Im Gespräch mit...

Unser Smalltalk mit Christoph Metzelder

11.05.2006, 00:00 Uhr von:  Redaktion
Unser Smalltalk mit Christoph Metzelder

Ein Hauch von WM wehte durch die gemütlichen Räumlichkeiten des "Ruhgebiet" im Dortmunder Kreuzviertel. Christoph Metzelder, Vizeweltmeister 2002 und WM-Hoffnung 2006, stellte sich drei schwatzgelb.de-Leserinnen und den vier schwatzgelb.de-Redakteuren zur Diskussion. Bei belegten Brötchen, Kaffee und Mineralwasser wurden auch ernstere Dinge thematisiert und durchaus kritische Fragen gestellt. Der Dortmunder Defensivspieler nahm sich viel Zeit und gewährte der Diskussionsrunde auch den ein oder anderen Blick hinter die Kulissen von Borussia Dortmund und der Nationalmannschaft.

Gut gelaunt begrüßte Christoph Metzelder die schwatzgelb.de-Leserinnen Lea Dissen aus Bonn, Tanja Kljaic aus Solingen und Sabine Steufe aus Dortmund sowie die vier schwatzgelb.de-Redakteure Arne, Stefan, Felix und Daniel. „Tut mir leid, dass ich jetzt erst hier bin. Aber wir haben etwas länger trainiert“, entschuldigte sich Christoph für seine zehnminütige Verspätung. Womit schon das erste „kritische“ Thema auf dem Tisch war: Der Trainer. „Bert van Marwijk macht ein völlig anderes Training als Matthias Sammer“, meint Christoph. „Das Training ist sehr abwechselungsreich und taktisch bringt er uns ziemlich weiter.“ Der Dortmunder Innenverteidiger verschwieg der schwatzgelb.de-Runde aber nicht, dass er momentan das ein oder andere Problem mit BvM habe. „Ich hätte natürlich lieber gespielt in den letzten Wochen. Der Trainer begründete meinen Nichteinsatz mit mangelnder Fitness.“ Doch anstatt sich in den Schmollwinkel zurückzuziehen oder sich der „Riege der Unzufriedenen“ anzuschließen, nutzte er die Zeit, um noch mehr zu trainieren. „Diese Einstellung hat mir Jürgen Kohler mit auf den Weg gegeben. Er sagte, wer mehr tut, wird am Ende auch besser sein, als andere.“ Bei den jüngeren Spielern vermisst Christoph diese Einstellung: „Es ist schon auffällig, dass an freien Tagen nur Spieler wie Kehl, Wörns, Kringe oder Ricken auf dem Trainingsgelände anzutreffen sind.“

Doch wird Christoph überhaupt in der nächsten Saison noch auf dem Dortmunder Trainingsgelände trainieren, wollte Tanja dann wissen. „Werder Bremen habe ich abgesagt“, sorgte Metze für ein kollektives Aufatmen, um dann aber direkt zu relativieren: „Ich möchte erstmal die WM spielen, dann werden wir sehen, wie es weitergeht.“ schwatzgelb.de-Redakteur Felix bohrte nach: „Hat Jens Lehmann vielleicht erzählt, wie toll es in London ist?“ Das habe er tatsächlich erzählt, antwortete Christoph. Stellte aber direkt klar, dass er zu Borussia Dortmund eine sehr innige Beziehung hat. „Was ist für Dich Borussia“, fragte Tanja. „Es gibt drei Vereine, die mir wichtig sind. Das ist mein Heimatverein (TuS Haltern, d. Red.), Preußen Münster und Borussia Dortmund“, sagte Christoph. „Der BVB ist für mich eine Herzensangelegenheit.“

Früher sei er auch Fan gewesen, doch das verschwand immer mehr. „Als ich bei Preußen Münster gespielt habe, war das Fansein weg.“ Irgendwann sei der Fußball halt ein Beruf. Ein Beruf, den er wegen seiner langwierigen Verletzung zu schätzen gelernt habe. „Mir ist schon klar, dass wir einen tollen Beruf haben. Dafür bin ich auch dankbar.“ Angst habe er aber gehabt, dass er diesen Beruf nicht mehr ausüben könnte. „Die 21 Monate Verletzungszeit waren schon sehr schwierig. Ab und zu hatte ich Zweifel, ob ich es zurückschaffe“, gewährte Christoph der Runde einen Blick in seine Seele.

