Spielbericht Jugend

"So ein Tag so wunderschön wie heute" versus "Power-Security"

27.03.2005, 00:00 Uhr von:  Jakob Jens
"So ein Tag so wunderschön wie heute" versus "Power-Security"
Gästeblock Hamburg

Verehrte Geschworene, wir haben gewonnen! Unbeschreibliches spielte sich ab nach einem denkwürdigen 3-2 in Hamburg: Leider nicht nur Positives. Wir durften in der AOL-Arena mal wieder ein Wahnsinnsspiel und eine Achterbahnfahrt der Gefühle erleben. Unser Team überraschte uns mit einer geilen Aufholjagd und vollbrachte schier Unmögliches gegen den HSV. Nach Abpfiff spielten sich Szenen im Gästeblock ab, in die man sich immer wieder gerne hinein versetzen, die man andererseits aber auch gerne vergessen würde?

Gegen 8:00 Uhr machte sich der schwatzgelbe Tross im schwatzgelb gefärbten Hussmann-Bus mit schwatzgelb-Super-Busfahrer Heinz auf den Weg in bessere schwatzgelbe Zeiten. Glauben wollte auf der Hinfahrt keiner so recht an einen positiven Ausgang des Spiels beim Hamburger SV. So verlief die Fahrt zwar recht stimmungsvoll, jedoch nicht ausgelassen. Warum auch? Waren doch die letzten Auftritte unserer Elf eher unkonstant gewesen.

Nachdem der Elbtunnel noch verhindern wollte, was mehrere Kilometer A1 und A7 zuvor nicht vermochten - nämlich uns aufzuhalten - erreichten wir gegen 13 Uhr den Bus-Parkplatz an der AOL-Arena. Von dort ging es nach kurzem Aufenthalt direkt gen Gästeblock, wo auch der Rest der schwarzgelben Kolonie freudig begrüßt wurde. Der Block war bereits eine Stunde vor Anpfiff sehr gut gefüllt und das sollte sich bis zum Anpfiff nur im positiven Sinne ändern.

Im Endeffekt waren mindestens 6.000 Dortmunder vor Ort, manche Medien sprechen sogar von bis zu 10.000 Schwarzgelben.

Von Anfang an musste Wolle, unser Vorsänger, ohne Megaphon auskommen und so wurde leider nicht immer der komplette Gästebock erreicht, was dazu führte, dass oftmals mehrstimmig gesungen wurde. Sehr schön und beeindruckend klang dafür das immer wieder intonierte "Aber eins, aber eins das bleibt bestehn?".

Heim-Choreo

Die Hamburger präsentierten beim Einlaufen der Teams eine nette kleine Choreographie mit dem Spruchband: "Niemand wird gekrönt, ohne gekämpft zu haben!?" und eine Blockfahne im Sitzplatzbereich, auf der eine Krone abgebildet war.

Ein sehr stimmungsfreudiger aber auch launischer BVB-Block begleitete unser Team durch eine wechselhafte erste Hälfte. In der 09. Minute wurde nicht das Vereinslied angestimmt weil Tomas Rosicky dies durch ein geschickt platziertes Tor zu verhindern wusste. Der Jubel war zwar ungläubiger, aber dennoch gewaltiger Natur und der BVB-Block bebte. Sollte dieser Vorsprung bis zum Halbzeitpfiff zu halten sein?... Leider nicht, denn in der 37. Minute bremste ein Hamburger Kopfballtor (remember ´66) die Dortmunder Euphorie. Nach Studium der Fernsehbilder war der Ball in diesem Fall wohl hinter der Linie.

