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Die Champions: Fußball hautnah

12.04.2005, 00:00 Uhr von:  Desperado09
Die Champions: Fußball hautnah
© Amazon

Aidas Triumphmarsch, Fahnenparade auf dem Rasen, eine tobende Südtribüne - es muss ein wahnsinniges Gefühl sein, als Profi ins Westfalenstadion einlaufen zu dürfen. Doch der Weg in die erste Mannschaft ist weit und vor allem steinig. Die Dokumentation "Die Champions" von Christoph Hübner zeigt vier hoffnungsvolle BVB-Talente am Anfang ihrer Karrieren.

Die A-Jugend des BVB hat den fünften Titel in Folge nach Dortmund geholt. In ihren Reihen stehen die vier Protagonisten des Filmes: Francis Bugri, Mohammed Abdulai, Heiko Hesse und Claudio Chavarria. Alle vier haben den Traum, einmal Profi-Fußballer zu werden.

Der Filmemacher Christoph Hübner begleitet sie fünf Jahre lang auf Schritt und Tritt mit der Kamera, zeigt eindrucksvoll, wie sie sich in der Jugend durchsetzen müssen, später in der Regionalliga-Mannschaft kicken und völlig verschiedene Entwicklungen in ihren Karrieren nehmen.

Das Ergebnis ist ein äußerst kurzweiliger Film, der völlig ohne gesprochenen Kommentar das Leben der vier Spieler zeigt, die Monotonie des Trainings, den Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaft oder auch das Heimweh. Besonders beeindruckend wird der Film immer, wenn es menschelt, wenn die Personen in Nahaufnahme gezeigt werden und ihre Emotionen deutlich werden. Irgendwie zeigt sich schon recht bald, wer den Durchbruch schaffen wird, denn das Zeug zum Profi hat nur, wer diszipliniert und hart an sich arbeitet und selbstkritisch mit seinen Leistungen umgehen kann.

Das kann nicht jeder. Der Chilene Claudio verzweifelt eher am deutschen Trainingsalltag und an der Spielweise ("Immer nur passen, passen, passen, passen") als an seiner Einstellung. Heiko hingegen interessiert sich von Beginn an nicht nur für Fußball, sondern studiert schon als Abiturient Aktienkurse und liest den Wirtschaftsteil. "Wenn ich in den Profifußball will, dann muss ich alles Mögliche tun: Dann muss ich den größtmöglichen Willen haben, den größtmöglichen Ehrgeiz, muss viel trainieren. Aber auf der anderen Seite kann man sich ja auch selber einschätzen, dass man sagt: Hör mal zu, es ist ziemlich schwer. Also bleib auf dem Teppich.? " Heiko ist sich klar darüber, dass die Chance, es in den Profikader zu schaffen, verschwindend klein ist. Er bricht seine Karriere schließlich ab und beginnt ein Wirtschaftsstudium in den USA.

Die anderen Drei, allesamt viel versprechende Talente, gehen ihren Weg - mit unterschiedlichem Erfolg. Gerade deshalb ist "Die Champions" so interessant. Der Film zeigt eben nicht die erfolgreiche Kicker-Jugend, sondern Talente, die es erst noch schaffen wollen. Und die es letztlich doch nicht richtig schaffen. Francis Bugri bekommt zwar ein paar Einsätze bei den Profis, doch dann wird mit Tomas Rosicky ein angehender Weltstar für seine Position verpflichtet.

Interessant sind auch die Einschätzungen der Trainer, besonders von Amateur-Trainer Edwin Boekamp, der den Jung-Profis immer wieder die Härte des Geschäfts zeigt. Er weiß warum: "Die Chance kriegst du nicht so häufig, vielleicht auch nur einmal. Und wenn du da nicht vernünftig nach lebst und trainierst, dann fällst du raus. Dann bist du nicht dabei. Und dann endest du irgendwann mal in der Regionalliga und spielst mit 35 gegen Borussia Dortmunds junge Amateure und denkst dann: "Ja, guck mal, hier habe ich auch vor 20 Jahren gespielt und habe nichts aus mir gemacht." Das kann passieren."

Wer letztlich welchen Karriereweg geht, sei hier nicht vollends verraten. Denn obwohl "Die Champions" eine Dokumentation ist, gibt es einen Spannungsbogen. Nicht nur für Fußball-Fans ist der Film ein Muss, sondern für jeden, der gerne hautnahe Portraits sieht. Denn tatsächlich verschwimmt irgendwann der fußballerische Hintergrund und in den Vordergrund tritt etwas ganz Reales: das pure Leben.

