Im Gespräch mit...

...Gerd Pieper - 100 Prozent Borusse (Teil 1)

08.03.2004, 00:00 Uhr von:  Arne Wade
...Gerd Pieper - 100 Prozent Borusse (Teil 1)

Wer schon mal ein Spiel im Westfalenstadion erlebt hat, der kennt diese Lautsprecherdurchsage genau: „Die Stadtparfümerie Pieper präsentiert Ihnen die Zuschauerzahl des heutigen Tages.“ Seit Jahren erschallen diese Worte durch das Stadion und doch kennt wohl kaum jemand den Mann, der hinter eben dieser Stadtparfümerie steckt.

Dabei ist Inhaber Gerd Pieper wohl einer der am längsten aktiven Sponsoren des BVB überhaupt, selbst seit Kindesbeinen an Borussia-Fan und überdies seit November auch Mitglied des Aufsichtsrates – eine Funktion, die ihn in Anbetracht der Finanzdiskussion der letzten Monate zum idealen Gesprächspartner für uns werden ließ.

Keine Frage, Gerd Pieper ist ein beeindruckender Mann, der nach eigenen Angaben eine 100-Stunden-Arbeitswoche hat und dessen Herz zweifelsfrei für „schwatzgelb“ schlägt. Ein Sponsor also aus Überzeugung statt aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen. Die Büroräume des Unternehmens sind geschmückt mit Bildern aus dem Stadion, an der Wand hängen Borussia-Aktie und Choreographie-Foto einträchtig untereinander und wenn er ausholt, um über den BVB zu erzählen, dann drückt seine Stimme eine tiefe Verbundenheit zum Verein aus. Wir sprachen Gerd Pieper am vergangenen Dienstag in seinem Büro.

schwatzgelb.de: Herr Pieper, zunächst einmal das wichtigste: Wie sind Sie eigentlich zum BVB gekommen, können Sie sich daran noch erinnern?

Gerd Pieper: Ja, daran kann ich mich gut dran erinnern. Meine erste Begegnung war, da war ich sechs Jahre alt, im Jahr 1949. Da habe ich bei meinen Eltern Radio gehört und da wurde das Spiel Dortmund gegen den VfR Mannheim übertragen, das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft. Dortmund führte bis kurz vor Schluss und dann haben die in den letzten zwei, drei Minuten noch zwei Gegentore bekommen. Da war der Sprecher so traurig, weil man ja schon eigentlich gedacht hat, jetzt wäre der BVB deutscher Meister. So bin ich komischerweise durch eine Niederlage an Borussia herangekommen, weil das sofort Sympathien in einem erweckt hat. Das werde ich nie vergessen.

Und dann hab ich natürlich zwischendurch Borussia Dortmund aus den Augen verloren, weil man als Kind ja auch andere Interessen hat und nicht so einfach zum Stadion nach Dortmund konnte. Dann fing ich vor rund 30 Jahren an, regelmäßig nach Dortmund zu fahren und jetzt bin ich seit über 20 Jahren schon Mitglied.

Die ersten Erlebnisse waren 1956 und 57 die deutschen Meisterschaften und ich habe dann dieses berühmte 5:0 gegen Benfica miterlebt, das waren so die Schlüsselerlebnisse und wenn man die halt mal so miterlebt und durchlebt hat, dann lässt einen eigentlich der Bazillus Borussia nicht mehr los.

schwatzgelb.de: Also haben Sie auch die ganzen Größen gesehen, die wir leider nicht mehr erlebt haben: Adi Preissler, Max Michallek und so.

Gerd Pieper: Ja, die hab ich alle noch erlebt.

schwatzgelb.de: Eigentlich recht ungewöhnlich. Bei Herne denkt man ja eher an andere Vereine!

Gerd Pieper: Ja, Herne ist ziemlich blau-weiß…

schwatzgelb.de: …genau das meinten wir…

Gerd Pieper: …da muss ich mich auch immer wieder behaupten hier. Ich bin ja auch Kammerpräsident in Bochum, da ist auch alles blau-weiß, aber die Bochumer Blau-Weißen mögen die Schalker Blau-Weißen auch nicht, insofern gibt es auch da zwischen Blau-Weiß einen Unterschied.

