Eua Senf

Guten Morgen, Stanley?

08.06.2006, 00:00 Uhr von:  Gastautor

Nein, mit Reinhard "Stan" Libuda oder dem Spitzenamengeber Stanley Matthews hat das, worum es in diesem Text gehen soll, nur noch wenig zu tun. Beide hätten wohl ihre Probleme gehabt, einen Zusammenhang zwischen Fußball und einem Bankberater herzustellen. Es geht um Geld, um Kreditverträge, Leasingverträge, Sachkapitalerhöhungen und syndizierte Finanzierungsformen und einen gigantischen Schuldenberg. Und doch - oder gerade deswegen - dreht es sich um Borussia Dortmund, einen Verein, welcher vor fast hundert Jahren mal von Sportkameraden gegründet wurde, um ein Spiel zu organisieren, und vor ca. zwei Jahren sich in eine seine Existenz bedrohende Lage manövriert hatte.

Einem jeden, der sich auch nur halbwegs mit Borussia Dortmund beschäftigt, sind die Zahlen, Fakten und Probleme bekannt, welche mit diesem Verein und Konzern in Verbindung zu bringen sind. Zu Erinnerung sei es aber noch mal kurz erläutert: Die Ad-hoc-Mitteilung vom 17. Februar 2005 brachte den gesamten Komplex in wenigen Sätzen auf den Punkt: „Für die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA (…) ist eine existenzbedrohende Ertrags- und Finanzsituation eingetreten (…).“ Einige der nüchternen Zahlen, die auf der damaligen Pressekonferenz bekannt gegeben wurden lauteten: Die Gesellschaft macht im Geschäftsjahr 2004 einen Verlust von 68,8 Millionen Euro; Verpflichtungen in Höhe von 29,7 Millionen Euro sind nicht mehr aus eigenen Mitteln zu bedienen; der Schuldenberg steigt im Planungszeitraum bis zum 30. Juni 2006 auf zirka 135 Millionen Euro an. Das war der Offenbarungseid, der Schlusspunkt und beinahe schon der Sargnagel für den zu diesem Zeitpunkt 96 Jahre alten Verein.

Die darauf folgenden Ereignisse, Rettungsbemühungen und Sanierungsmaßnahmen, welche am 14. März 2005 in einer Düsseldorfer Flughafenhalle ihren damals vorerst zu erkennenden Höhepunkt fanden, sind hinlänglich bekannt und bereits mehrfach diskutiert und analysiert worden. Sie sollen deshalb an dieser Stelle nicht erneut aufgerollt werden, dürfen aber auch in einer Bewertung der aktuellen „Neuausrichtungs-Strategien“ der BVB-Führung nicht vergessen werden.

Hans-Joachim Watzke brachte es in dem Interview, welches er den Autoren des Buches „Die Akte Schwarzgelb“ gab, auf den Punkt: „Der Umstand, dass wir das im Moment nicht können (Anm. des Autors: investieren), hat ja nichts mit fehlenden Einnahmen zu tun, sondern ausschließlich mit einer erdrückenden Schuldenlast. Und zwar keine langfristig und sauber finanzierten Verbindlichkeiten, sondern kurzfristig fällige. Das allein hindert uns zurzeit, in größeren Kategorien zu denken. Also müssen wir unsere Anstrengungen darauf konzentrieren, diese Verbindlichkeiten langfristiger finanziert zu bekommen. Gelingt das, könnten wir in zwei, drei Jahren wieder um das Erreichen der Champions League mitspielen.“