Die DVD zu "Die Champions" überzeugt nicht nur mit einer 124 Minuten langen Fassung des Films, sondern mit zahlreichen, interessanten Specials: Ausführliche Interviews mit Spielern und Trainern wie Lars Ricken, Christoph Metzelder, Michael Skibbe oder Matthias Sammer geben einen tiefen Einblick in die Werdegänge derjenigen, die es geschafft haben. Herausgeschnittene Szenen zeigen noch deutlicher das Leben der vier Hauptfiguren des Films. Der interessante Audio-Kommentar von den Machern Christoph Hübner und Gabriele Voss gibt viele wissenswerte Hintergrund-Infos zur Entstehung. Auf dem DVD-Rom-Teil befindet sich außerdem noch das Schnitt-Tagebuch von Gabriele Voss, in dem sie die Arbeiten am Film festgehalten hat und verdeutlicht, welche Szenen warum im Film zu finden sind.

Wer den Film schon kennt, findet auf der DVD zahlreiche interessante Infos und wird "Die Champions" danach noch einmal mit ganz anderen Augen ansehen wollen.

Infos zum Film:

Sprachen: Deutsch, DD 2.0

Untertitel: Deutsch / Englisch

Bild:1.60:1 (letterboxed)

Preis: 19,90 (Hier könnt ihr ihn bestellen)

FSK: ohne

Laufzeit: 124 Minuten

Extras: Interviews, Bonusszenen


"Die Champions" lief auf Festivals rund um den Globus, etwa in London, Singapur, Portugal und Frankreich. Das Goethe Institut hat den Film zusammen mit "Das Wunder von Bern" in sein Programm aufgenommen, um in der ganzen Welt für die WM2006 zu werben. Die Reaktionen der Presse waren durchweg positiv. Der Spiegel lobte das Werk als "faszinierende Dokumentation", Cinema nannte den Film einen "außergewöhnlichen Blick hinter die Kulissen des Profifußballs".

Wie gefällt euch "Die Champions"?

Filmemacher Christoph Hübner würde sich freuen, Feedback von Fans zu bekommen. Mailt eure Meinung einfach an champions@schwatzgelb.de.

schwatzgelb.de verlost fünf DVDs ?Die Champions?. Ihr müsst bloß folgende Frage beantworten:

Von welchen Klub kam Francis Bugri und wohin wechselte er?

Die Antworten mit eurer Adresse schickt ihr an gewinnspiel@schwatzgelb.de. Einsendeschluss ist der 20.04.2005. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


schwatzgelb.de: Herr Hübner, warum haben Sie ausgerechnet Spieler des BVB mit der Kamera begleitet?


Christoph Hübner: Wir hatten zuerst auch überlegt, bei Ajax Amsterdam zu drehen, weil die ja damals berühmt für ihre Jugendarbeit waren. Dann haben wir uns aber doch für den BVB entschieden, weil die A-Jugend gerade zum fünften Mal in Folge deutscher Meister geworden war und ich selbst ja auch BVB-Fan bin.

schwatzgelb.de: Wie haben Sie es geschafft, über einen so langen Zeitraum drehen zu dürfen?

Hübner: Den ersten Kontakt habe ich noch zu Ottmar Hitzfeld hergestellt. Dem war die Idee auf Anhieb sympathisch. Er und die anderen Trainer haben dann vermittelt. Am Anfang habe ich nur zugeguckt und Kontakte geknüpft, um das Vertrauen der Spieler und Trainer zu gewinnen. Mit der Zeit bin ich dann ein gewohnter Gast geworden.

schwatzgelb.de: Wie war denn die Atmosphäre beim Dreh?

Hübner: Alle haben schnell gemerkt, dass ich kein Sensations-Journalist bin. Daraus ist dann ein sehr offenes, fast freundschaftliches Verhältnis entstanden. Ich durfte sogar regelmäßig mit in die Kabine, was eigentlich ein Sakrileg ist. Ich habe allen aber auch versprochen, dass ich Szenen, die nicht in den Film sollten, auch nicht zeigen werde. Schwierig war es manchmal, Niederlagen darzustellen. In Niederlagen zeigt man sich nicht so gerne. Aber ohne Niederlagen ist das Bild auch nicht realistisch. Da half dann das Vertrauen, das ich gewonnen hatte Diese Offenheit ist nicht ganz und gar nicht selbstverständlich.

schwatzgelb.de: Erwachsen den Spielern eigentlich Nachteile, wenn sie in so emotionalen Momenten gezeigt werden? Fußball ist ja ein hartes Geschäft?