Als er in Gladbach vor wenigen Wochen in der Anfangsphase gefoult wurde, kamen Erinnerungen hoch: „Es hat sich angefühlt, wie damals. Ich dachte, es sei eine schlimmere Verletzung.“ Trotzdem spielte er die Halbzeit durch. „Ich wollte die Mannschaft nicht im Stich lassen.“ Als er von der Runde den Vorwurf erhielt, dass dies doch falscher Ehrgeiz sei, nickte Metze etwas verstohlen und sagte: „Da habt ihr recht. Aber man will der Mannschaft eigentlich immer helfen.“

Entwarnung gab Christoph übrigens in bezug auf Sebastian Kehls Verletzung: „Kehli hat Glück gehabt, es ist nichts gerissen und deswegen wird er wohl die WM-Vorbereitung voll mitmachen können.“ „Seid ihr tatsächlich so gut befreundet“, wollte Lea wissen. „Ja, seit der U21 kennen wir uns.

Wir sind enge Freunde. Und die Frotzeleien über unsere Internetseiten machen wir nicht, weil es gut bei allen ankommt, sondern weil es uns selbst Spaß macht.“ Es ist wohl auch ein wenig Metzes Verdienst, dass Sebastian heute für den BVB spielt. „Wir haben damals sehr oft über seinen Wechsel aus Freiburg gesprochen. Da habe ich ihm erzählt, wie viel Spaß es macht, in Dortmund zu spielen.“ Damals hatten die Bayern das Nachsehen. Ob sie es auch am Samstag haben, darauf hofft Metze natürlich. Er sieht es aber nicht als Vorteil, dass Bayern schon Meister ist: „Die wollen sich die Feier nicht von uns versauen lassen.“ Er sagt aber deutlich: „Wir fahren da hin, um zu gewinnen und um unsere Minimalchance auf Platz 6 zu wahren.“

Die 0:5-Klatsche in der letzten Saison habe die Mannschaft schnell abgehakt. „Das sind so Spiele, da klappt nichts. Das passiert aber nicht jede Woche“, meinte der BVB-Profi. „In der Halbzeit, als es in München 0:3 stand, war es auch ganz ruhig bei uns in der Kabine. Wir wussten, jetzt geht es um Schadensbegrenzung. Im Bus lacht man dann irgendwann auch drüber, so bitter das Ergebnis auch ist.“ In Hannover vor einer Woche sei es allerdings sehr laut gewesen. Und Metze gibt zu, dass die Mannschaft in der AOL-Arena mit breiterer Brust als normal auf den Platz geht. „Das stimmt tatsächlich. Dort fährt man hin und denkt, dass wir das Spiel auf jeden Fall gewinnen.“ Da sei ein pychologischer Automatismus, der sich über Jahre und über die tollen Ergebnisse, die der BVB dort regelmäßig ablieferte, entwickelt hat. Tanja aus Solingen sagte daraufhin: „In der Allianz-Arena habt ihr auch noch nie verloren.“ Metze schmunzelte.

Mangelnde Erfahrung sei es gewesen, dass die Mannschaft diese Saison oft Punkte verschenkte: „Wenn wir diese Saison am Drücker waren, konnten wir das nie wirklich in eine Führung ummünzen.“ Gegen Frankfurt zum Beispiel habe die Mannschaft schon nach einigen Minuten gemerkt, dass drei Punkt drin seien. „Doch dann kriegst Du so ein blödes Gegentor, von einem Spieler, der ja normalerweise noch torungefährlicher als ich ist“, schmunzelte Metze. Sein erstes Tor in Mainz sei für ihn etwas besonderes gewesen. „Bis dahin war ich ja einer der wenigen Spieler, die noch nie ein Tor geschossen haben.“ Er bestätigte die Legende: „Unser Busfahrer Udo Rottke sagte mir tatsächlich vor dem Spiel in Mainz, dass ich heute mein erstes Tor erziele.

Christoph Metzelder bewundert uns Dortmunder Fans dafür, wie wir mit der schwierigen finanziellen Situation umgegangen sind: „Ein großer Kraftakt war nötig. Die Mannschaft ist mitgezogen“, sagt der 25-jährige Abwehrspieler. „Ein neues Konzept war nötig. Wie die Fans das alles angenommen haben, das ist schon beeindruckend.“ In Dortmund sei es wichtig, dass die Spieler sich mit dem Verein identifizieren.“ Die aktuelle Mannschaft tue dies und sie sei dankbar dafür, dass das Publikum sehr geduldig sei. Denn: „Es gibt nichts schlimmeres, als von den eigenen Fans ausgepfiffen zu werden.“ „Bekommt ihr die Atmosphäre im Stadion eigentlich mit“, wollte schwatzgelb.de-Leserin Sabine wissen. „Auf dem Platz bekommt man eine Grundatmosphäre mit“, antwortete Christoph. Doch als Spieler sei man völlig auf das Spiel konzentriert. Die Atmosphäre im Westfalenstadion (Ja, Metze sagte tatsächlich Westfalenstadion) sei aber schon einzigartig.