Noch ulkiger ist: Ich habe am Schalker Gymnasium mein Abitur gemacht, also in Gelsenkirchen, weil ich Altsprachler war, also Griechisch und Latein gelernt habe, und in Herne gab es dafür kein Gymnasium. Dann habe ich das eben in Gelsenkirchen gemacht auf dem Schalker Gymnasium und da waren natürliche alle Schalker. Und ich gebe auch zu, in der damaligen Zeit bin ich schon mal häufiger zu Schalke gegangen, aber mehr als Interesse war da auch nicht und wenn Schalke zuhause in der alten Glückauf-Kampfbahn Borussia Dortmund empfangen hat, war ich immer fast der einzige in den blau-weißen Trauben. Aber ich habe mich da behauptet.

schwatzgelb.de: Schult ja auch, wenn man sich da durchsetzen muss gegen die Blauen. Obwohl man ja oft sagt, dass dieser Hass früher eigentlich nicht so extrem war. Können sie das bestätigen?

Gerd Pieper: Also mein Sohn, der ja auch jetzt 30 Jahre alt und auch hier in der Firma angefangen ist, der ist ja nun auch Borussia-Fan durch und durch und der kann Schalke gar nicht hören, der ist da richtig fanatisch.

Bei mir war das halt anders, weil ich eben auch in Gelsenkirchen auf der Schule war. Mein Verein war immer Borussia Dortmund, aber ich habe die anderen auch immer akzeptiert und respektiert und habe eigentlich nie eine Schlägerei oder einen Streit wegen Schalke gehabt und muss ganz ehrlich sagen, ich bin auch zu sehr ein Kinde des Ruhrgebiets, so dass mir dann im Zweifelsfall ein Sieg eines Ruhrgebietsvereins immer noch lieber war, sei es gegenüber süddeutschen Vereinen – damit meine ich natürlich einen ganz bestimmten – oder zum Beispiel als Schalke dann den UEFA-Cup gewonnen hat. Da hab ich mich für die Schalker auch mitgefreut. Aber spätestens dann, wenn es gegen „schwatzgelb“ ging, war das natürlich wieder anders, klar.

Auch unter meinen Freunden und Bekannten damals war die Rivalität zwischen Schalke und Dortmund immer da, aber es war nie so rabiat oder mit Gewalt verbunden, überhaupt nicht! Es gab zwar Frotzeleien und all diese Dinge, aber die blieben doch alle im ganz normalen Bereich. Und deshalb bedauere ich, dass es da zeitweilig ja wirklich – gerade unter jungen Leuten, die die Tradition der beiden Vereine einfach nicht so achten – zu solchen Auswüchsen kam.

Bei den Spielern war das ja nicht so. Es gab viele Spieler, die bei Schalke und Dortmund gespielt haben. Wenn ich da an Rudi Assauer denke. Da habe ich noch bei Herten Fußball gespielt als Jugendlicher und er spielte auch bei der Spielvereinigung Herten und war dann nachher bei Schalke, Bremen und Dortmund - das sollte man eben alles nicht so eng sehen. Wichtig ist, meine ich schon, die Treue zum Verein.

schwatzgelb.de: Was war für Sie denn der bewegendste Moment als BVB-Wegbegleiter?

Gerd Pieper: In der Vergangenheit war das ohne Zweifel das 5:0 gegen Benfica Lissabon. Eiskaltes Wetter, ich habe vorne auf der Tribüne gesessen. Da hatten sie Zusatztribünen aufgestellt aus Holz, so ein kleines Bänkchen wie in der Turnhalle. Und da saß ich in der ersten Reihe und dieser 5:0-Sieg mit Franz Brungs und seinen tollen Kopfballtoren, das bleibt für mich unvergessen, das war wirklich ein emotionaler Schub. Ja und dann war ich in München beim Sieg gegen Turin, das war so das zweite ganz emotionale Highlight, das sich doch immer wieder bemerkbar gemacht hat. Wenn ich mal so zurück denke, dann waren es diese beiden Spiele.Gut, auch Möllers Tor beim 2:0 gegen den HSV werde ich nicht vergessen, weil das nach langer Zeit doch endlich mal wieder ein Deutscher Meistertitel war. Da war ja auch der Jubel in Dortmund besonders groß. Als Möller da um die Mauer rum das Tor schoss, das war toll.

schwatzgelb.de: Diese lange Zeit zwischen den Meistertiteln der 50er und 60er Jahre und jetzt dieser Meisterschaft 1995 konnten Sie dann ja auch viel besser mitempfinden als wir jungen Leute das nachvollziehen konnten.

