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...Frank Buschmann (Teil 2): "Kevin Großkreutz und Borussia Dortmund, das passt wie Arsch auf Eimer"

29.12.2011, 09:19 Uhr von:  SSC
...Frank Buschmann (Teil 2): "Kevin Großkreutz und Borussia Dortmund, das passt wie Arsch auf Eimer"
Frank Buschmann bei der Arbeit

Im ersten Teil des schwatzgelb.de-Weihnachtsinterviews sprachen wir mit Buschi über die Grenze zwischen Privat- und Berufsleben, die Rolle von Emotionen und Kommerz im Sport sowie sein persönliches Verhältnis zu Dirk Nowitzki.Im zweiten Teil erfahrt ihr mehr über seine seine Sicht der traumhaften Erfolgsgeschichte Borussia Dortmunds. Passend zum Jahresende werfen wir ebenso einen Blick zurück auf ein tolles Sportjahr und freuen uns auf ein mindestens ebenso gutes 2012!

schwatzgelb.de: Was mir bei dir im Fernsehen wie auch im persönlichen Gespräch auffällt, ist die Zurückhaltung bezüglich deiner Person. Gibt es einen kleinen Anflug an Heldenverehrung, witzelst du ihn weg oder stellst andere in den Mittelpunkt.

Frank Buschmann: Weil ich es nicht verstehen kann. Viele wollen von mir ein Autogramm haben, weil ich Schweinsteiger, Raab und andere kenne. Oder meine Fratze ab und an in die Kamera halte. Doch welcher Teil davon ist meine besondere, großartige Leistung? Das ist nichts weiter als mein Job, den ich so gut wie nur möglich mache. Bitte versteh mich nicht falsch: Wenn ich Menschen mit meiner Arbeit Freude machen kann, finde ich es toll und es schmeichelt mir natürlich sehr, wenn ich einen Herbert Award (Anm. d. Verf.: Bester Sportkommentator) gewinne oder für den Grimme-Preis nominiert werde. Manchmal frage ich mich allerdings schon, wofür ich das bekomme. Ich teile nicht das Interesse vieler Moderatoren und Kommentatoren, unbedingt ein Fernseh-Star sein zu wollen – ich habe dazu nur wenig Lust, weil ich nicht glaube, dass es nötig ist.

Dennoch dürften Mats Hummels und der Rest unserer Meistermannschaft deine FIFA-Kommentare besser kennen, als du selbst.

Frank Buschmann bei der Arbeit

Frank Buschmann: Da die Jungs intelligent sind, werden sie schon wissen, dass ich nicht im Computer hocke und die Spiele live kommentiere – es sind nur eingesprochene Sätze, noch dazu basierend auf vorgegebenen Textbausteinen. (Lacht) Aber natürlich ist mir klar, dass über dieses unfassbar erfolgreiche und weit verkaufte Spiel eine gewisse Außenwirkung entsteht. Mir fällt zum Beispiel auf, dass kurios viele Sportler und Bundesligaprofis einen besonders guten Draht zu mir haben und gerne zum Quatschen vorbeikommen. Vielleicht auch, weil sie gerne bei „Schlag den Raab“ oder „Schlag den Star“ mitmachen wollen?

Andererseits gibt es Leute, die mich am Boden festbinden möchten, damit ich nicht endgültig abhebe. Die mir besonders gerne unterstellen, dass ich mich für den Größten halten und pausenlos selbst abfeiern würde. Meistens können diese Leute genauso wenig wie ich verstehen, was um mich herum teilweise passiert. Ich bin nicht mehr der „Basketballonkel vom DSF“, sondern habe die Chance bekommen, auf einer höheren Ebene zu arbeiten. Das bringt leider nicht nur positive Aspekte mit sich, macht mir aber viel Spaß – ich bin dankbar für das große Glück, einen Job zu haben, der mir das ermöglicht.

Man muss ja nicht alles um sich herum verstehen können, um erfolgreich zu sein. Die BVB-Meistermannschaft überraschte in der vergangenen Saison jeden im Lande, sich selbst eingeschlossen. Hättest du einen solchen Triumphzug jemals für möglich gehalten?

Frank Buschmann: Vor Saisonbeginn auf gar keinen Fall. Da hätte ich jeden für komplett irre gehalten, der mir Borussia Dortmund als deutschen Meister genannt hätte. Allerdings gehörte ich zur Winterpause zu denjenigen, die sich darauf festlegten, dass der BVB es packen würde.

