Das schwatzgelbe Jahr 2006
Und wieder nähert sich mit großen Schritten der Jahreswechsel. Ein Jahr, in das man mit großen Hoffnungen gestartet und an dessen Ende so mancher Fan bitter enttäuscht ist, geht zu Ende. Die Niebaumschen Altlasten wurden Stück für Stück abgetragen und alle Fans freuten sich, dass man sich wieder voll auf den Sport konzentrieren konnte. Im weiteren Verlauf erwies sich diese Freude jedoch als unbegründet. Aber nicht alles im Jahr 2006 war schlecht. schwatzgelb.de wirft noch einmal einen Blick zurück auf das vergangene Kalenderjahr.
Lichtblicke:
Zugegeben, man muss sie suchen, aber es gibt sie doch, die großen BVB-Momente im Jahr 2006.
Am 25.03.06 gastierte der BVB in seiner norddeutschen Ferienwohnung, dem Hamburger Volkspark. Das Spiel war wie gewohnt voller Spannung und Klasse – und wie gewohnt ging der BVB als Sieger vom Platz. Florian Kringe und Thomas Rosicky wetteiferten mit ihren beiden Traumtoren um den ersten Platz bei der Auswahl zum Tor des Monats und besonders der kleine Tscheche sorgte mit Nachdruck dafür, dass man ihn in Dortmund nicht so schnell vergisst. In der 94. Spielminute entschied Rosicky mit einem wohl einzigartigen Jubellauf das Spiel mit seinem Tor zum 4:2. Eine Ecke der Hamburger konnte geklärt werden, Smolarek spielte den Ball lang auf den aufrückenden Rosicky, der noch gut und gerne 40 Meter bis zum leeren Tor zurück legen musste. Ein Blick zurück – van Buyten noch weit weg, die Arme hochgerissen, jubelnd weitergelaufen, noch ein Blick zurück – van Buyten immer noch weit weg und so lief Tomas jubelnd auf das leere Tor zu und netzte ein. Ein Tor ohne technische Raffinessen oder Kabinettstückchen, trotzdem wird man sich noch in vielen Jahren mit einem breiten Grinsen daran erinnern.
Zwei Monate später war der BVB zu Gast bei der drölfzigsten Übergabe der Schale an die Münchener Bayern. Es war das letzte Spiel der Saison und die Borussia reiste mit dem letzten Aufgebot und nur noch minimalen Hoffnungen auf einen UEFA-Cup Platz an die Isar. Das war aber trotzdem kein Grund für einige tausend Fans (größtenteils Mitfahrer einer sehr spaßigen Fahrt mit dem Sonderzug der FA) nicht doch den Weg nach München anzutreten und den Roten Nachhilfeunterricht in Sachen Meisterfeier zu geben. Mit diesem Spiel verabschiedete sich ein Spieler vom BVB, der den Fans durch die Bank ans Herz gewachsen war – Jan Koller. Und „Dino“ ging, wie es sich für einen ganz Großen gehört. Erst das dritte Spiel nach seinem langwierigen Kreuzbandriss und es dauerte genau eine Minute, bis er Oli Kahn mit einem Kopfball überwand. In der Folgezeit drehten die Bayern auf und spätestens nach dem 3:1 befürchtete jeder ein Debakel für die Dortmunder Rumpftruppe. Nach dem Anschlusstreffer von Phillip Degen war es jedoch erneut Jan Koller, der zum letztendlichen 3:3 Endstand den Ball im Tor unterbrachte. Ein Punkt, der eigentlich nichts mehr bedeutete, aber frenetisch gefeiert wurde, da er einfach toll erkämpft war. So wollen wir unsere Borussia öfters sehen.
Aus dem sportlichen Bereich lässt sich für die Hinrunde der Saison 2006/2007 wenigstens ein Highlight finden, der 3:1 Sieg beim aktuellen und damaligen Tabellenführer Werder Bremen. Ausgerechnet bei der wohl spielstärksten Mannschaft der Liga zeigte die Elf der Borussia das, was sie ansonsten schmerzhaft vermissen ließ – guten Fußball. Hatte man im Vorfeld eigentlich nur über die Höhe des Bremer Sieges (an dieser Stelle zollen wir auch mal einem Gegner Respekt – drei Mal auswärts sechs Tore in einer Halbserie zu schießen, ist schon eine fantastische Leistung) spekuliert, entführten die Borussen alle drei Punkte von der Weser. Alexander Frei, Tinga und Marc-Andre Kruska schossen vorne die Tore, während hinten Roman Weidenfeller den Bremer Sturm um WM- Torschützenkönig Miroslav Klose ein ums andere Mal zur Verzweifelung brachte. Endlich einmal konnten die schwatzgelben Fans mit dem wohligen Gefühl der völligen Zufriedenheit ins Bett gehen.
