rund ums Spiel einen netten Tag in – Achtung, Kalauer! – Manchesters City machen könnte. Muah. Zugegeben, mit südeuropäischen Reisezielen á la Marseille oder anderen Exoten kann Manchester nicht mithalten. Trotzdem hat die Stadt für reisefreudige Entdecker einiges in petto und versprüht mit seinem Mix aus moderner Architektur und charmanten Überbleibseln der im 18. Jahrhundert einst rasant aufstrebenden Industriemetropole seinen ganz eigenen Charme. Es wäre müßig, sämtliche Attraktionen in diesem Vorbericht aufzuzählen. Dafür gibt es nämlich die übersichtliche Website visitmanchester.com, auf der jeder ergebnissoffen stöbern kann.
Als gemeinsamen Treffpunkt vor dem Spiel hat The Unity die Picadilly Gardens in der schönen Innenstadt ausgerufen. Der zentral gelegene, parkähnliche Platz liegt an der Market Street, eine der fünf großen Einkaufsstraßen der Stadt, und eignet sich bereits am Dienstagabend vorzüglich, in einem der vielen Pubs und Lokale das ein oder andere Kaltgetränk zu verzehren. Die Picadilly Gardens sind per Bus und Straßenbahn gut zu erreichen. Um punkt 17.15 Uhr beginnt dort am Mittwochnachmittag der einstündige, von der Polizei begleitete Fanmarsch zum Stadion. Weitere Infos – Leseempfehlung – von den Fanbeauftragten findet ihr hier.
Wer die Zeit am Dienstag statt mit Sightseeing lieber damit verbringen möchte, noch mehr Fußball zu schauen, wird in Manchester und Umgebung ebenfalls fündig. Hier eine kleine Auswahl von Kicks von der zweiten bis zur vierten Liga. Ein besonderes Schmankerl könnte der Besuch im altehrwürdigen Stadion Gigg Lane von 1885 werden. Dort spielt Mossley A.F.C im Pokal gegen FC United of Manchester, den 2005 von Manchester-United-Fans aus Protest gegen die Glazer-Familie gegründeten Club. Passt ja irgendwie…
Football League Championship:
19. 45 Uhr: Huddersfield Town – Leicester City, Championship, 50 km von Manchester (Galpharm Stadium, Huddersfield, HD1 6PX)
19.45 Uhr: FC Burnley – Sheffield Wednesday, 45 km (Turf Moor, Harry Potts Way, Burnley BB10 4BX)
20 Uhr: Bolton Wanderers – Leeds United, 25 km (Reebok Stadium, Burnden Way; Lostock, Bolton BL6 6JW)
League One:
19:45: FC Bury – Carlisle United, 20 km (Gigg Lane, Bury, BL9 9 HR)
League Two:
19.45 Uhr: FC Rochdale – Bradford City, 23 km (Spotland Stadium, Sandy Lane, Rochdale, OL11 5DS)
Pokal:
19.45 Uhr: Mossley A.F.C – FC United of Manchester, 20 km (Market Street, Mossley, OL5 0ES)
Englische Gastfreundschaft?
Wie erwartet zögerte Manchester City nicht lange, im Vorfeld der Partie sämtliche Online-Kartenbestellungen von BVB-Fans, die erstmals im City-Ticketshop einkauften, zu stornieren. Der jeweilige Kaufpreis wurde wieder gutgeschrieben. In England ist es schlicht nicht üblich, dass Gästefans in neutralen Bereichen des Stadions ein Fußballspiel verfolgen.
Überhaupt weht für Auswärtsfans im Mutterland des Fußballs ein rauer Wind: Strenge Einlasskontrollen durch Polizei und Sicherheitsdienst am Stadion, Sprengstoffspürhunde, ein Alkoholverbot auf dem gesamten Stadiongelände sowie ein Verbot von Rauchen und „permanentem Stehen“ im Stadion. Wer im vergangenen Jahr mit der Borussia nach London gereist ist, darf sich in Manchester wohl auf ähnliche Bedingungen einstellen. Positiv äußerten sich einige damals über die zurückhaltende und freundliche Polizei auf dem Weg zum Stadion.
Pünktlich vor der Abreise nach England hat sich die Defensive unserer Jungs wieder gefunden. Zugegeben, die Ponys aus Gladbach hechelten ihrer Form am Samstag meilenweit hinterher, doch die deftige 5:0-Klatsche dürfte die schwatzgelben Nerven nach den beiden auffällig fehlerbehafteten Partien in Hamburg und Frankfurt wieder beruhigt haben. Erhobenen Hauptes können wir uns dem millionenschweren englischen Meister stellen.
Namen wie Vincent Kompany, Yaya Touré, Samir Nasri, Edin Dzeko, Kun Agüero, Mario Balotelli und Carlos Tévez – um nur ein paar zu nennen – versprechen Großes. Vor allem die Abteilung Attacke ist mit einigen individuellen Hochkarätern glänzend besetzt. Auch wenn das Team von Roberto Mancini daheim eine Macht ist und dort seit 22 Monaten kein Spiel mehr verloren hat, ist auch Manchester in dieser Saison noch auf der Suche nach der absoluten Erfolgsspur. Obwohl die Citizens in der Premier League bisher noch ungeschlagen sind – drei Siegen stehen drei Unentschieden gegenüber – hatte man sich den Auftakt als Titelverteidiger erfolgreicher ausgemalt. Parallele zum BVB: Die bisher wackelige Defensive um Spielführer Vincent Kompany sucht noch nach ihrer Form. Kein einziges Spiel endete bisher zu null.
Gut möglich, dass Jürgen Klopp angesichts der geballten Offensiv-Power im gegnerischen Lager Änderungen zu Gunsten eigener Stabilität und Kompaktheit vornehmen wird. Der sich stets aufreibende Kevin Großkreutz könnte eine Option für die Dreierkette sein. Sicher scheint, dass Robert Lewandowski nach 90-minütiger Verschnaufpause Julian Schieber als einzige Spitze wieder ablösen wird.
Machen wir uns auf einen heißen Kampf mit den neureichen Schnöseln gefasst. Nach dem Last-Minute-Sieg gegen Ajax fliegen wir mit Rückenwind und drei Punkten nach Manchester. Die haben ihren Auftakt in der Königsklasse zwar äußerst spektakulär, am Ende aber doch mit 2:3 im Estadio Santiago Bernabéu verloren. Wenn einer am Mittwochabend in der Bringschuld steht, dann unser himmelblauer Gastgeber. „Wir sind Fußball“ contra Scheich-Millionen, Gut gegen Böse – und wir sind die Guten. Auf geht’s, Dortmunder Jungs!
Malte S., 02.10.2012