Neben der großen Anzahl an Gläubigern (inklusive der Sicherheiten, wie beispielsweise verpfändete Transferwerte an Spielern wie T.Rosicky) und den zum Teil sehr kurzen Laufzeiten der Verbindlichkeiten war und ist das ehemals von Gerd Niebaum als „großer Streich“ gefeierte Stadion-Finanzierungsmodell einer Commerzbanktochter der größte Hemmschuh, wenn es um die Schaffung von Freiräumen für Investitionsvorhaben geht. Der CFB-Fond Nr. 144, firmierend unter dem in der Öffentlichkeit bekannten Namen „Molsiris“, würde ab 30.06.2006 erneut dem BVB-Konzern enorme Mittelabflüsse abverlangen. In den seinerzeit mit den Anteilseignern der restlichen 51,2 % am Stadion ausgehandelten Sanierungs- und Stundungsverträgen wurde vereinbart, dass ab diesem Zeitpunkt monatlich erneut 976.000 Euro zu zahlen seien (im Jahr somit etwa 12 Millionen Euro). Hinzu kamen noch die gestundeten Beträge zuzüglich Zinsen. Weiterhin hätte der BVB ab dem Geschäftsjahr 2009 erneut pro Jahr 1,5 Millionen Euro in ein Bardepot einzahlen müssen, bis zu einem Endbetrag von etwa 9,0 Millionen Euro. Gewaltige Beträge für einen Sanierungsfall, der dennoch, offenbar unabdingbar (so die Lesart der BVB-Geschäftsführung), Investitionsspielraum braucht, um überhaupt sanierungsfähig zu bleiben. Anders, so stellte sich auch in weiten Teilen der Fansszene die Meinungsbildung dar, würde der BVB-Kosmos mehr und mehr schrumpfen, beispielsweise im Bereich der Zuschauerzahlen, Dauerkartenverkäufe, Merchandising etc., an Attraktion und Anziehungskraft verlieren und schlussendlich wohl eben wie ein schrumpfender Stern implodieren (kurz angemerkt sei, dass sterbende Sterne auch dazu neigen, vor ihrem Tod zu expandieren um dann in sich einzufallen und zu implodieren)

Die daraus folgende Strategie heißt nun wohl, dass man in kürzester Zeit möglichst viel kurz- und mittelfristig freies Geld generieren will. Sowohl Investitionsspielraum für Transferaktivitäten als auch eine Erhaltung beziehungsweise Sicherung der Liquidität stehen im Vordergrund. Man suchte die Option, bei der die Verpflichtungen und Verbindlichkeiten sich so darstellen würden, dass man das Minimum an Forderungen innerhalb einer maximal erreichbaren Laufzeit erwarten kann. Und dabei kam die Investmentbank Morgan Stanley Zug um Zug in das „Spiel“ der Sanierungsbemühungen.

Zunächst ging es darum, die Gläubigerseite zu „bereinigen“. Hier sei das Beispiel des Unternehmer Albert Sahle angeführt, dem als Sicherheit für seine Forderungen gegenüber dem BVB (zirka 12 Millionen Euro nach Abzug der „Ewerthon“-Raten) die Transferrechte an den Spielern T.Rosicky, Ewerthon und C.Metzelder abgetreten wurden. Insbesondere im Falle T.Rosicky war es ein Problem, dass man diesen Spieler zwar verkaufen wollte, der Spieler auch gerne wechseln mochte, aber der daraus erzielte Transferertrag somit direkt in die Schuldentilgung gegenüber Herrn Sahle hätte fließen müssen. Damit wären angedachte Verstärkungen, namens beispielsweise Alexander Frei oder Nelson Valdez, kaum realisierbar gewesen. Aus diesem Grund begann man, offenbar durch die Person Patrick Albert Lynch, welcher seit der Hauptversammlung am 22.November 2005 auch im Aufsichtsrat der Borussia Dortmund GmbH & co. KGaA einen Sitz hat, begleitet und im Namen von Morgan Stanley damit, die Verbindlichkeiten neu zu ordnen. Die Investmentbank kaufte im Verlauf der vergangenen Monate große Teile der Forderungen von BVB-Gläubigern auf und trat somit an deren Stelle in die Gläubigerstellung ein. So sollen inzwischen Forderungen der Hochtief AG, der Sparkasse Köln-Bonn, als auch eben Albert Sahles in zweistelliger Millionenhöhe an Morgan Stanley veräußert worden sein. Angefügt sei, dass davon ausgegangen wird, dass Morgan Stanley dabei einen geringeren Betrag an diese Gläubiger gezahlt hat, als die Forderungen eigentlich darstellen, und somit schon auf diesem Weg Geld verdient hat. Für den BVB bedeutete dies, dass man neben den Effekten eines harten Kosteneinsparungsprogramm, etwa bei den Spielergehältern, und einer Erhöhung, beispielsweise im Bereich der TV-Einnahmen, weiteren mittelfristigen Planungsspielraum bekommt.