Eine weitere erfreuliche Nachricht verkündete Hans- Joachim Watzke auf der Jahreshauptversammlung im November. Die Sanierung sei abgeschlossen und der BVB wieder auf dem Weg zu einer ganz normalen Fußball-KgaA… ähm… Verein. Es gab sicherlich unterschiedliche Meinungen über den eingeschlagenen Weg und vielleicht kann man erst nach einem längeren Zeitraum das Engagement einiger Sponsoren und Anteilseigner endgültig bewerten, aber man kommt nicht drum herum den Herren Watzke und Treß Respekt für die Art und Weise zu zollen, mit denen sie ihren Weg beschritten haben. Kaum einer hätte gedacht, dass man den hoch verschuldeten BVB in so einer relativ geringen Zeit wieder ins ruhige finanzielle Fahrwasser geleiten und ihm eine Zukunftsperspektive verschaffen kann. Dafür ist den Beiden der Dank der Borussenfans gewiss.
Aufregung in der Sommerpause
Ein Fotograf der Bildzeitung löste mit einem Foto in der Sonntagsausgabe heftige Diskussionen unter den Fans aus. „Zufällig“ knipste er Leonardo Dede wie er in einer völlig alltäglichen Pose, den Fuß auf dem Ball und den Kopf heroisch vorgestreckt, das neue Trikot präsentierte und so kam es, dass schon vor dem offiziellen Pressetermin das Geheimnis um die neuen Trikotfarben gelüftet wurde. Weiß und gelb, so sollte sich die Borussia zukünftig bei Heimspielen präsentieren. Die einen fanden es einfach nur schick und hielten es für das optisch gelungenste Trikot aller Zeiten, die anderen für Verrat an der Tradition und Borussias Vereinsfarben. Die Diskussionen, angeheizt durch Vermutungen bezüglich des neuen Sponsors RAG und mehr als unglückliche Pressemitteilungen seitens des BVB und Nike, kochten hoch, so dass letztendlich ein Kompromiss zwischen dem Verein und der Fanabteilung ausgehandelt wurde. Eine Saison solle der BVB in diesem Trikot spielen und danach werde man für die Zukunft wieder zum bekannten und geliebten Schwarzgelb zurückkehren. Der weitere Saisonverlauf dürfte dafür gesorgt haben, dass das Trikot der Saison 2006/2007 wohl nie den Weg in die Riege der Glückstrikots finden dürfte.
Schattenseiten:
Schon Goethe wusste „Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten“. Der BVB bereicherte diese Weisheit um die Erkenntnis, dass sie im umgekehrten Fall nicht zwingend zutreffen muss und viel Schatten durchaus auch ohne viel Licht existieren kann.
Verlief das erste Halbjahr 2006 zwar sportlich nicht gerade erfolgreich, blieb es jedoch im Verein und Umfeld erstaunlich ruhig. Kleinere Diskussionen wie zum Beispiel die Haltung des Vereins in Sachen Umbenennung des Fußweges „Am Westfalenstadion“ erscheinen fast nebensächlich, wenn man die Entwicklung im zweiten Halbjahr als Vergleich heran zieht. Dabei verlief der Start in die neue Saison durchaus verheißungsvoll: Vertragsverlängerung mit dem beliebten Trainer Bert van Marwijk, viel versprechende Transfers wie Nelson Valdez, Steven Pienaar und Alexander Frei und eine für Dortmunder Verhältnisse ausgezeichnete Vorbereitung mit unter anderem einem Sieg gegen Ajax Amsterdam.