Gerd Pieper: Ja, wir haben ja zwischendurch auch richtige Höhen und Tiefen erlebt. Der Abstieg, die Relegation und all diese Spiele, die ja auch an die Nerven gingen.

Als Dortmund abstieg, haben sich auch viele Sponsoren aus dem Staub gemacht und hatten kein Interesse mehr, die Zuschauerzahlen sanken dramatisch und in der Zeit sprach mich einer von Borussia an – ich weiß gar nicht mehr, wer das war - ob ich nicht Werbung machen wolle. Und da hab ich in der Zeit – ich weiß auch gar nicht mehr, wann genau das war – damit angefangen.

Da habe ich gesagt: In dem Moment, wo es denen schlecht geht und alle anderen abhauen, machst Du das und unterstützt das! Damals mit ganz kleinen Mitteln, später kam die Zuschauerdurchsage hinzu und dann wuchs man in den Verein hinein, ich war ja dann auch schon längere Zeit Mitglied. So lernte man den und den kennen und dann kam ich später auch in die Gremien des Vereins. Aber der auslösende Faktor war eben, dass es Borussia auch mal sehr schlecht ging und ich in dieser Zeit ein Zeichen setzen wollte. Wenn’s denen gut geht, kann das jeder! Aber wenn die jetzt absteigen, dann trotzdem zu ihnen halten, das war’s für mich! Aber so ist eigentlich mein ganzes Leben, dass ich nicht nur immer versuche, mich in der Sonne zu bewegen, sondern auch mit dem Rücken an der Wand kämpfe.

schwatzgelb.de: Ihr Name bzw. der Name der Stadtparfümerie ist ja mittlerweile eine feste Institution bei Heimspielen. Gerade als junger Fan kann man sich ja an kein Spiel erinnern, wo man nicht „Die Stadtparfümerie Pieper präsentiert Ihnen die Zuschauerzahl“ gehört hat. Hatten Sie mal daran gedacht diese Werbung aufzugeben?

Gerd Pieper: Nein, ich finde das toll. Ich habe das auch dem Michael Meier gesagt, nachdem Dortmund dann zweimal Deutscher Meister, Europapokal- und Weltpokalsieger wurde und die Preise sehr in die Höhe gingen: „Ihr müsst auch mal zu Leuten halten, die für Euch geworben haben, als wenige andere werben wollten.“ Deshalb habe ich mich eigentlich auch immer schnell mit dem Verein geeinigt. Solange das so bleibt, wird da ewig „Stadtparfümerie Pieper“ auftauchen – zumindest solange ich dort noch hingehen kann.

Und es ist auch so, ich werde sehr oft darauf angesprochen. Nicht nur von Leuten, die ständig da sind, auch von welchen, die hin und wieder oder als Gäste da sind. Es ist eine sehr schöne Identifikation und es ist auch eine gute Werbung, keine Frage.

schwatzgelb.de: Es gibt ja auch das kleine Kuriosum wegen des Werbeverbots bei Champions-League-Spielen, dass da dann vor der Zuschauerzahl die Durchsage kommt, Herr Pieper möge doch mal zu Aufgang 26 oder zum Infostand kommen. Da schmunzelt man immer wieder, wenn man das hört. Wer hatte denn diese Idee?

Gerd Pieper: Das ist wirklich gagig, auf die Idee ist Michael Meier gekommen. Der rief mich mal an und sagte: „Wir haben morgen Europapokal und dürfen ja nicht werben.“ Ob ich was dagegen hätte, dass wir das so machen und anschließend sofort die Zuschauerzahl bekannt geben, so dass eigentlich jeder genau weiß, wie das gemeint ist. Das fand ich eine tolle Idee, einen tollen Gag, und hab sofort mitgemacht - und natürlich für diesen Tag auch Werbung bezahlt, was ich ja sonst nicht gebraucht hätte, wenn es nicht erschienen wäre. Also Michael Meier hat den Gag verbunden mit einer kaufmännisch vernünftigen Lösung.

schwatzgelb.de: Wenn man sich mal Ihre berufliche Karriere anschaut: Sie haben eine große Parfümeriekette, sogar in Hamburg besitzen Sie Filialen….