Doch waren diese Umschuldungsvorgänge nur der Prolog für die kommenden Planungen, mit welchen die Geschäftsführung den BVB sanieren und wieder neu positionieren will. Es war das Vorbereiten eines „Jahrhundertvertrages“ (H.-J. Watzke), welcher den BVB nachhaltig verändern wird. Denn der Knackpunkt des gesamten Konzepts liegt weiterhin in der Stadionproblematik, also der horrenden Mietlast, welche der BVB zukünftig wieder zu erbringen hätte und die alle bisherigen Sanierungsmaßnahmen im Prinzip wieder zunichte machen würde. Somit wird eine umfassende und für einen Sportverein (bzw. ein Fußballunternehmen) gewaltige Transaktion angestrebt, die den oben beschriebenen und bereits erfolgten Schritten folgen soll.

Der BVB gibt etwa 14,5 Millionen junge Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung heraus. Durch diesen Schritt werden ungefähr 30 Millionen Euro erlöst. Dieses Geld soll ausschließlich in die Rückführung von Verbindlichkeiten geleitet werden. Also in die Taschen von Morgan Stanley, welche inzwischen zum größten Gläubiger des BVBs geworden sind. Dies auch, weil Morgan Stanley dem BVB zirka 57 Millionen Euro zur Verfügung stellen wird, um den Anteilseignern am Molsiris-Stadionfonds ein Kaufangebot unterbreiten zu können. Die Summe von 57 Millionen Euro wird durch eine syndizierte Finanzierung aufgebracht, was bedeutet, dass mehrere Geldhäuser die Summe bereitstellen, jedoch ausschließlich Morgan Stanley als Kreditgeber gegenüber dem BVB auftreten wird. Die Anteilseigener des Molsiris-Stadionfonds halten zurzeit noch 51,2 % am Westfalenstadion (die restlichen Anteile liegen bereits beim BVB) und sollen mit der oben genannten Summe aus ihrem Vertrag herausgekauft werden. So will man gewährleisten, dass die zu zahlenden Mieten von 15-17 Milionen Euro im Jahr gesenkt werden können, beziehungsweise dann komplett wegfallen. Dies ist auch wesentlichster Bestandteil des gesamten so genannten „Jahrhundertvertrages“. Nur dank der Zustimmung der etwa 6000 Anteilseigner zum Rückkauf des Stadions durch den BVB, kann der gesamte Plan umgesetzt werden. Diese Anteilseigner hatten somit offenbar erneut mehr oder weniger das Schicksal des BVBs in ihrer Hand. Und erneut wurde vorab eine Drohkulisse aufgebaut, mit deren Hilfe die Anteilseigner für eine Zustimmung bewegt werden sollten. Alternative Angebote oder Lösungswege wurden nicht offeriert, sondern es wurde damit gedroht, dass nur über den Verkauf der Anteile ein Rückfluss der eingesetzten Mittel gesichert sei. Somit durfte von einer Zustimmung ausgegangen werden und am 29.05.2006 kam es dann auch letztlich zu der erwarteten Zustimmung der Anteilseigner.

Die oben erwähnte Kapitalerhöhung mit einem Volumen von zirka 30 Millionen Euro wird dabei ausschließlich bei Finanzinvestoren platziert. Um wen es sich bei den Käufern der jungen Aktien handeln wird, darüber kann spekuliert werden. Die Namen Homm und Knauf sind dabei nahe liegend. Am wahrscheinlichsten erscheint es aber, dass Morgan Stanley höchstselbst im größeren Maße diese Aktien erwerben und somit zu einem wesentlichen Aktionär der GmbH & Co KGaA werden wird.

Dieser erste Schritt im Rahmen der Neuausrichtung zeitigt somit offenbar folgendes Resultat:

