Alle Wege führen nach Rom
Wir sind nicht mehr im frühen Mittelalter und die damalige Vorstellung von Rom als Mittelpunkt der christlichen Welt trifft nicht zu. Es ist das Jahr 1993 und für mich bedeutete Rom den Mittelpunkt der internationalen Fußballwelt. Es wurde als Gegner im UEFA-Cup der AS Rom aus dem Lostopf gefischt. Welch ein Traumlos, der Entschluß stand fest: da müssen wir hin.
Gesagt, getan. Nun ging es los an Karten zu kommen. Diese konnten über Bekannte aus Italien geordert werden. Problem eins gelöst. Problem zwei war auch schnell erledigt. Der fahrbare Untersatz sollte der alte 190er Mercedes meines Vaters sein. Die Frage ob Übernachtung oder nicht war auch schnell geklärt und so machte sich unsere 5 Mann starke Reisegruppe am 01.03.1993 am frühen Nachmittag auf den Weg Richtung Italien.
Die Fahrt verging wie im Flug, da unsere beiden Fahrer Vollgas geben konnten. Dabei war ich erstaunt wie Rudi, alter Bergmann, auf der Strecke zwei Schachteln “Reval Ohne” vernichten konnte ohne großartig in Hustenanfälle zu verfallen. Ich habs mir dann einfach mit “Bergmann” erklärt.. Nach gut 16 Stunden hatten wir die ewige Stadt erreicht. Berufsverkehr. Und so standen wir da, an einer roten Ampel und wunderten uns warum die hinter uns alle so unruhig waren und wie wild hupten. Wir erkannten schnell dass rote Ampeln heute nicht zählen würden. Also ab die Post Richtung Altstadt.
Dort angekommen und nach einiger Zeit der Suche in den kleinen Gassen enterten wir das Hotel. Nichts mondänes, ein Zimmer mit drei Betten, aber das sollte ja auch vollkommen reichen. War nett gelegen, nur der Einwurf eines Mitfahrers nach öffnen des Fensters und der Ansage man könnte das Meer sehen irritierte. Beim Blick aus dem Fenster stellte man fest - tatsächlich. Nur bestand dieses “Meer” aus einer grauen Betonfassade fünf Meter gegenüber. War aber auch nicht schlimm, da wir ja nur zum pennen hier waren. Also erstmal etwas entspannt und zwei Stündchen Schlaf nachgeholt.
Gegen Mittag sollte es dann in die Innenstadt gehen. Die Spanische Treppe war das Ziel, da man vorher gehört hatte, dort würden wir uns, also die Dortmunder, treffen. Erstaunlicher Weise klappte diese Absprache auch ohne Handy oder gar Internet, verrückte Welt damals. Angekommen am Ziel dann das erste mal Gänsehaut, denn es wimmelte zu der Zeit schon nur so vor Borussen und die Treppe wurde für den Rest des Tages fest eingenommen. Man konnte beobachten wie die Italiener unsere Trinkfestigkeit, Stimmung und vor allem Friedfertigkeit erstaunt in sich aufsaugten. Die Bierpreise explodierten dann am späten Nachmittag, fünfzig DM sollte man schon für eine Palette Heineken zu opfern bereit sein.
Es wurde nun langsam Zeit, also ging es ab mit der Straßenbahn Richtung Olimpico, dem Olympiastadion von Rom. Schon recht beeindruckend die Kiste und vor allem der große Vorplatz auf dem Weg zur Curva Sud wusste zu beeindrucken. Neu war, zumindest für mich, wie viele Fanartikel (natürlich alle nicht offziell) man dort an den zig mobilen Ständen erwerben konnte. Das kannte ich in dem Ausmaß aus Deutschland nicht. Wieder was gelernt dachte ich mir.
Also rein in die Curva Nord wo wir Borussen untergebracht waren. Schätzungen besagen 8.000 Dortmunder haben sich im Auswärtsblock eingefunden. Das Stadion war zum Anpfiff recht gut gefüllt, ca. 41.000 Zuschauer wollten diese Begegnung sehen. Es folgte eine richtig nette Pyroshow zum einlaufen der Mannschaften auf beiden Seiten - man wollte den Italienern ja auch mal zeigen dass man nicht hinter dem Mond lebt. Allerdings hatten dabei die Römer klar die Nase vorn.
Wir waren krasser Aussenseiter und das merkte man auch schnell auf dem Platz. Die waren zu abgekocht, die Römer. Aufgegeben wurde aber nicht und so rockte man den Block das ganze Spiel. Und dann passierte was verdammt bewegendes. Die Tifosi im Stadion auf der Tribüne zeigten ihren Respekt uns gegenüber, dass wir wirklich Vollgas gegeben haben, mit lauten „Borussia, Borussia“-Rufen. Gänsehaut. Links neben uns dann herrliche Szenen am Zaun zwischen den dort hin strömenden Roma-Fans und uns. Es flogen unzählige Schals zum Tausch über den Zaun. Das war dann Gänsehaut pur und wohl auch etwas Anerkennung für unser gesamtes Auftreten in der Stadt und im Stadion. So macht Fußball Spaß, weil es einfach ehrlich war.
Am nächsten Tag in der Schule hielt mir dann mein Jahrgangsstufenleiter, nennen wir ihn Martin B., der davon ausging ich sei krank, die Ruhrnachten unter die Nase. Auf der ersten Seite ein großes Foto der Spanischen Treppe mit all den Dortmundern auf ihr. Wer auf diesem Foto zu sehen war, verrat ich aber hier nicht.
Eine unvergessliche Tour. Mit dem Wissen in Rom eine gute Visitenkarte abgegeben zu haben.