Gerd Pieper: …ja, wir sind mit den meisten Geschäften allerdings in NRW, wir haben zwei Filialen in Hamburg, sonst ist aber alles hier, weil es als Mittelständler eigentlich wichtig ist, eine überschaubare Kontrollfunktion auszuüben. Und wenn die Geschäfte in der Nähe sind, dann ist das etwas leichter als wenn man über ganz Deutschland verteilt ist. Wir sind immer gewachsen wie eine Spirale: Der Ursprung ist hier in Herne und ich habe hier die Geschäfte übernommen im Jahre 1968 mit drei Filialen und 12 Mitarbeitern. Dann haben wir uns hier immer weiter ausgedehnt, erst im Kern des Ruhrgebiets, dann im kompletten Ruhrgebiet und dann darüber hinaus bis Münster, ins Sauerland oder jetzt am Niederrhein bis Wuppertal, Solingen, also dem Bergischen Land. Also wie’s weitergeht müssen wir mal abwarten. Ich hoffe aber, dass wir immer noch so ein bisschen wachsen können.

Wir sind jedenfalls mit Abstand die größte private Parfümerie in Deutschland. Eine ist größer, das ist die Firma Douglas, aber das ist auch eine Aktiengesellschaft. Aber mit denen habe ich bei allem Wettbewerb auch ein ganz freundschaftliches Verhältnis weil ja Dr. Henning Kreke (Vorstandsvorsitzender der Douglas Holding AG, Anm. d. Redaktion) auch im BVB-Vorstand und im Aufsichtsrat ist. Das muss man trennen und das ist auch kein Problem für uns

schwatzgelb.de: Wenn man sich also diesen Weg ansieht, den Sie genommen haben, Sie waren ja auch mal Bürgermeister von Herne…

Gerd Pieper: Was sie so alles wissen… (lacht)

schwatzgelb.de: Da stellt sich die Frage: Wenn Sie die Wahl gehabt hätten zwischen Ihrer Karriere und der als Spieler bei Borussia. Für welche hätten Sie sich entschieden?

Gerd Pieper: Ich habe ja früher in meiner Jugend Leistungssport gemacht, Leichtathletik. Damals war ich ja im Internat bei den Jesuiten in Büren, im Übrigen genauso wie Michael Meier bei den Jesuiten, das verbindet uns auch.

schwatzgelb.de: Sie waren auch auf der Jesuitenschule? Interessante Leute, die bei den Jesuiten waren. Wir wissen, dass Norman Rentrop (Inhaber eines großen Aktienpakets des BVB, Anm. d. Redaktion) auch auf einem Jesuiten-Internat war.

Gerd Pieper: Ja, genau. Das war eine Klosterschule und da hatte ich nichts anderes zu tun, da konnte man nur durch den Sport raus. Also habe ich Leistungssport gemacht, Leichtathletik. Ich bin damals über 100 Meter auf der Aschenbahn noch unter elf Sekunden gelaufen und über sieben Meter weit gesprungen und war dann natürlich beim Fußball der prädestinierte Rechtsaußen.

schwatzgelb.de: Pfeilschnell, wie man so schön sagt...

Gerd Pieper: ...ja, manchmal war ich schneller als der Ball, aber das geschieht ja heute einigen anderen auch. (schmunzelt)

Dann habe ich beim SV Büren gespielt, im Kreis Paderborn. Da habe ich dann neben der Leichtathletik, das ging damals noch, viele Jahre Rechtsaußen gespielt und habe auch um die Südwestfalenmeisterschaft gespielt - auch gegen Borussia Dortmund. Aber da haben wir einmal 8:1 verloren, das werde ich nie vergessen. Das war die einzige Niederlage, die mir dann ein bisschen schwer gefallen ist, wo es gegen Schwarz-Gelb ging. (lacht)

Aber Spaß beiseite, das war ja klar damals. Und dann habe ich überlegt: Ich habe damals in Köln studiert und bin zur Sporthochschule gegangen und habe auch neben Betriebswirtschaftslehre noch ein paar Jahre Sport weitergemacht, wollte auch noch ein paar Jahre Fußball weiterspielen, weil ich ein Angebot hatte hier von DSC Wanne-Eickel, die damals eine sehr gute Mannschaft hatten und in der Oberliga gespielt haben. Aber da habe ich mir dann im letzten oder vorletzten Spiel um die Westfalenmeisterschaft einen sehr komplizierten Mittelfußbruch zugezogen, d.h. im Gelenk des Fußes sind ja so sieben, acht Fußwurzelknochen, die das Gelenk bewegen und da habe ich mir einen Bruch zugezogen. Ich habe ein Jahr kein Sport machen können, weil die Heilung mitten im Gelenk sehr schwierig war. Vielleicht könnte man das heute viel besser machen als damals. Ja und dann war ich damals in Köln und habe einfach nicht mehr den Anschluss gefunden oder es auch nicht mehr gewollt, weil ich dann auch schon mitten im Studium war. So bin ich da eben raus gekommen.