Der Schuldenstand des BVBs steigt auf dann etwa 150 Millionen Euro, kann jedoch durch die Kapitalerhöhung wieder auf zirka 120 Millionen Euro gesenkt werden. Die riesigen Mietzahlungen an Molsiris fallen weg, dafür muss fortan ein höherer Schuldenstand durch Zinszahlungen und Tilgungsleistungen bedient werden. Weiterhin müssen nicht näher bekannte Verbindlichkeiten, welche noch auf dem Stadion liegen (und seinerzeit ebenfalls an Molsiris verkauft wurden) wieder hinzugerechnet werden. Wie hoch diese Lasten sind, ist nicht genau bekannt, es dürfte sich jedoch um einen höheren zweistelligen Millionenbetrag handeln (ca. 20-25 Millionen Euro). Die Stadionanteile gehen dabei nicht direkt in die Bilanzen der Muttergesellschaft, sondern sollen bei Borussias Tochtergesellschaft goool.de bilanziert werden. Morgan Stanley, ohnehin schon zum größten Gläubiger des BVBs emporgestiegen, erhöht seine Forderungsseite nochmals um 57 Millionen Euro, und wird, soweit sie die jungen Aktien kaufen, so schon zu einem der größten Einzelaktionäre des BVBs. Einen Sitz im Aufsichtsrat, wie bereits im Text erwähnt, haben sie bereits inne.

Als nächsten Schritt plant der BVB mit seinen Partnern dann, eine erneute Kapitalerhöhung durchzuführen - bei erfolgreicher Entschließung bereits im August 2006 . Diesmal eine Sachkapitalerhöhung. Was in der dazugehörigen Ad-hoc-Mitteilung etwas hölzern mit „(…) Soweit eine Sach-Kapitalerhöhung zur Diskussion steht, ist angedacht, dass nicht mit der Kreditfazilität zurückgeführte Forderungen gegen die Gesellschaft teilweise oder ganz (der Umfang ist heute noch nicht klar) in Eigenkapital umgewandelt werden sollen (...)“ ausgedrückt wird, bedeutet nichts anderes, als dass bestehende Verbindlichkeiten in Eigenkapital umgewandelt werden sollen. Es ist dabei davon auszugehen, dass jene Verbindlichkeiten, die gegenüber Morgan Stanley aus dem Stadionrückkauf entstanden sind, durch diese Sachkapitalerhöhung in Aktien „getauscht“ und somit in Risikokapital verwandelt werden. Dies käme auch dem Aufgabenbereich des Herrn Lynch am nächsten, welcher beim BVB als Aufsichtsrat fungiert. Dieser ist bei Morgan Stanley als „Head of European High Yield Trading“ tätig und in dieser Eigenschaft ein Spezialist für Risikogeschäfte, insbesondere bei der Restrukturierung von Unternehmen. Durch diese Verwandlung von Verbindlichkeiten hin zu Eigenkapital beziehungsweise Risikokapital wird der BVB seine „Schulden“ wohl deutlich senken können. So ist davon auszugehen, dass am Ende der Transaktion ein Gesamtschuldenstand von erneut etwa 90-100 Millionen Euro zu Buche stehen wird. Diesmal allerdings langfristiger finanziert und auf einen einzigen Gläubiger zentriert, was zum einen den Vorteil hat, dass man nur noch einen Ansprechpartner hat, zum anderen wohl definitiv eine geringere Last bei der Bedienung der Schulden generiert, so dass somit ein erhöhter Finanzspielraum ermöglicht wird. Das Risiko dabei ist, dass man, selbst wenn alles wie beschrieben planmäßig ablaufen wird, langfristig auf das Wohlwollen der Investmentbank Morgan Stanley angewiesen sein wird. Und Morgan Stanley hat dabei durchaus einen zwiespältigen Ruf und war in der Vergangenheit an vielen umstrittenen Unternehmens-Transaktionen beteiligt. Die Bank wäre fortan in Personalunion sowohl der größte und wohl beinahe einzige Gläubiger des BVBs, als auch größter Aktionär der Kommanditgesellschaft, inklusive Position in den Gremien des BVB-Konstrukts. Eine enorme Machtfülle, welche weiträumig Platz für Spekulationen lässt. Für positive Erwartungen genauso, wie für negative Befürchtungen.

