Keine Welle am Mittelmeer
Schon lange vor der Abreise machte sich eine gewaltige Vorfreude breit. Die erste Auswärtstour in der Königsklasse seit dem Aus in der Quali gegen Brügge, versprach so einiges: Mit Marseille durfte man sich auf eine interessante Stadt freuen, die dortige Fanszene verfügt über einen sehr guten Ruf, der Gästeblock sollte voll werden, das Stadion liegt nur unweit vom Mittelmeer entfernt und das Wetter wurde mit starken 28°C vorhergesagt. Also beste Bedingungen, um sich Dienstags mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf den Weg nach Marseille zu machen.
Aus kostentechnischen Gründen führte der Weg meiner Autobesatzung vom Ruhrpott nach Brüssel, von aus uns dann ein Flieger gen Marseille befördern sollte. Nach einem ersten Gewaltmarsch in Brüssel, wo wir unser Auto kostenlos im benachbarten Gosselies parkten und ein knappes Stündchen wandern durften, und nach einem ruhigen Flug erreichten wir gegen 23Uhr, zusammen mit einigen anderen Borussen, die französische Hafenstadt.
Praktischerweise lang unser Hostel direkt an einer Metrostation und wir hätten vom Marseiller Bahnhof nur 4 Stationen fahren müssen. Unpraktischerweise fährt die Metro an normalen Werktagen allerdings nur bis 21Uhr, weswegen wir uns nach anderen Möglichkeiten umschauen mussten. Da am Bahnhof doch allerhand zwielichtiger Gestalten vertreten waren, fiel unsere Wahl schlussendlich auf ein Taxi, um nicht schon voll bepackt in erste Problemchen zu stolpern.
Nach einer kurzen, internen Beratung der ansässigen Taxifahrermafia wurden wir gebeten, für die Taxifahrt, die laut Karte ca. 2-3km lang sein müsste, stolze 20 € hin zulegen. Im Anbetracht der übrigen Möglichkeiten stimmten wir diesen Deal widerwillig zu, konnten uns aber nach der Fahrt eigentlich nicht beschweren. Für eine gute Achterbahnfahrt bin ich gerne bereit mal einen 5er springen zu lassen und die Art und Weise, wie der Taxifahrer unser Quartett durch die Marseiller Gassen donnerte, stand einer guten Achterbahn in fast nichts nach. Lediglich 1-2 Loopings haben zum perfekten Nervenkitzel gefehlt.
Die eigentlich angedachte Erkundung der lokalen Kneipenszene fiel nach dem Höllenritt aber 2 gewichtigen Gründen zum Opfer: Zum einen erzählte uns der Chef vom Hostel, dass er das Hostel von 24-6Uhr abschließen würde und es keine Möglichkeit gäbe, in der Zeit ins Hostel zu kommen und zum anderen konnten wir während der Taxifahrt beobachten, dass quasi alle Läden in der näheren Umgebung schon geschlossen hatten. Damit fand der erste Abend ein abruptes und vor allem trockenes Ende.
Am Spieltag selber war man dafür aber bestens ausgeruht. So konnten wir zunächst das Rätsel der recht sauberen Straßen klären, welche morgens komplett geflutet und sauber gespült werden und im Anschluss daran begann der Tag schon früh mit etwas Kultur. Per pedes ging es in Richtung Notre-Dame, dem über der Stadt thronendem Wahrzeichen der Stadt. Die 143 Höhenmeter sorgten bei der zum Bauchansatz neigenden Reisetruppe zwar für einiges Gezeter, der tolle Ausblick über die Stadt entschädigte die Strapazen dann aber doch ganz gut. In den Straßen selber stach einem doch das ein oder andere heruntergekommene und hässliche Gebäude in die Augen, von oben betrachtet ist die Stadt allerdings fast so schön wie Dortmund. Im Licht der aufgehenden Sonne erstrahlen die rötlichen Dächer der dicht besiedelten Stadt, auf dem tiefer gelegenen Sportplatz bolzte die ansässige Jugend, im Hafen schaukelten die Schiffe fröhlich vor sich hin und aus dem glitzernden Mittelmeer ragen 3 vorgelagerte Inselchen hervor. Recht passabler Anblick.
Nachdem das Kultur-Häkchen erfolgreich gesetzt werden konnte, widmeten wir uns aber so langsam den wichtigen Dingen des Lebens und schlenderten die Küste entlang zum Treffpunkt der Borussen. Ausgestattet mit einem guten Vorrat an Premium-Bier (20Ct. Beim Lidl) erreichten wir schon gegen 11 Uhr den Strand, wo wir sogleich ein sonniges Plätzchen für uns und ein schattiges Plätzchen für unseren Biervorrat suchten. Der Strand war zu der Zeit zwar noch nicht sehr bevölkert, eine klare Dominanz an gelben Kleidungsstücken war allerdings schon zu erkennen.
Die folgenden Stunden konnte man dann durchaus als angenehm bezeichnen. Der Strand füllte sich kontinuierlich mit immer mehr Meer-Borussen, die alle ihren Spaß am kühlen, klaren Wasser bzw. Bier hatten. Man ließ sich die Sonne auf den Pelz scheinen, manch einer holte sich einen feinen Sonnenbrand ab, die Gespräche kreisten um das wichtige Spiel am Abend und die Polizei beobachtete das Geschehen nur aus der Ferne. Wolfsburg, Hoffenheim, Freiburg und Co. sollten eventuell auch mal drüber nachdenken, ob sie nicht ans Mittelmeer umsiedeln können. Das würde solch eher nervige Auswärtsfahrten doch wesentlich aufwerten!