Wie kam es zu diesem Stimmungswandel?

Frank Buschmann: Wenn man selbst aus dem Sport kommt, weiß man, dass sich gewisse Eigendynamiken entwickeln können. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie intern schon zur Herbstmeisterschaft gesagt haben: „Jetzt stehen wir da oben, also ziehen wir es durch.“ Nach außen hat Kloppo das wunderschön eingetütet: Die Erwartungshaltung auf Sparflamme köcheln, immer alles brav negieren, obwohl es keiner glauben wollte.

Eines muss ich dabei noch zugeben: So wie ich mir zur Winterpause sicher war, dass Borussia Dortmund es packen würde, hatte ich den BVB vor Saisonbeginn nicht einmal im Kreis der ersten drei oder vier stehen. Das war schierer Wahnsinn, was Borussia Dortmund da geleistet hat.

War es ein guter Bluff oder eine kluge Strategie zur Beruhigung der Medien?

Zorc, hier mit Hertha BSC-Manager Preetz, hatte oft den richtigen Riecher

Frank Buschmann: Eine kluge Strategie, keine Frage. Klopp, Zorc und Watzke wissen sehr genau, was sie tun und wie sie es tun. Zu ihrem großen Glück haben sie noch dazu genau die Spieler, die man in einer solchen Situation braucht: Sonnyboys wie Subotic oder Hummels, die so viel Schmalz im Hirn haben, dass sie diese Linie glaubhaft und zur Not mit einer kleinen Prise Selbstironie halten können. Obwohl es niemand glauben wollte, blieb ja immer eine gewisse Ungewissheit, ob sie es nicht doch ernst meinen. Wenn du so kluge und schlagfertige Leute in deinen Reihen hast, hilft dir das extrem.

Wo ich schon bei der Wahrsagerei bin, sag ich dir noch was: Ich bin mir sicher, dass diese Mannschaft sehr lange um die vorderen Plätze und die Champions League mitspielen wird. Meister wird in diesem Jahr allerdings Bayern München.

Dabei funktioniert es längst wieder: Der BVB überwintert auf Platz 2, ist seit einem Vierteljahr in der Liga ungeschlagen, ein Hype ist nicht in Sicht.

Frank Buschmann: Wenn du dich auf internationalem Parkett so präsentierst, wie es der BVB getan hat: Wo soll der Hype herkommen? Super in der Liga, aber international abgeschlagen, ist dafür keine Basis. Und wenn wir ehrlich sind: Würde Borussia Dortmund in diesem Jahr Dritter, dann wäre das schon was. Mit einer so jungen Mannschaft Meister zu werden und im Folgejahr die Champions-League-Qualifikation zu erreichen – in meinen Augen wäre das absolut großartig.

Jetzt pass mal auf, was du sagst: International ausscheiden, um keinen Hype entstehen zu lassen – wie war das gleich mit der klugen Strategie?

Frank Buschmann: (lacht) Jetzt, wo du es sagst, könnte es ein sauguter Bluff gewesen sein! (Lacht weiter) Allerdings ein Bluff, den ich Klopp nicht zutraue. Als Vollblutsportler hat er sich die Auftritte in der Champions League sicher anders vorgestellt – ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Klopp freiwillig verlieren würde, um auch nur einen Journalisten ruhig zu halten. Im Übrigen ist es ein Gerücht, dass das Ausscheiden aus dem Europapokal die Chancen auf den nationalen Titel erhöhen würde: Letztes Jahr mit der Europa League war‘s genau umgekehrt! Da konnte sich der BVB zum Winter auf die Liga konzentrieren und nahm sich die Schwächephase prompt in der Rückrunde.

Großkkreutz kann was an der Kugel

Ein Erfolgsrezept dieser Mannschaft war es, dem Nachwuchs eine Chance zu geben. Nun muss es ja nicht immer Kindergarten sein – wie wichtig aber ist es für einen Verein, auf den (eigenen) Nachwuchs zu setzen?