Positiv zu nennen ist, dass überhaupt solch eine große Investmentbank dazu bereit ist, sich dermaßen bei unserem BVB zu engagieren. Dies zeigt, dass es offenbar in der Finanzbranche durchaus wieder Vertrauen gibt, wenn man mit dem BVB und seinen Vertretern spricht. Zudem bringt eine solch große Investmentbank enormes Know-how ein und verfolgt wohl erstmal nur ein Ziel mit seinem Engagement: Der BVB muss rentabel arbeiten und soll Gewinne machen. Wir haben schon andere Ziele erlebt. Weiterhin bekommt man durch diese „Partnerschaft“ eine mittelfristige Planungssicherheit und kann darauf setzen, dass Morgan Stanley in einer überschaubaren Zeit den BVB nicht übers Messer springen lassen wird. Man ist nicht mehr abhängig von dutzenden verschiedenen Gläubigern und ihrer Interessen, sondern hat nur noch einen einzigen Ansprechpartner. Zudem bekommt der BVB durch diese sehr komplexe Umschuldungsaktion halbwegs große Investitionsmöglichkeiten, weil die Verbindlichkeiten langfristiger und letztlich auch günstiger finanziert werden. Allein durch eine wahrscheinliche Ablösung des Stadionfonds werden etwa 3-4 Millionen Euro frei Mittel generiert. Nur so ist es dem BVB möglich, über Transfers à la Valdez oder Frei nachzudenken. Das, was man macht, folgt einem einzigen Ziel. Möglichst viel und möglichst kurz- oder mittelfristig freies Geld rausholen. Also die Verpflichtungen und Verbindlichkeiten so darstellen, dass man das Minimum an Forderungen zu erwarten hat!

Dieser Ansatz folgt der Grundannahme: Man muss investieren, weil man ins internationale Geschäft muss, weil sonst das BVB-Gebilde einbricht. Die BVB-Führung geht offenbar davon aus, dass die Zuschauerzahlen sinken werden (und in der Folge alle wesentlichen Einnahmefelder wie Sponsoring, Merchandising, Vermarktung etc.), sollte man in kürzester Zeit nicht wieder wenigstens im UEFA-Cup-Bereich agieren. Woher man aber weiß, dass diese Zahlen nicht so oder so sinken werden, ist bisher unbekannt. Was ist, wenn trotz Frei und/oder Valdez etc. nur 30.000 Dauerkarten verkauft werden? Wenn dennoch nur 65.000 Zuschauer im Schnitt kommen werden? Aber, der Ansatz ist jedenfalls ein möglicher, und es dürfte jedem klar sein, dass es eine Gradwanderung ist, den BVB zu sanieren und gleichzeitig ein „Produkt“ zu erhalten, welches man eben für jene Sanierung benötigt. Somit ist es den Führungspersonen Watzke, Rauball und Tress gelungen, den Schuldenstand des BVBs bilanziell „stabil“ zu halten. Gleichzeitig ist man de facto wieder alleiniger Eigentümer des Stadions und hat trotz dieser gewaltigen Rückkauftransaktion größeren finanziellen Spielraum geschaffen, um angedachte Investitionsvorhaben in den Spielerkader zu realisieren und so vermeintlich sportlichen Erfolg zu erreichen, beispielsweise in Form der Qualifikation für den internationalen Wettbewerb. Alles in allem also aus kaufmännischer Sicht eine gelungene Umschuldung aus einer halbwegs bedrängten finanziellen Situation heraus. Die Befürworter dieser gesamten Transaktion sehen es als „Befreiungsschlag“ und alternativlose Vorgehensweise. Eine durchaus vertretbare Position und auch in vielen Teilen nachvollziehbare Ansicht, verbunden mit der Hoffnung, dass so binnen weniger Jahre bereits ein entscheidender Turnaround erreicht sei und nun eine neue Zeitrechnung beginnen könnte, so dass das Kapitel Dr.Niebaum und M.Meier endgültig überwunden sei. Es liegen große Chancen in diesem Gesamtdeal, solange die neuen Partner eine langfristige Strategie verfolgen und solange der BVB trotz neuer Spielräume einen gesunden Kurs beibehält und sich nicht zu sehr dem Diktat einer Investmentbank aussetzt, um kurz- bis mittelfristig Erfolge zu erreichen.