Gegen 17 Uhr setzte sich der Borussentrupp aber schließlich in Bewegung zum Stade Vélodrome. Die 2,5 km Fußmarsch liefen ähnlich entspannt ab wie der Nachmittag am Meer. Zwar waren nun Polizisten in Kampfmontur aufgezogen, die uns auf dem Weg begleiteten, doch diese waren sehr zurückhaltetend.
Angekommen am Stadion, wurden wir in ein paar größeren Gruppen ins Stadion gelassen, und das Stade Vélodrome wusste durchaus zu gefallen. Unsere Tribüne war zwar bis auf den Gästeblock komplett gesperrt, da die Tribüne schon für die EM 2016 umgebaut wird, gerade die beiden halbkreisförmigen Hintertortribünen versprühten aber einen gewissen Charme. Zudem war der Gästeblock recht schön gelegen. Im normalen Ligabetrieb bietet der Gästeblock aktuell nur 400 Fans platz, die dann in dem für Frankreich typischen Käfig untergebracht werden. Wir bekamen hingegen bekanntermaßen 2000 Plätze in unmittelbarer Spielfeldnähe. Das war schon sehr in Ordnung.
Als sich das Stadion langsam füllte, bekam man auch endlich einen Vorgeschmack auf die zu erwartende Stimmung. Die Virage Nord, welche nur durch eine Pufferzone vom Gästeblock getrennt war, schmetterte die ersten Liedchen in einer recht beeindruckenden Lautstärke, und man durfte sich auf ein interessantes Gesangsduell freuen. In der Bundesliga kann der schwarz-gelbe Gästeanhang sicherlich jeder Heimkurve Paroli bieten, zumindest dann, wenn er Gas gibt, aber diese Heimtribüne machte zunächst den Anschein ein Gegner anderen Kalibers zu sein. Zeitweilig hatte ich Sorge, dass selbst 2000 gut aufgelegte Borussen wenig ausrichten könnten. Aber schlussendlich sollte es dann doch nicht so überragend werden...
Mit Beginn des Spiels konnte man kurze Zeit später auf beiden Heimtribünen Choreos erblicken: Im Oberrang der Virage Nord wurden mit blauen, roten und gelben Papptafeln die Vereinskürzel OM dargestellte und der Süden hatte gleich mehrere Elemente am Start. Mittig im Oberrang prangte der Campions League Pokal auf einer Blockfahne, daneben gab es jeweils einen goldenen Stern aus Papptafeln, im Unterrang ein feines Fahnenmeer und seitlich gab es noch 2 kleine weitere Aktionen. Sah alles in allem schon ganz gut aus.
Nun begann endlich das Spiel um die wichtigen 3 Punkte. Unsere Borussia startete relativ ordentlich, machte das Spiel, trat jedoch vor dem gegnerischen Gehäuse zu Ideenlos auf. Dem gegenüber konnte Marseille von einem Ausrutscher Subotic profitieren und in der 19. Minute das 1:0 markieren.
In ähnlicher Form ging es bis zur Pause weiter. Marseille stand größtenteils hinten drin und unseren Jungs fehlte es vorne an den zündenden Ideen.
Nach der Pause wirkte der Angriff entschlossener. Es gab ein paar gute Chancen, die zwar vergeben wurden, doch der Ausgleich lag scheinbar in der Luft. Doch wieder kam es anders. Mats Hummels misslang ein Kopfball und so bereitete er leider das 2:0 durch Remy in der 62. Minute vor.
Kurz später pfiff der schwedische Schiedsrichter auch noch einen grenzwertigen Elfmeter gegen uns und mit dem 3:0 in der 69. Minute war die Messe gelesen. Zum Kotzen!
Wir machen das Spiel und werden mit 3:0 nach Hause geprügelt. Ganz schön mies.
Die Heimkurven waren während des Spiels nicht mehr so stark wie zunächst erwartet. Zwar wurden die mitunter schon sehr laut, so Kracher wie „Aux Armes" schepperten ganz ordentlich, aber dass es durchgängig beeindruckend war, kann man nicht sagen. Zudem turnten da doch recht viele komische Hampelmänner auf der Tribüne herum. Vor allem die Vorsänger der Yankees konnten mit ihrer Darbietung die Herzen vieler Borussen im Sturm erobern.
Geplant war es nun eigentlich den Reisebericht mit den Erzählungen der nächtlichen Siegesfeier enden zu lassen, doch da uns das Schicksal umgehend und bedröppelt ins Hostel zurück schickte, verschieben wir diese Part mal auf den Bericht aus Athen. Dort kann man zur Not sicherlich auch prima feiern. Hoffen wir das beste, damit das Abenteuer Champions League nicht ein sehr frühzeitiges Ende findet. Dafür sind solche Touren dann doch einfach viel zu schön.
Die Fotostrecke zum CL-Spiel in Marseille findet Ihr auf unserer BVB-Fotoseite foto.schwatzgelb.de unter diesem Link.