Erste dunkle Wolken zogen nach dem Pokalspiel gegen Thannhausen auf. Zwar erreichte der BVB in der bayrischen Provinz mit Müh’ und Not ein 3:0 und zog in die nächste Runde ein, die anschließende Darstellung des Verhaltens der Dortmunder Fans durch die Presse sorgte aber für einigen Wirbel. Um größere Unfälle zu vermeiden wurden die nur lose zusammengesteckten Stahlrohrsitzreihen von Dortmunder Fans, nach Absprache mit dem Thannhausener Ordnungsdienst, demontiert und weitergereicht. Auf der entfernten Pressetribüne hat das wohl den Eindruck einer mutwilligen Randale erweckt und so berichteten die Vertreter der schreibenden Zunft fast einstimmig von einem schwatzgelben Mob, der völlig außer Rand und Band das beschauliche Thannhausen verwüstete. Nach mehreren Rückfragen mit den Verantwortlichen des gastgebenden Vereins und der örtlichen Polizei konnten Vorkommnisse aber schnell geklärt werden.
Der weitere Saisonverlauf war für die Borussia und ihre Fans mehrheitlich unerfreulich. Spielerische Tristesse auf dem Platz, immer offensichtlicher werdende Differenzen zwischen Trainer und
Geschäftsführung, wachsender Unmut der Fans – auf und neben dem Platz gab der BVB ein immer unerfreulicheres Bild ab. Der nächste große Aufreger hatte allerdings nichts mit Fußball zu tun: Der Bannerklau.
Wahrscheinlich in der Nacht des Bremenspiels stahlen Unbekannte das riesige Gelbe- Wand Banner von der Südtribüne und legten so den Grundstein für ein letztendlich ziemlich peinliches Possenspiel. Aus welchem Lager die Täter kamen, konnte bisher nicht geklärt werden und wird wahrscheinlich auch immer ungeklärt bleiben. Mal waren es die Gelsenkirchener, mal die grauen Mäuse aus Bochum, mal wurde es in einem Teich gesichtet, dann vorm Derby an Autobahnbrücken. Nach anfänglicher Wut fühlte sich mancher Fan dann nur noch peinlich berührt durch öffentliche Interviews der Vereinsoffiziellen, einer der Legende nach gebildeten „SOKO Fahne“ und diversen Zeitungsartikeln. Positiv zu vermerken ist, dass das Banner nicht wie vermutet beim Derby in Händen der Schlümpfe auftauchte und sich somit Befürchtungen von größeren Schlägereien nicht bewahrheiteten.
Bald soll ein neues, von Fans für die Fans finanziertes, Banner über der Südtribüne prangen. 11.000,00 € konnten schon gesammelt werden. Wer noch ein Spendenshirt ordern möchte, wende sich bitte an die Mailadresse gelbe-wand@the-unity.de.
In der folgenden Zeit überschlugen sich die schlechten Nachrichten. Die Heimspiele wurden noch schlechter, was eigentlich niemand mehr für möglich gehalten hatte. Vor dem Spiel gegen Wolfsburg wurde bekannt, dass der Vertrag mit Bert van Marwijk, trotz gegenteiligen Versicherungen auf einer Pressekonferenz einige Wochen zuvor, nicht über das Saisonende hinaus weiter bestehen wird. Das Interview vom ersten Vorsitzenden der Fanabteilung Olaf Suplicki, eine desolate Leistung beim Derby, Fans die gegen Leverkusen ihrem Ärger weit über das erträgliche Maß hinaus Luft machten, indem sie den Gegner bejubelten und den eigenen Nachwuchs verhöhnten, die Entlassung des Trainers und die kurzfristig abgesagte und eigentlich schon als perfekt gemeldete Rückkehr Ottmar Hitzfelds auf den Trainerstuhl. Alles Dinge die für einen mehr als betrüblichen Jahresausklang bei den BVB-Fans und für einige tiefe Risse bei unserer Borussia gesorgt haben.
Letztendlich wurde mit Jürgen Röber ein neuer Trainer, vorerst nur für die Rückrunde, präsentiert, den zwar eigentlich so niemand auf der Rechnung hatte, der aber sicherlich nicht die schlechteste Wahl gewesen sein dürfte. Und das ist das Schöne am Fansein, es gibt immer Dinge an die man neue Hoffnungen knüpfen kann. So bleibt der fromme Wunsch, dass 2007 die schwatzgelben Farben wieder heller strahlen werden als im vergangenen Jahr und die Zuversicht in 365 Tagen einen weitaus erfreulicheren Jahresrückblick präsentieren zu können.
Die schwatzgelb.de-Redaktion wünscht allen Lesern einen guten Rutsch ins Jahr 2007. Genießt die Winterpause und macht euch bereit für die am 26.01. startende Rückrunde. Zum Auftakt geht es zuhause den FC Bayern München und da heißt es für alle, den Grundstein für eine bessere Rückrunde zu legen.