Dennoch gibt es auch negative Befürchtungen und „Kröten“, welche zu schlucken waren und noch zu schlucken sind. Zunächst einmal muss man bei allem eines festhalten: Das Geld, welches in vielen Jahren und bis hin zu einem beinahe de facto Schuldenstand von etwa 200 Millionen Euro, beim BVB "vernichtet" wurde, das schuldet der BVB noch immer. Wir haben keinen Lottogewinn gemacht oder plötzlich einen Gewinn von 100 Millionen Euro im Geschäftsjahr - eher das Gegenteil - sondern verschieben die Schuld nur hin und her und/oder behandeln sie bilanztechnisch anders. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und auch Morgan Stanley wird alles daran setzen am Ende der Geschichte sein eingesetztes Kapital wieder zu bekommen und zwar zuzüglich einer guten Verzinsung. Und die Macher dort scheinen zu glauben, dass dies eher gelingen wird, wenn man direkter Einfluss nehmen kann, wenn man auf der Eigenkapitalseite vertreten ist und wenn man in den Gremien seinen Platz hat. Da Morgan Stanley im größeren Maße Verbindlichkeiten in Eigenkapital umwandeln lassen wird, also im Besitz von einigen Millionen Stück Aktien ist, müssen und werden sie entweder auf steigende Aktienkurse setzen müssen oder auf „erhebliche“ Gewinnausschüttungen (Dividenden). Beides wurde in dem Zeitraum der Börsennotierung bisher mit einer BVB-Aktie nicht erreicht. Auch als der BVB große sportliche Erfolge erreichte (Deutscher Meister, Europapokalfinale) reagierte die Aktie nur marginal und Dividenden waren bisher niemals auch nur ein Thema. Bleibt also in diesem Punkt schon mal die offene Frage, wie Morgan Stanley es sich vorstellt, dieses Eigenkapital anständig zu verzinsen und eine gute Eigenkapitalrendite zu erzielen. Was muss dafür getan werden? Oder aber Morgan Stanley geht es einzig um die Einflussnahme, die sehr wohl auch bei einer Beteiligung an einer KGaA möglich ist - das Beispiel F.Homm sollte in BVB-Fankreisen bekannt sein - und die erhoffte Rendite wurde bereits über das günstige Aufkaufen der Forderungen gegenüber dem BVB realisiert. Man will die Aktien als Ergänzung zu einem ohnehin schon wenigstens chancenreichen (jedoch auch risikoreichen) und lukrativem Geschäft. Fakt ist, dass Morgan Stanley sich im erheblichen Maße beim BVB engagiert, obwohl dieser im Prinzip noch immer ein Sanierungsfall ist und alles andere als absehbar ist, ob diese Sanierung gelingt. Welchen Plan verfolgt also diese Investmentbank, um den BVB im eigenen Interesse zu sanieren und somit das eigene Geschäft mit einem Gewinn abzuschließen? Denkbar ist hier vieles und die vor wenigen Tagen bekannt gewordene Trikotgestaltung lässt zumindest viele aufschrecken. Ist dies ein weiteres Beispiel dafür, wo man aus dem BVB-Konzern noch mehr Geld herauspressen kann, um ihn rentabeler und renditeträchtiger zu machen? Sind dies bereits erste Maximierungsprogramme, um im Laufe der „Partnerschaft“ aus dem BVB ein rentables Wirtschaftsunternehmen zu machen? Was könnte da noch auf der Agenda stehen? Denkbar sind die Bereiche Ticketing, Sponsoring, TV-Vermarktung und noch viele weitere Bereiche, in denen eine Maximierung stattfinden könnte. Es werden in den nächsten Monaten wohl Heerscharen von Unternehmensberatern zum BVB kommen und jeden Stein nochmals umdrehen, wenn sie es nicht schon getan haben. Dass Morgan Stanley aufgrund seiner jetzigen Position sehr großen Einfluss nehmen kann, der BVB im Prinzip erpressbar ist, muss dabei berücksichtigt werden. Es sei darauf hingewiesen, dass dies nicht so sein muss, der Verdacht jedoch nahe liegt. Der BVB wird große Zugeständnisse gemacht haben müssen, damit diese Investmentbank solch einem Finanzierungsplan zustimmte und ihn durchzuführen bereit war. Welche genauen Zugeständnisse das sind oder waren, wird kaum bekannt werden. Man wird es Stück für Stück erfahren und sehen. Selbstverständlich muss auch Morgan Stanley ein Interesse daran haben, dass der BVB „überlebt“. Eine Zerschlagung, wie sonst in der Investmentbankbranche durchaus üblich, erscheint schwierig bis unmöglich. Einzig das Besitztum Stadion ließe hier wohl ein wenig Spielraum für Befürchtungen oder Spekulationen, es soll an dieser Stelle aber darauf verzichtet werden. Was bleibt ist die Tatsache, dass Morgan Stanley alles daran setzen wird, sein eingesetztes Geld inklusive einer guten Verzinsung innerhalb von etwa 17 Jahren (wohl die Laufzeit der Kredite) zurückzuerhalten. Über die Wege dies zu erreichen kann man geteilter Meinung sei und es gibt da derzeit keine endgültige Wahrheit. Da passt wohl die alte Goethe - Weisheit sehr gut: „Leider sind es öfter die Meinungen über Dinge als die Dinge selbst, wodurch die Menschen (in diesem Fall Fans) getrennt werden.“

