Groundhopping "light" -Impressionen aus London-
Von September 2000 weilte ich für ein Jahr in London. Somit war klar, dass ich keine Spiele des BVBs besuchen konnte, also gab ich meine Dauerkarte einem Freund. Für mich stand schnell fest, was ich mit dem Geld mache: Mich wenig in Londons Fußballstadien umschauen.
Nachdem ich mich ein wenig eingelebt hatte, wollte ich den in Dortmund gefassten Entschluss in die Tat umsetzten, stellt jedoch schnell fest, das die 200 DM von meiner Südtribünen Karte mich nicht weit bringen würden, was sicherlich auch an dem ungünstigen Pfund Kurs lag (zwischen 3,20 DM und 3,45 DM musste ich schon für ein Pfund berappen). Ich schaute mich auf den Websites der Clubs oder auch diverser Ticket Shops nach Karten um, jedoch sah es für die Premier League Vereine schlecht aus. Außerdem fehlte mir der richtige Drive, mich alleine ins Fußballstadion zu begeben. Aber Anfang November traf ich Frieder, dem es ähnlich erging. Blutende Herzens musste er seine Dauerkarte für den SC Freiburg verleihen, das Geld sollte auf die selbe Art und Weise unters Volk gebracht werden. Somit lagen wir schnell auf einer Wellenlänge, was durch die gegenseitig Sympathie für den "Heimatverein" noch verstärkt wurde.
Loftus Road Stadium: QPR vs. Wolverhampton Wanderers
Kurze Zeit später sollte dann unser erstes Spiel folgen: Ein Besuch an der South Africa Road im Loftus Road Stadium der Queens Park Rangers lag an. Die Wahl fiel deshalb auf QPR, da diese zu diesem Zeitpunkt in der 1st Division, also der 2. Englischen Liga spielten. Die Premier League Spiel waren bis Weihnachten schon mehr oder weniger ausverkauft, die 1st Division hat in der Regel einen wesentlich geringeren Zuschauerzulauf. Außerdem war mir QPR noch aus seiner Premier League Zeit bekannt. Um kurz vor 2 trafen wir am Loftus Road Stadium ein. Das erste, was auffiel, waren die wenigen Menschen. Die Stadionbesucher in England gehen normalerweise erst eine viertel Stunde vor Anpfiff ins Stadion, vorher sitzt man zusammen in einem der umliegen Pubs, was gerade in London relativ einfach ist, da eigentlich alle Stadien mitten in Wohngebieten liegen. Hier stellt das Loftus Road Stadium noch eher eine Ausnahme dar, die Lage dort kann man noch am besten mir der des Hoesch Parks vergleichen.
An der Kasse traf uns dann der Schlag: 16 Pfund sollte die billigste Karte kosten, diese auch noch im Gästeblock mit "Partlially Obscured View". Bei der Frage nach Ermäßigungen grinste der Mensch im Kassenhäuschen, nur für Vereinmitglieder. Nun denn, nach kurzen Überlegung entschlossen wir uns, die rund 50 DM zu berappen, da die Alternative, Fulham zu weit weg lag. Außerdem ist dort auf den "billigen" Plätzen kein Dach vorhanden, was aber bei dem heftigen Regen doch angebracht war.Wir nahmen unser Plätze ein und bestaunten das Schmuckkästen. Das über rund 19.000 Sitzplätze verfügende Stadion ist auf jeden Fall einen Besuch Wert. Alle Tribünen sind 2 stockig, Ober und Unterrang überlappen mehr oder weniger vollständig. Dadurch ist das Stadion einfach nur super kompakt. Wir saßen in der vorletzten Reihe des Oberranges, waren aber Luftlinie keine 15m vom Torpfosten entfernt. Also "Fußball Pur". Die eingeschränkte Sicht, welche auf der Eintrittskarte angekündigt war, konnten wir nicht fest stellen. Einzig ein für England eher untypisches Fangnetz hinter dem Tor sollte die Sicht minimal einschränken.
