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Hakenkreuz und rundes Leder

18.05.2010, 00:00 Uhr von:  Nicolai
Hakenkreuz und rundes Leder
Hakenkreuz und rundes Leder - Cover

Zu seinem 100jährigen Bestehen gab der deutsche Fußballbund dem Druck nach und ließ eine wissenschaftliche Studie „Fußball unterm Hakenkreuz“ zu seiner Rolle im Vorfeld und im Verlaufe der Naziherrschaft erstellen. Diese Studie wurde von Dr. Nils Havemann erarbeitet.

Nils Havemann studierte Geschichte, Romanistik und Politische Wissenschaften in Bonn, Paris und Salamanca. 1996 promovierte er an der Universität und arbeitet zur Zeit als Lektor in Mainz. Er gilt als ein Schüler von Klaus Hildebrand, der in dem sogenannten Historikerstreit verwickelt war. Im Laufe dieses Streits wurden, neben Hildebrand, hauptsächlich Ernst Nolte, Michael Stürmer und Andreas Hillgruber ein fragwürdiges Geschichtsverständnis vorgeworfen.

Hakenkreuz und rundes Leder versteht sich nun als kritische Antwort auf die von Nils Haveman vorgelegte Studie. Die DFB-Studie stellt sicherlich einen Bruch mit der bisherigen Politik des Fußballverbandes, des Ignorierens der Pflicht zu einer historischen Aufarbeitung, dar. Dennoch entzündete sich an der Studie eine große Welle des Protestes und der Kritik. Neben der temporären Beschränkung (im Grunde 1933 – 1945) zogen Interpretationsansätze und Quellenauswahl von Nils Havemann Kritik an. Als Antwort entstand ein 606 Seiten schweres Buch, das eine Sammlung von Aufsätzen zu unterschiedlichen Themengebieten rund um den Fußball in Deutschland von seinem Beginn bis in die heutige Zeit ist.

Struktur

Unter dem Themenpunkt Gleichschaltung steigt das Buch in die Geschichte des deutschen Fußballs ein. Es wird systematisch der Weg des Fußballs in Deutschland von seinen Anfängen bis zur Gleichschaltung nach der Machtergreifung 1933 beschrieben. Dabei wird das Bild eines konservativen-nationalistischen Verbandes gezeichnet, der auf Grund einer Mischung von Existenzangst und wirklicher nationaler Überzeugung führender Personen zuerst die Nähe zu kaiserlichen, und nach 1919 zu nationalen antidemokratischen Kreisen suchte. Bei den dazu verwendeten Aufsätzen kommt auch der sehr kritisierte Nils Havemann zu Wort, was dem Leser die Möglichkeit gibt, auch die andere Betrachtungsweise zu erfahren.

In der Folge wird deutlich, dass die Gleichschaltung, Ausgrenzung der jüdischen Mitglieder und Einführung des Führerprinzips relativ problemlos verliefen und von einigen Personen auch forciert wurde. Die Motive dahinter bleiben naturgemäß im Schatten, da die Quellenlage zum Teil sehr dünn ist. Insgesamt gibt es für die meisten Entwicklungen wohl ein Misch aus unterschiedlichsten Motiven zu beachten. Das wird gerade beim Thema des vom DFB bis in Bonner Republik zäh verteidigten Amateureismus deutlich. Während Nils Havemann in dem verbissenen Kampf um die Amateure ein reines Machtmotiv der DFB Elite sieht, wird von anderen Historikern die Bedeutung des Sports zur Wehrtüchtigkeitserhaltung der Deutschen während der Weimarer Republik (unter dem Einfluss der Versailler Verträge) betont. Zusätzlich wird dargestellt, wie der Fußball von den Machthabern instrumentalisiert wurde und sich bereitwillig instrumentalisieren ließ, um in Form von Zuwendungen zu profitieren.