Die einseitige Abhängigkeit, in welche man sich jetzt ganz bewusst gegeben hat, ist jedoch eine riskante. Sie bietet zwar wohl auch, wie bereits in diesem Text beschrieben, die größten Spielräume und Möglichkeiten, jedoch liefert man sich dafür einem einzigen „Partner“ aus und bietet diesem eine Bandbreite an Instrumenten und Einflussmöglichkeiten an, so dass man schon von einer „stillen“ Übernahme des BVBs durch eine Investmentbank sprechen kann. Und einseitige Abhängigkeiten sind niemals gut, entstehen meist nur aus einer Notsituation heraus und basieren häufig auf falschen Annahmen. Es gibt nur wenige Wirtschaftsunternehmen, die freiwillig solche Abhängigkeiten wählen, weil sie den eigenen Handlungsspielraum ersticken und man fremd gesteuert wird. „Not for Sale“ war ein Slogan, mit dem man sehr viel zum Ausdruck bringen wollte, aber wohl auch, dass der Verein Borussia Dortmund nicht zu verkaufen sei, erst Recht nicht für die süßen Trauben eines erzwungenen sportlichen Erfolges. Die jetzige Strategie fußt jedoch auf solchem. Zumindest wurde solches durch unseren Geschäftsführer H.-J. Watzke formuliert. Aus einem „wir wollen wieder international spielen“ wurde in den letzten Monaten ein „wir müssen international spielen“ und dafür muss man die notwendigen „Weichen“ stellen, sprich investieren! Und dafür musste man eine Lösung finden, die dieses Wechselspiel zulassen würde: Eben jenen „Jahrhundertvertrag“ mit Morgan Stanley. Diese Strategie erinnert leider sehr an jene, die schon die Vorgänger von Herrn Watzke verfolgten, wenn auch in stark abgeschwächter Form und gespeist durch die unzähligen Zwänge, welche aus der gescheiterten Strategie der Herren Niebaum und Meier entstanden waren. Dies zeigt, wie gefährlich ein Weg sein kann, der brutal auf sportlichen Erfolg setzt. Somit begibt sich der BVB wenigstens wieder in das Risiko, dass man enorm abhängig von dem Erreichten auf dem Platz ist. Und diesmal hat man es nur mit einem einzigen Gegenpart zu tun, der am Ende, sollte diese Strategie nicht aufgehen, schnell den „Hahn“ zudrehen und den BVB vor ein dann nicht mehr lösbares Problem stellen könnte. Dann entscheidet ein kleines Gremium bei Morgan Stanley über das Wohl und Wehe des BVBs und nicht mehr unzählige Groß- und Kleingläubiger. Keine eher emotional geleiteten und erpressbaren Anteilseigner an einem Stadionfonds müssen ihre Hand heben, sondern englische oder amerikanische Controller und Wirtschaftsprüfer entscheiden dann, ob das „Objekt“ Borussia Dortmund noch zu halten sei. Inwieweit beispielsweise die Interessen eines Florian Homms, um den es so ruhig geworden ist, in diesem ganzen Projekt eine Rolle spielen, soll dabei auch nicht näher erläutert werden. Die Variationsmöglichkeiten sind groß und nach allem was aus der Finanzbranche bekannt und dort gang und gäbe ist, erscheinen viele so genannte „Horrorszenarien“ möglich.