Um kurz vor 3 füllte sich das Stadion dann allmählich, so dass zum Anstoß hin ungefähr jeder zweite Platz besetzt war. Wie gesagt, wir waren im Block der Gäste aus Wolverhampton untergebracht, die ihre Mannschaft durch einfallsreiche Gesänge auch relative gut unterstützten. Jedoch waren nicht viele Fans ihrer Mannschaft die ca. 2 Stunden Autofahrt gefolgt, so dass es nicht sehr laut war.
Da es zur Halbzeit schon 0:2 für die Gäste stand, wurden, wie in Dortmund, die Supporters von QPR nicht wirklich laut oder kreativ. Dies sollte sich aber schon beim Anschlusstreffer ändern, nach dem Ausgleich war es dann imposant. Es wurden kurze, laute Gesänge angestimmt, wo eigentlich bis auf die paar Gästefans jeder im Stadion mitgesungen hat. Wenn man bedenkt, dass nur ca. 10.000 Zuschauer da waren, reizt mich die Vorstellung, dieses Stadion einmal ausverkauft erleben zu dürfen!
Für die Zeit zwischen Weihnachten und Ostern war eigentlich ein Besuch bei Millwall geplant, doch leider war ich zu dieser Zeit ans Bett gefesselt, so dass ich hier nur kurz von Frieders Bericht erzählen kann: Zu dieser Zeit spielte Millwall noch in der 2nd Division (sie sind am Ende der Saison in die 1st Division aufgestiegen), so dass es überhaupt kein Problem war, dort Karten zu bekommen. Die Mannschaft spielt ebenfalls in einem recht schönen, kompakten Stadium, welches etwas mehr als 20.000 Sitze hat. Es herrscht ein recht rauer Ton im Stadion, jedoch haben sich die Probleme mit Holigans, die Millwall vor einiger Zeit noch hatte, stark gebessert.
West Ham vs. Leeds
Ende April, die Saison neigte sich dem Ende entgegen, sollte der Entspurt folgen. Das sportliche Highlight war sicherlich WestHam United gegen LeedsUnited. Leider sollte diese mein einziges Premier League Spiel sein, was aber angesichts des Preises auch verständlich ist: Der durchaus schlechte Platz (Lange Seite in Höhe der Eckfahne mit einem schönen Pfeiler im Sichtfeld) hat mit 38 Pfund mein Budget gesprengt. Leider sind die preiswerteren Karten, auch bei den anderen Premier League Clubs in London (Arsenal, Chelsea, Tottenham und jetzt auch Fulham) eigentlich immer ausverkauft, bevor sie in den Vorverkauf für Nicht-Mitglieder gehen. Wenn man jedoch Interesse an Premier League Spielen hat, sollte man sowohl auf den Websites der Vereine als auch bei Ticketmaster mal nachschauen, ob es noch Karten gibt. In England ist es übrigens üblich, dass Vereinsmitglieder ein Vorkaufsrecht für Eintrittsarten haben. Dauerkarteninhaber werden normalerweise beim Verkauf von Auswärtskarten ebenfalls Vorteile eingeräumt, außerdem gibt es in der Regel Auswärtsdauerkarten.
Zurück zu West Ham United. Wir saßen auf dem West Stand, der am Ende der Saison dem imposanten Dr. Martens Stand weichen musste. Die Bauarbeiten waren bereits im vollen Gange, so dass sich das Fassungsvermögen auf ca. 25.000 Plätze verringert hat. Das Spiel war Wochen im Voraus ausverkauft, wir versprachen uns also ne Super Stimmung. Das Wetter spielte ebenfalls mit, also beste Vorraussetzungen. Wie üblich war bis 15 Minute vor Spielbeginn nicht viel los im Stadion, doch als das Vereinslied angestimmt wurde, sangen bis auf die ca. 2500 Leeds Fans alle mit. Leider war das aber auch so ziemlich alles, was bis auf ein paar selten Anfeuerungsrufe von den West Ham Supporters kam. Auch hier war zu beobachten, dass die Luft nach dem ersten Gegentor raus war. Als dann Leeds völlig verdient das 0:2 geschossen hat, haben wenigstens die Leeds Fans ihr Team gefeiert.