Hübner: Ich war mir der Verantwortung bewusst, dass ich die Jugendlichen nicht an die Wand fahren lassen darf. Wir hatten 400 Stunden Material. Da gibt es sehr persönliche Szenen, auf die wir dann auch verzichtet haben, um die Spieler zu schützen. Man ist ja immer etwas voyeuristisch, aber die Spieler haben immer gewusst, wenn ich gedreht habe. Die Leute müssen ja später mit diesem Film leben und ich muss ihnen das Vertrauen zurückgeben, das ich von ihnen bekommen habe. Ich durfte auch im Jugendhaus ein- und ausgehen, wann ich es wollte. Das ist nicht selbstverständlich und dafür bin ich dankbar.

schwatzgelb.de: Wie war denn die Reaktion der Spieler und Trainer, als sie den fertigen Film gesehen haben?

Hübner: Alle haben positiv reagiert und gesagt: "So ist es gewesen."

schwatzgelb.de: Warum haben Sie sich ausgerechnet für diese Spieler entschieden?

Hübner: Wir haben ursprünglich mit zehn Spielern begonnen, die uns von Hitzfeld, Skibbe und Boekamp empfohlen worden waren. Ich habe also mit allen gedreht und erst später haben sich die vier heraus kristallisiert, weil ich mit denen am meisten gedreht hatte. Außerdem: Wenn man an den fertigen Film denkt, dürfen sich die Charaktere nicht zu sehr ähneln. Mit diesen Protagonisten haben wir vier typische Beispiele, weil es einer schafft, einer eine typische, mittelmäßige Karriere macht, einer völlig scheitert und einer von sich aus ganz aufhört.

schwatzgelb.de: Es fällt auf, dass zwei der Jugendlichen schon in der B-Jugend Legionäre sind.

Hübner: Damals hieß es, der deutsche Nachwuchs tauge nichts. Die Vereine hatten Späher in aller Welt, um Talente zu sichten. Das hat sich geändert. Wenn ich heute ins Jugendhaus gehe, leben dort bis auf Kosi Saka nur noch deutsche Spieler.

schwatzgelb.de: Wie erklären Sie sich, dass so viele Spieler nicht zu einer Karriere durchstarten konnten?

Hübner: Der Film ist in eine schwierige Zeit gefallen. Borussia ging's noch gut. Ich glaube, Kringe und Kruska hätten damals auch nur auf der Bank gesessen - wenn überhaupt. Ich hatte mir auch alles viel durchlässiger vorgestellt, aber es gab damals kaum eine Chance, von der Jugend zu den Profis zu kommen. Das war halt die Kirch-Zeit mit ihren Millionendeals für fertige Spieler. Die Jugendabteilungen liefen da nur nebenher. Das sieht man ja bis heute am Trainingsgelände. Aber wenn sich die Situation bei Borussia nicht geändert hätte, würden Kringe, Kruska, Brzenska heute vielleicht auch noch nicht spielen. Die Chance, die die heutigen Spieler haben, haben die damaligen nicht gehabt. Bugri hätte dann vielleicht gemerkt, dass er sich anders durchsetzen muss. Die Erfahrung von dem Film ist auch, dass es in einer Mannschaft stimmen muss. Da muss es Leute geben, die den sensiblen, jungen Spielern den Rücken frei halten.

schwatzgelb.de: Hätten Sie rückblickend lieber andere, noch erfolgreichere Spieler portraitiert?

Hübner: Ja und Nein. Ja, weil erfolgreiche Spieler, die es in die Profi-Mannschaft geschafft hätten, vielleicht besser für die Vermarktung des Films gewesen wären. Nein, weil die jetzige Situation bei Borussia eine Ausnahmesituation ist und nicht den typischen Alltag zeigt. Wenn es ein Heldenepos geworden wäre, würde der Film nicht die Realität zeigen. So ist er verallgemeinerbar und auch morgen gültig.

schwatzgelb.de: Denkt eigentlich jeder Spieler von sich, dass er der beste ist?

Hübner: Der Film zeigt, dass man nicht weit kommt, wenn man nicht kritikfähig ist. Talent bringen alle mit. Entscheidend sind aber der Charakter, die Willenskraft und ob jemand lernwillig ist. Wenn man mit jungen Spielern spricht, denken die meisten, das Talent sei das wichtigste. Je älter die Spieler werden, desto mehr Bedeutung räumen sie aber auch den anderen Eigenschaften ein.

schwatzgelb.de: Wo sehen Sie noch Unterschiede zwischen den jungen Spielern, die es jetzt beim BVB geschafft haben, und denen im Film?

Hübner: Gambino galt schon damals als herausragendes Talent. Odonkor und Kringe auch. Die haben's verdient, da zu spielen. Sie haben aber auch die Chance bekommen, sich zu entwickeln. Kringes Schritt nach Köln und zurück war sicher richtig. Aber man darf die jungen Spieler auch nicht zu sehr unter Druck setzen. Von denen wird immer verlangt, sie müssten geduldig sein. Dann muss man ihnen diese Geduld aber auch entgegen bringen.

schwatzgelb.de: Vielen Dank für das Gespräch.

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