Also wenn ich damals die Chance gehabt hätte, Fußballer zu werden, hätte ich es wohl versucht, aber das wollen ja viele versuchen. Aber es ist so, dass ich halt nicht nur passiv sondern auch aktiv Sportler war, eben als Fußballer und auch als Leichtathlet. Ja, so war’s!

schwatzgelb.de: Wenn Sie heute auf den BVB blicken. Was würden Sie sagen, welche drei Dinge faszinieren Sie an diesem Verein am meisten?

Gerd Pieper: Drei Dinge beim BVB. Da ist einmal die große Fangemeinde, die immer zum Verein gestanden hat, auch wenn es mal Höhen und Tiefen gab. Zweitens würde ich sagen, dass es den Verein immer ausgezeichnet hat, dass die Spieler gekämpft haben. Es wurden viele Siege erarbeitet. Und ich fand immer gut: Borussia Dortmund hat immer die Menschen, die hier arbeiten, verkörpert.

schwatzgelb.de: Wenn Sie jetzt zu Punkt Zwei gesagt haben, dass Ihnen das „Fußball arbeiten“ immer sehr gefallen hat, dann muss Ihnen doch das Spiel heute wirklich die Zornesröte ins Gesicht treiben, oder?

Gerd Pieper: Also, ich gebe Ihnen Recht, dass es manche Spiele gegeben hat, die mir nicht gefallen haben. Ich bin beispielsweise nicht traurig, wenn Borussia verliert und sie gekämpft und alles gegeben haben, was sie konnten. Ich bin aber sehr wütend, wenn sie unentschieden spielen oder gewinnen und sie rufen ihr Potential nicht ab. Deshalb habe ich mich auch über das Spiel gegen Cottbus wahnsinnig geärgert und ich war damals schon richtig wütend.

Ich habe damals aber auch die Leute verstanden, die gar nicht so wütend waren, weil jeder gedacht hat: Das heilen wir! Aber dann ist leider das eingetreten, was wir alle nicht erwartet haben.

Und der dritte Grund, warum mir der BVB immer gefallen hat, ist dann der, dass der Verein immer sehr seriös geführt worden ist. Das heißt sowohl unter Rauball als auch zu Niebaums Zeiten, aber auch davor. Es war immer ein ordentlicher und seriöser Verein, der nicht nur Show gemacht hat. Wenn ich da an manche Jahreshauptversammlung von S04 denke…. Das hat mir eigentlich immer gefallen bei der Borussia!

schwatzgelb.de: Diese seriöse Vereinsführung ist eigentlich die ideale Überleitung zu Ihrer Funktion als Aufsichtsrat beim BVB.

Gerd Pieper: Ihr Unternehmen ist seit 1931 ununterbrochen im Familienbesitz und Ihre 99 Filialen sind fast alle in NRW, auf der Firmenhomepage beschreibt sich Ihre Stadtparfümerie selbst als Regionalist. Das spricht ja für Bodenständigkeit und die Risiken minimierende Firmenpolitik. Wie kommen Sie vor diesem Hintergrund mit der wagemutigen und risikofreudigeren Vereinspolitik klar, wie sie in den vergangenen Jahren beim BVB betrieben wurde?

Gut, eines ist festzuhalten: Wenn man sich mit Fußball beschäftigt, weiß man, dass Fußball nicht wie ein Unternehmen zu führen ist, das geht einfach nicht. Man hat keine planbaren, bzw. im engen Rahmen planbaren Zahlen und Zahlenreihen, die man einfach fortschreiben kann, sondern das ist ganz anders gestaltet. Zweitens: Fußball entscheidet sich auf dem Platz und das hat unmittelbare Entscheidung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse. Ob ein Ball nur 10 Zentimeter mehr nach links oder rechts geht, kann alles entscheiden. Wenn ein Elfmeter im Elfmeterschießen nicht an den Pfosten geht oder 10 Zentimeter mehr nach rechts geht und drin ist, dann kommt man eventuell in ganz andere Dimensionen. Deshalb ist es sehr schwierig.