Keine Frage, die jetzige Lösung bietet im „Best-Case“-Fall auch für viele BVB-Fans große Chancen und der BVB bekommt neue Luft zum Leben. Es gibt viele positive Aspekte, und sollte alles gut verlaufen, dann wäre dies für alle Seiten eine gute Lösung gewesen. Sollte aber auch nur eine Kleinigkeit in die falschen Bahnen laufen - und wenn es nur um solche Dinge wie das Trikotdesign geht - dann brechen schwere Zeiten für den BVB an und für all jene, die mehr in einer ursprünglich mal als Verein firmierenden Borussia aus Dortmund sehen. Die jetzige Strategie ist kurz- bis mittelfristig angelegt und ist somit risikoreicher als eine langsamere und langfristigere Strategie, die es wohl auch gegeben hätte, wenn man nur die Grundannahmen und Ansätze ein wenig variiert hätte. Es hätte die Möglichkeit gegeben, einen „Neuen“ BVB zu erschaffen, welcher aus den Ruinen seiner selbst auferstanden wäre und einen anderen Weg gewählt hätte, als den, den so viele andere auch gewählt haben. Die Erläuterung von diesem Weg ist nun aber obsolet, da ein anderer bereits gewählt und im Ansatz schon durchgeführt ist. Der Eindruck, dass weiterhin versucht wird die Gegebenheiten, wie beispielsweise den Zuschauerzuspruch, den Instrumenten und Lösungsansätzen anzupassen, anstatt eben jene Instrumente den Gegebenheiten anzugleichen, ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Der BVB sollte versuchen, eine Mannschaft zusammenzustellen, die durch die Gegebenheiten getragen werden kann (also auch durch weniger Zuschauer- oder TV-Einnahmen) und im Erfolgsfall somit finanziellen Gewinn ermöglicht, aber den Erfolg nicht zwingend voraussetzt. Gewählt wurde hingegen ansatzweise weiterhin ein Weg des künstlichen „Aufblasen“ eines BVB-Gebildes, was am Ende immer ein riskantes Spiel bleibt. Was ist, wie bereits gefragt, wenn trotz aller Bemühungen dennoch die Zuschauerzahlen sinken? Was ist, wenn der neue Pay-TV-Partner in finanzielle Probleme kommt und dies dann schon alles eingepreist wurde bei ambitionierten Investitionen à la Nelson Valdez oder Alexander Frei? Ein Spiel mit dem Feuer; und dies, bei einer vorhergegangen Auslieferung an Morgan Stanley.

Es bleibt da nämlich immer dieselbe Frage offen: Wie viel ist man bereit zu geben, um etwas zu bekommen? Eine simple Frage, aber doch so treffend. Was ist jeder einzelne BVB-Fan bereit zu opfern, damit der BVB weiterhin Bundesligafußball bieten kann, ja, damit er sogar nicht nur mitspielt, sondern eine hervorgehobene Rolle spielt? Hier ziehen sich tiefe Gräben durch das heterogene Lager der BVB-Fans. Wir werden es abwarten müssen. Jetzt kann man erstmal nur „Herzlich Willkommen“ Morgan Stanley sagen und darauf hoffen, dass sie wissen, dass auch ein Fußballunternehmen nun mal kein reines Wirtschaftsunternehmen ist, sondern für die viele „Kunden“ nun mal so viel mehr….Leider haben Gegebenheiten, wie die Umbenennung des Stadionnamens oder die jetzige Trikotfrage bereits bei vielen zu einer Bestätigung von Befürchtungen geführt. Der Widerspruch ist gegeben, dass man auf der einen Seite davon spricht, dass es unabdingbar sei, diese finanziellen Quelle anzuzapfen, aber auf der anderen Seite eben für viele Millionen neue Spieler gekauft werden sollen. Da stellt sich dann schon die Frage, wer diese Entscheidungen letztlich wirklich getroffen hat. Dass es Morgan Stanley war, die eben auf der einen Seite ein attraktives Produkt sehen wollen (also auch eine durch Transfers gestärkte Mannschaft) und auf der anderen jede nur denkbare Einnahmequelle auszunutzen gedenken und eine ganzheitliche Strategie ausgearbeitet haben, ist zumindest nicht unwahrscheinlich. Ob es so ist, werden die nächsten Monate und Jahre zeigen müssen…

Stan Libuda oder Stanley Matthews würden dies alles jedenfalls überhaupt nicht verstehen…

Geschrieben von Phil

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