Hälfte Zwei brachte ein Wellenbad der Gefühle mit sich. Es begann mit dem 2-1 durch Beinlichs Freistoß-Tor und der ernüchternden Einsicht, dass unser Team derzeit einfach nicht in der Lage ist, ein Spitzenteam zu schlagen. Aber wat war dat denn? Der Ausgleich durch Lars Ricken brachte die Zuversicht zurück in unsere Herzen. Der Gästeblock erwachte wieder richtig zum Leben und wir zeigten, wer Herr im Hause ist. Im Hamburger Heimblock verharrten die meisten Fischköppe bereits in ihrer Totenstarre. Wussten sie, was folgen würde? Wir wussten es nicht. Der eine rechnete mit dem erneuten Führungstor der Hamburger, der andere hoffte darauf, dass wir dieses Ergebnis würden halten können. Nur ein Häuflein Unentwegter glaubte an mehr. Sie sollten wundersamer Weise Recht behalten! Der ewig (zurecht) verschmähte Ewerthon beförderte in der 85.Minute den Ball in die Maschen und sorgte für Ekstase pur. Einfach nur geil, was sich in den nächsten Minuten im Gästeblock abspielte. Torpogo, Umarmen wildfremder Menschen, Glückschreie und der Schlusspfiff schienen ineinander zu verschmelzen - das Gefühl von Hamburg 2002 war wieder da. Wahnsinn!

Die Mannschaft, die sich in einer Art zurückkämpfte, wie es nur eine intakte Gemeinschaft kann, freute sich ebenfalls unglaublich. Purzelbäume, Freudentänze und ein wildes Rumgehüpfe vor den mitgereisten Fans war die Folge.

Nach diesem Schlussakt blieb Freude leider nicht die dominierende Gefühlslage. Sie wich mehr und mehr der Aggressivität. Nach dem Schlusspfiff war ein Fan von Ordnern des HSV unsanft vom Zaun geholt worden und das mit der Begründung, dass es zu gefährlich sei, auf dem Zaun zu stehen. Dass das Ziehen und Zerren noch gefährlicher ist, leuchtete den Ordnern wohl nicht ein. Zu viert drückten sie den Fan gegen den Zaun und drohten ihm mit Stadionverbot und Schlimmerem. Die Aktion rief natürlich nicht nur diejenigen auf den Plan, die den Gruppengedanken sehr verinnerlicht haben, sondern auch andere BVB-Fans. Nachdem die Zaun-Person wieder unbehelligt ihres Weges ging, stürmten die aus dem Stehplatzblock kommenden Fans den nicht gerade auf Deeskalation geschulten HSV-Ordnern im Sitzplatzbereich in die Arme. Dummerweise hatte zu diesem Zeitpunkt niemand bemerkt, dass der zunächst festgehaltene "Zaunmensch" schon wieder frei war. Zuallererst waren es drei Ordner, die den heranstürmenden Massen den Weg versperren wollten. Da dort eine Treppe ist und die Leute von hinten drückten, wurde es schnell gefährlich und chaotisch. Dabei wurden auch einige unschuldige Personen von der nachdrängenden Masse in den Sitzplatzbereich gedrängt. Es entwickelte sich ein wüstes Geschubse. Ordner prügelten wahllos in die Menge und auch auf am Boden liegende Fans ein. Als sich die Gemüter beruhigten und die Fans den Block wieder verlassen wollten, erschien plötzlich eine zweite Gruppe Ordner und prügelte sich den Weg frei. Dann ging es erst richtig rund, denn sowohl die Herren Ordner, als auch einige Fans schienen noch nicht genug zu haben. Das Ganze gipfelte in der Verhaftung von etwa fünf BVB-Fans durch Ordner des HSV. Bei der Verhaftung verwendete der Ordnungsdienst Handfesseln (auch Kabelbinder genannt), was verboten ist. Als die Personen bereits gefesselt waren, wurde noch auf sie eingetreten und geschlagen. Erst die eintreffende Polizei konnte die Situation beruhigen und den Block räumen. Dabei ging sie mal wieder mit allen legalen und weniger legalen Mitteln vor. So wurde ein unbeteiligtes Mädchen mit einem Knüppel geschlagen (Aussage liegt der Redaktion vor). Dafür nahmen die Beamten aber bereitwillig die Anzeige eines Fans (Name der Redaktion bekannt) auf, der die Ordner unten am Zaun beschuldigte, das ganze ausglöst zu haben.