Frank Buschmann: Da muss man differenzieren. Wenn du einen Kevin Großkreutz nimmst, dann kann der ja richtig was am Ball und spielt nicht umsonst in der Nationalmannschaft. Der stand auf der Südtribüne, hat mit den Leuten gefeiert und sich in die Mannschaft gekämpft – Kevin Großkreutz und Borussia Dortmund, das passt wie Arsch auf Eimer. Das würde ich nicht unbedingt mit Spielern vergleichen, die auf der Bank sitzen dürfen, weil man einen Deutschen im Kader braucht. Generell finde ich es übrigens sehr wichtig, Identifikationsfiguren zu haben. Klar darfst du keinen als Maskottchen hinstellen, aber es ist mindestens eine Überlegung wert, einem Jungen aus der Region Spielzeit zu geben und zu schauen, ob es funktioniert. Das Problem hatte ich vorhin im Sinn, als ich die wechselnden Kader ansprach – da hapert’s dran. Im Basketball übrigens sehr viel mehr als im Fußball, gerade da würde ich mir deutlich mehr Nachwuchs und Konstanz wünschen.

Am kompletten Gegenteil hat sich 2011 wieder einmal Felix Magath versucht. Gibt es einen Sportler, der in diesem Jahr eine größere Demontage erleben musste, als Glücksspieler Felix?

Frank Buschmann: Magath hat kräftig gewirbelt und ordentlich Lack abbekommen, er ist der mit Abstand größte Trainerverlierer des Jahres. Derzeit arbeiten sich einige Medien und Kollegen an ihm ab, kratzen an seinem Image. Das ist völlig unbestritten und passiert nicht ganz zu Unrecht – immerhin kam in den letzten Jahren schon eine Menge an nicht nachvollziehbaren Aktionen zusammen. Andererseits halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass Wolfsburg am Ende deutlich besser da steht als heute. Deshalb wäre ich zumindest vorsichtig, ihn nicht mehr ernst zu nehmen oder gar abzuschreiben.

Fällt dir noch jemand ein, der 2011 eine ganz schlechte Figur abgegeben hat?

Frank Buschmann: (überlegt lange) So richtig abartige Geschichten fallen mir nicht ein, da kann ich dir weder eine Person, noch einen Verein nennen. Im Kopf geblieben ist mir aber die unsägliche Ballack-Löw-Geschichte. Das hätte man von allen Seiten in einer anderen Form lösen können. So unehrenhaft auseinander zu gehen, war albern und überflüssig.

Kommen wir zu den positiven Erscheinungen des Jahres: Wer war in deinen Augen der beste Einzelsportler 2011?

Sportler des Jahres - Dirk Nowitzki

Frank Buschmann: Novak Djokovic!

Der Sportler des Jahres?

Frank Buschmann: Ohne Frage: Dirk. Aus meiner alten Verbundenheit und weil ich glaube, seine Leistung immens einschätzen zu können. Mit dieser Mannschaft unter diesen Voraussetzungen NBA-Champion zu werden, dann auch noch der alles entscheidende Mann zu sein – das hatte jordaneske Züge. Für mich ist er völlig zu Recht Sportler des Jahres geworden.

Der beste Trainer?

Frank Buschmann: Aus allen Sportarten?

Gerne.

Frank Buschmann: (überlegt lange) Da sage ich tatsächlich Jürgen Klopp. Was der zwischen August 2010 und Mai 2011 mit dieser Mannschaft hinbekommen hat, kann man nicht hoch genug einschätzen.

Als Mannschaft des Jahres hattest du mir im Sommer die Frauen-Nationalmannschaft genannt, unter der Bedingung, sie würden erneut den Titel holen…

Frank Buschmann: Das hat sich ja nun erledigt… Borussia Dortmund hat sich diese Auszeichnung mit der bereits angesprochenen, unglaublichen Erfolgsgeschichte mehr als nur verdient. Persönlich hätte ich den ersten Platz aber gleichauf mit der Fußball-Nationalmannschaft vergeben: Die EM-Qualifikation war überragend, dazu kamen die Spiele gegen Brasilien und die Niederlande. Das war Fußball zum Zungenschnalzen und hat Spaß gemacht.

Deutscher Meister BVB

Was ist dir besonders positiv in Erinnerung geblieben?

Frank Buschmann: Der Titel der Dallas Mavericks, weil sich ganz Amerika einig war, dass die nicht den Hauch einer Chance hätten. Das Playoff-Loserteam überhaupt, das immer dann den Schwanz eingezogen hatte, wenn es ernst wurde. Die haben es allen bewiesen und Eier gezeigt. Ähnlich wie bei Borussia Dortmund hatte dieser Triumph eine schöne Randgeschichte: Es braucht mehr als drei Superstars, wenn man erfolgreich sein möchte – dazu braucht es eine intakte Mannschaft, in der sich keiner zu schade ist, für den anderen die Knochen hinzuhalten. Mit Teamgeist und Kämpferherz kann man selbst auf allerhöchstem Niveau über sich hinaus wachsen, das ist die herausragende Geschichte des Sportjahres 2011.