Sportzeitungen liest Metze übrigens gar nicht mehr: „Das hab ich mir abgewöhnt. Ich nehme Kritik auch nur von Leuten ernst, die mal auf dem selben hohen Niveau gespielt haben.“ Auch den DSF-Talk Doppelpass vermeidet er: „Da wird doch nur Quatsch geredet und am Taktiktisch Viererketten in Dreierketten umgewandelt.“ Franz Beckenbauers Meinung habe zwar grundsätzlich Gewicht, aber: „Ich hoffe nicht, dass ich irgendwann mal so werde, dass ich meine eigene Karriere so glorifiziere.“

Metzes großes Ziel ist es, Weltmeister zu werden: „Die WM im eigenen Land hat einen riesigen Stellenwert.“ Schon vor vier Jahren wähnte er sich kurzzeitig auf dem Gipfel. „Wir hatten ein gutes Gefühl, dass wir die Brasilianer schlagen konnten.“ Dabei verrät er: „Sebastian Kehl und ich haben vor dem Finale gescherzt, dass wir mit Fußball aufhören, wenn wir gewinnen.“ Nun versuchen beide, einen zweiten Anlauf, den goldenen Pokal in den Händen zu halten: „Wir sind von Jürgen Klinsmann optimal vorbereitet.“ Die neuen Trainingsmethoden seien gut, meint Christoph: „Innovationen haben sich immer durchgesetzt.“ In anderen Sportarten würde ganz klar moderner trainiert: „Deswegen hat mich die Kritik an Bernhard Peters so genervt.“ Deutschland sei zu arrogant, um Innovationen zuzulassen: „Wir hatten zu viele Erfolge in den letzten Jahren.“

Metze würde sich freuen, wenn Jens Nowotny mit zur WM fahren würde: „Einen erfahrenen Spieler können wir gut gebrauchen.“ Eigentlich hätte dieser Spieler Christian Wörns seien sollen, dann wären die Besten mit zur WM gefahren.“ Aber Christoph würde sich auch freuen, wenn der Mainzer Manuel Friedrich nominiert würde. Metze bestätigte, dass Friedrich außerhalb des Platzes tatsächlich keine Ahnung von Fußball hat und keinen einzigen Bundesligaspieler mit Namen kennt. „Das kann schon mal vorkommen, er spielt halt super gerne Fußball, er guckt sich aber ungern Spiele an.“ Auch ein ehemaliger Mitspieler von Christoph Metzelder habe mal Probleme gehabt, einen Spieler zuzuordnen: „Als wir mal in Kaiserslautern gespielt haben und Thomas Hengen mit der Kapitänsbinde aus der Lauternkabine kam, fragte Jens Lehmann mich: Spielt der nicht in Wolfsburg?“

Metze bestätigte auch, dass man mit dem Dortmunder Trainergespann sehr gut ein Bierchen trinken kann: „Die sind sehr gesellig, vor allem Cookie.“ Auch Christoph Metzelder zeigte sich sehr gesellig in der Diskussionsrunde. Nach zwei Stunden ausführlichem Gequatsche bekam Metze ein T-Shirt aus dem sg-Shop und ein Fotoalbum geschenkt. Bereitwillig unterzeichnete er noch Trikots und Sitzschalen und bedankte sich bei allen Teilnehmern der Runde.

Vielen Dank an Andreas Kretschmer und Thomas Freyer vom „Ruhgebiet“, die uns mit ihrem Team alle kulinarischen Wünsche erfüllten und für eine angenehme Atmosphäre sorgten.

Wir bedanken uns vor allem bei den schwatzgelb.de-Leserinnen für ihre kritischen Fragen und überlassen ihnen das letzte Wort:

Tanja Kljaic aus Solingen: "Nachdem ich Christoph Metzelder zwei Stunden im Smalltalk erlebt habe, frage ich mich, ob er überhaupt richtig ausflippen kann. Er ist immer ruhig und gefasst."

Lea Dissen (16) aus Bonn: "Christoph Metzelder kam sehr sympathisch rüber, genau so, wie ich es aus Interviews im Fernsehen gewohnt bin" Sabine Steufe: "So habe ich mir Christoph Metzelder im Smalltalk vorgestellt. Freundlich, nett. Was er gesagt hat, kam von Herzen. Ein guter Typ." Die Chancen auf ein Verbleiben Metzelders beim BVB schätzen alle nach dem Gespräch nicht besonders hoch ein. Aber alle hoffen natürlich....

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