Kein Spiel mehr ohne die Aufforderung
Ein Gruppenleiter des BVB-Ordnungsdienstes erklärte uns gegenüber, dass es einfach dumm sei, wenn man so etwas nach einem Spiel mache, denn damit provoziere man immer Ärger und Theater, was man ja eigentlich immer verhindern wolle. Auch anwesende Polizisten waren, wie auch ein Großteil der Fans, der Auffassung, dass die Eskalation durch das Einschreiten der Ordner begann.


Inzwischen wissen wir auch von anderen Fans, dass der HSV-Ordnungsdienst (das Unternehmen "Power-Security") oben im Sitzplatzblock ebenfalls für viel Ärger gesorgt hatte. Dort waren die Fans immer wieder zum Sitzen aufgefordert worden, selbst nach dem 2:2 Jubel. Dabei ging es wohl auch nur selten deeskalierend zur Sache. "Power-Security" fiel in der Vergangenheit bereits öfter negativ auf und ist als Sicherheitsdienst für den Stadioneinsatz ungeeignet. Bereits letzte Saison in Hamburg und diese Saison in Lübeck hatten die BVB-Fans das Vergnügen mit den Ordnern von "Power". Schon da zeigte sich, dass diese Herren mit Deeskalation nichts am Hut haben und ständig provozierend, beleidigend und alles andere als nett auftraten. Willkommen bei Freunden 2006?

Natürlich gehören zu solch einer Eskalation immer zwei Seiten, eine, die beginnt und eine, die darauf eingeht. Zum Zeitpunkt der Ereignisse wollten viele eigentlich nur rüber zu ihrem Freund, um ihn vor einer Festnahme zu beschützen. Leider kam es durch das Gedränge auf der Treppe dann doch vollkommen anders und auch die eintreffende zweite Ordnertruppe war dann weder in der Lage, noch willens, für Ruhe zu sorgen. Die Eskalation war unnötig, aber vielleicht auch zwangsläufig. Seit Monaten schaukelt sich das Verhältnis zwischen Gästeblock-Ordnern und Gästefans gegenseitig hoch. Entweder sind beide Seiten gewillt, ihre Lehren daraus zu ziehen, oder wir werden leider nicht das letzte Mal über so etwas berichten. Gästeordner wären sicher ein Schritt in die richtige Richtung, weil die zumeist ihre Pappenheimer kennen und auch Ansprechpartner beim Ordnungsdienst hätten. Aber dazu scheint man seitens der DFL nicht in der Lage, bzw. nicht willens. Dann schon lieber weiter Kriminalisierung in Kauf nehmen.

Doch nun wieder zum Positiven, dass an diesem Tag eigentlich überwog.

Nachdem wir den Schock des Erlebten überwunden und einen kurzen Stopp am schwatzgelben Bus gemacht hatten, traten wir endlich wieder gut gelaunt den Weg auf die sündige Meile an. Dort angekommen verteilte sich die Busbesatzung rasch in alle Richtungen. Gibt es doch einige Highlights, wie Esso-Tanke (schön günstiges und kaltes Astra), Lidl (bis 22 Uhr geöffnet), Lucky Star (Mexikaner für kleines Geld) und weitere Etablissements zur körperlichen Ertüchtigung zu entdecken. Eine stattliche Anzahl an Fans zeigte sich dann auch am Lucky Star und es gab dort manch nette Tanzeinlage zu bewundern. Doch in St.Pauli zieht es einen irgendwie immer weiter und so landete ein großer Teil der schwatzgelben Busbesatzung noch im Pupasch. Fast pünktlich verließen wir die Hansestadt und erreichten gegen 5 Uhr das Westfalenstadion. Die schwatzgelb.de-Besatzung freut sich auf ein Wiedersehn in der neuen Saison. Getreu dem Motto: "keine Chance dem HSV since 1997."

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