Im zweiten Themenkomplex geht es um die „Außenpolitik“ des DFB im dritten Reich. Es wird beschrieben wie der DFB versucht, den deutschen Machtanspruch auch bei der FIFA durchzusetzen. Zusätzlich wird auch ein Blick auf den Fußball in den annektierten Gebieten gewagt.

Unter der Hauptüberschrift „Täter“ folgt das dritte Themengebiet rund um Funktionäre der deutschen Fußballgeschichte. Dabei wird auch die Rolle von Personen wie Sepp Herberger und Peco Bauwens beleuchtet, die auch nach 45 weiter in herausragender Rolle für den DFB aktiv waren.

Der vierte Abschnitt beschäftigt sich dann mit ausgewählten Vereinen. Der BVB wurde dabei ausgespart. Vielleicht auch, weil hier eine gute Dokumentation vorliegt. Ansonsten liest es sich allerdings wie ein who is who des Deutschen Fußballs. So werden der HSV, St. Pauli, der 1.FC Nürnberg, die beiden großen Münchner Vereine, Schalke, der 1. FCK, Eintracht Frankfurt und Hannover 96 behandelt. Daneben gibt es noch einen Einblick bei kleineren Vereinen wie Holstein Kiel, Tennis Borussia Berlin oder Göttingen 05. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf dem Prozess der Gleichschaltung der Vereine und wie sich die Akteure und Funktionäre im Verhältnis zu den Nationalsozialisten verhielten.

Anschließend beschäftigen sich fünf Autoren im fünften Abschnitt mit den Opfern dieser Zeit. Dort wird nicht nur auf persönliche Schicksale wie das von Julius Hirsch eingegangen, sondern auch beispielsweise über Fußball im Konzentrationslager berichtet. Diese Kapitel geht einem sehr nahe und zeigt den ganzen Wahnsinn der damaligen Zeit auf.

Im abschließenden Teil wird dann unter dem Stichwort „Verdrängung“ die Nachkriegszeit kritisch betrachtet. Dabei werden klar die Versäumnisse des DFB und der deutschen Sportpresse in der Aufarbeitung aufgezeigt. Der letzte Aufsatz wird dann auch zu einer harschen Anklage gegen den DFB und seine handelnden Personen, die nur für Theo Zwanziger bedingt versöhnliche Töne findet. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass bei der Rehabilitation von Funktionären im Fußball ähnlich traurige Geschichten dabei sind, wie in der restlichen Gesellschaft des Nachkriegsdeutschlands. Es muss aber auch konstatiert werden, dass der DFB in der Aufarbeitung sehr rückschrittlich war und nach wie vor Nachholbedarf hat. Dazu will dieses Werk seinen Teil beitragen.

Fazit

Bis man soweit gekommen ist, muss man viel Stehvermögen bewiesen haben, denn das Buch ist sicherlich kein unterhaltsamer Roman oder Bericht. Durch die Vielzahl an Autoren kommt es häufig zu Wiederholungen, was es teilweise etwas zähflüssig macht, das Buch zu lesen. Hakenkreuz und rundes Leder hat einen eindeutig wissenschaftlichen Anspruch und weist daher alle Merkmale eines solchen Werkes auf. Auch der Preis von rund 40 € wird dem Anspruch gerecht.

Ob man sich dieses Buch gönnen sollte, hängt sehr stark vom eigenen Interesse ab. Es kann niemanden schaden, sich mit der Materie eingehender zu beschäftigen. Hakenkreuz und rundes Leder bietet hierzu die Gelegenheit und stellt gleichzeitig eine Alternative zur offiziellen Geschichtsschreibung des DFB dar. Im Hintergrund sollte man dabei aber auch behalten, dass Geschichte und ihre Interpretation auch eine sehr persönliche Ansichtssache ist, so dass man nicht zwangsläufig den Argumentationssträngen der Autoren folgen muss. Interessant ist es alle Mal.

Hakenkreuz und rundes Leder. Fußball im Nationalsozialismus

Verlag: Die Werkstatt; Auflage: 1 (17. Juni 2008)

ISBN-10: 3895335983

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