Welche Entwicklung hat dich im sportlichen Sinne so richtig überrascht?

Frank Buschmann: Richtig überrascht hat mich die Aufstellung des 1. FC Köln beim FC Bayern am 17. Spieltag der Bundesligasaison 2011/12. Dass die nach einem 0:2-Rückstand an ihrem 5-4-1 festhalten, hab ich überhaupt nicht verstanden. Sollte das eine taktische Entwicklung gewesen sein: Gute Nacht, Marie!

2011 war ein bewegtes und spannendes Sportjahr, mit vielen positiven Überraschungen. Worauf werden wir uns 2012 freuen dürfen?

Frank Buschmann: Für mich persönlich wird es am 5. Februar ein Highlight geben, denn ich darf zum ersten Mal für Sat1 den Super Bowl kommentieren. Das war immer ein kleiner Traum, der in Indianapolis in Erfüllung gehen wird. Ansonsten freue ich mich wie wohl jeder Sportfan auf die Fußball-EM und die Olympischen Spiele. Da werde ich mit eckigen Augen vor der Kiste hocken, weil ich von modernem Fünfkampf bis Eierlaufen alles sehen will.

Fehlen darf in diesem Zusammenhang keinesfalls deine Einschätzung als Experte: Sind die hohen Erwartungen an die Fußball-Nationalmannschaft gerechtfertigt?

Frank Buschmann: Ich glaube schon, gehe aber nicht so weit wie viele andere, dass der Titel unbedingt geholt werden muss. Es hängt vieles vom Auftaktspiel gegen Portugal ab, in dem man sich mit einer Niederlage unter Monsterdruck setzen kann – wenn du einen ganz doofen Tag erwischst, darfst du dich im zweiten Spiel gleich verabschieden. Davon wollen wir nicht ausgehen: Ich traue den Jungs den Titel zu, Topfavorit ist und bleibt jedoch Spanien. Die sind wahrscheinlich ohne Villa am Start, doch genauso wenig wie Spanien 2008 aus Torres bestand, werden sie jetzt mit Villa fallen. Was diese Mannschaft auszeichnet, ist das unmenschlich gute Mittelfeld.

Die letzte Frage geht wieder an dich persönlich: Du hast so gut wie alle Karriereziele erreicht – welche Perspektive bleibt dir für die nächsten Jahre?

Der FC Bayern im Basketball-Clinch
Frank Buschmann: Bei Stefan Raab habe ich einen Vertrag bis einschließlich 2015. Wenn man mir im Januar dazu einen Vertrag hinlegen würde, die nächsten fünf Jahre Sport1 und Liga total wie bisher weitermachen zu dürfen, würde ich wahrscheinlich unterschreiben. Vor fünf bis sieben Jahren wäre meine Antwort sicher anders ausgefallen. Da wollte ich unbedingt ein großes Fußballturnier und Olympische Spiele kommentieren. Dieses Interesse hat sich aber aus zwei Gründen abgekühlt: Erstens werden sich die Öffentlich-Rechtlichen Sender oder RTL wohl niemals bei mir melden, weil ich denen zu verrückt und wahrscheinlich auch nicht hübsch genug bin – gerade das Unterhaltungssegment ist sehr glatt und auf Mainstream gebürstet, das bin ich beides nicht. Zweitens bin ich im Laufe der Jahre immer zufriedener geworden mit dem, was ich mache. Sollte im Februar nun doch einer vom ZDF vor der Tür stehen und sagen: „Du bist unser Anchor für die Olympischen Spiele“ oder: „Du machst die nächsten zehn Jahre Basketball und Fußball im ZDF“, würde ich mir das noch mal überlegen. Das Programm der letzten Monate werde ich aber in jedem Fall zurückzufahren, auch möchte ich mit 65 nicht mehr wie Häppcken Doof bei Ingolstadt gegen Greuther Fürth rumbrüllen. Da müsst ihr keine Angst haben.


Vielen Dank für das Interview und guten Rutsch ins neue Jahr!

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