Borussia Dortmund wollte sich speziell ab Anfang der 90er Jahre zu einem deutschen und europäischen Spitzenverein entwickeln. Das war die Zielvorgabe und das hat man ja auch geschafft. Und zwar auch geschafft mit etwas mehr Risiko als das vielleicht andere Vereine getan haben, aber auch immer mit so viel Weitblick, dass das geklappt hat. Man sprach ja wirklich von dem schwarz-gelben Wunder in Dortmund und der Verein ist der beste Exportschlager der Stadt geworden und ist es immer noch.

Wo sie hinkommen in der Welt kennt jeder Borussia Dortmund. Ich war neulich in Südafrika und saß mit jemandem an einem Tisch und zog einen Kugelschreiber raus und das war zufällig ein Stift von Borussia Dortmund. Da sah der das und fragte sofort, ob er den haben könnte, der BVB wäre doch ein toller und großer Verein. Also weltweit hat sich diese Politik zum Erfolg durchgesetzt.

schwatzgelb.de: Nur im Moment ist der Erfolg eben nicht da.

Gerd Pieper: Jetzt haben wir eine Situation, wo der Erfolg nicht eingetreten ist und da müssen wir jetzt sehen, wie wir am besten raus kommen. Ich glaube, man kann immer nur, wenn es vorbei ist, sagen, warum etwas gut oder schlecht war. Im Nachhinein weiß jeder, der verantwortlich ist bei Borussia Dortmund: Man hätte vielleicht vor einem Jahr dies oder jenes anders machen können. Aber vor drei Jahren stand man vor der gleichen Situation und hatte damit Erfolg, sportlichen Erfolg.

schwatzgelb.de: Und Präsident Niebaum hat ja jetzt selbst in der Zeitung und im Fernsehen gesagt, man hätte vielleicht doch etwas eher vorsichtiger sein müssen.

Gerd Pieper: Gut, im Nachhinein weiß man das alles besser. Gleichwohl bin ich absolut überzeugt, dass das nicht unseriös ist, sondern dass man im Sport halt auf Erfolg gesetzt hat. Der ist jetzt nicht eingetreten und jetzt entscheidet sich eigentlich, ob die Verantwortlichen für die Zukunft die richtigen Entscheidungen treffen. Auch unter Umständen damit, dass man – was die Qualität der Mannschaft angeht – eventuelle Abstriche machen muss. Aber unseriös wäre man erst jetzt, wenn es einem egal wäre, wie die Sache weiter läuft.

Man muss jetzt die richtigen Entscheidungen treffen und dann hoffe ich wenigstens, dass wir nicht von heute auf morgen, aber in naher Zukunft wieder zu einer sehr starken Mannschaft kommen. Das ist nicht ausgeschlossen, das sieht man an den Beispielen Stuttgart und Bremen, dass das möglich ist. Zumal die Dichte heute im Hochleistungssport, besonders im Fußball, sehr knapp geworden ist. Man wundert sich ja, dass Mannschaften, die sehr, sehr teuer sind, oft gar nicht viel besser dastehen als manche, die nur ein Viertel oder 20 % der Kosten verursachen. Und wir sehen ja auch in Italien und Spanien, dass sich Erfolg nicht immer erkaufen lässt.

schwatzgelb.de: Das ist ja eigentlich auch das Gute am Fußball, das Spannende.

Gerd Pieper: Das ist sicher das Spannende, dass man das letztendlich nicht vorhersagen kann. Also ich bin ja erst in der letzten Hauptversammlung im November in den Aufsichtsrat gewählt worden und meine erste Aufsichtsratssitzung im Februar war damit auch gleich die schwierigste Sitzung, die man sich vorstellen kann. Ich könnte also sagen, mit den ganzen Dingen vorher habe ich nichts zu tun gehabt, aber das will ich nicht, ganz im Gegenteil! Ich habe ja meine Bereitschaft erklärt, im Aufsichtsrat mitzuarbeiten, weil ich an die Zukunft von Borussia Dortmund glaube. Trotz aller Schwierigkeiten, die wir ja im Moment haben. Und ich habe auch im Moment absolutes Vertrauen zu den Führungskräften des Vereins, sei es Niebaum oder sei es Meier, und ich bin auch guten Mutes und hoffe sehr, dass wir da rauskommen.

Hier findet ihr den zweiten Teil des Interviews

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