Absolut sehenswert wurde es jedoch nach dem Spiel. Die Straße vor dem Stadion war gesperrt, so dass man sich nicht über den sehr engen Bürgersteig zur U-Bahn quälen musste. Dort angekommen, reihten wir uns in der ca. 150m langen Schlange hinten an! Typisch englisch eben: Man stellt sich überall in einer Schlange an! Queuen ist halt des Engländers liebstes Hobby. Nebenbei sei jedoch bemerkt, dass wir dieses als sehr angenehm empfanden. Wenn ich das mit dem Gedränge und Geschupste nach den BVB Heimspielen vergleiche.... Es wurde immer nur eine überschaubare Horde auf den U-Bahnsteig gelassen, so dass man dort keine Angst haben musste, auf den Gleisen zu landen.
Craven Cottage: Fulham vs. Wolverhampton
Nur 3 Tage später sollte mein schönster Stadionbesuch folgen: Wir machten uns auf zum Craven Cottage, dem 19.000-Plätze Stadion des Fulham Footbal Clubs. Dieses sehr alte und renovierungsbedürftige Stadion ist in vielerlei Hinsicht etwas Besonders. Eine Tribüne macht dem Namen "Cottage" alle Ehre: Sie ist, wie früher das gesamte Stadion im Landhaus-Stil gebaut. Sogar das Rebdach ist noch vorhanden. Das Stadion liegt direkt an der Themse, was auch einen Teil des Flairs ausmacht. Außerdem ist es das einzige Stadion in der 1st Division, welches über Stehplätze verfügt. Die beiden Tribünen hinter dem Tor sind reine Stehplatztribünen, die "Heim" Tribüne ist z.T. überdacht, die Gäste hingegen stehen im Zweifelsfall im Regen! Fulham, die zum damaligen Zeitpunkt schon als Aufsteiger in die Premier League feststanden, spielt auch in dieser Saison in diesem Stadion. Allerdings nur mit einer Ausnahmegenehmigung. Ende der Saison soll an selber Stelle ein neues Stadion gebaut werden, was dann den Auflagen der FA gerecht wird. Ich kann aber jedem nur ans Herz legen, wenn es irgend geht, noch in dieser Saison Craven Cottage zu besuchen! Es ist, auf jeden Fall eine Reise wert!
Da Fulham wie schon gesagt als Aufsteiger fest stand, war es schwierig an Karten zu kommen. Das Kontingent für die Fulham Fans war schon verkauft, jedoch gab es noch reichlich Karten im Gäste Block. Wie es der Zufall wollte, waren wieder die "Wölfe" aus Wolverhampton zu Gast. Wir fuhren also in den noblen Stadteil Fulham und wollten dort kurz vor Spielbeginn Karten kaufen. Was wir jedoch nicht wusste: Diese Spiel war als "All Ticket Match" angesetzt. Das bedeutet, dass alle 4.000 Gästekarten an den Auswärtsverein gehen und auch nur von diesem verkauft werden. Es gab also theoretisch noch weit über 3.500 Karten, aber das Stadion war de facto ausverkauft! Unser Glück: Es standen ca. 100 Wolverhampton Fans mit uns vor dem Stadion, die nach langem Hin und Her den Ordnungsdienst davon überzeugen konnten, uns doch noch Karten zu verkaufen.
So kamen wir ca. 15 Minuten nach dem Anpfiff doch noch ins Stadion. Schnell wurde klar, warum Fulham schon sehr früh als Aufsteiger fest stand, wir sahen hervorragenden Fußball. Aus meiner Sicht war das Spiel von Fulham besser, als das von Leeds oder West Ham. Außerdem gab es noch ein aus Borussen Sicht schönes Wiedersehen: Kalle Riedel stand bei Fulham auf dem Platz. An seiner Spielweise hatte sich eigentlich gar nichts verändert, er sorgte indirekt für die beiden Tore, denn er wurde 2 mal im Strafraum gefoult, die jeweils fälligen Strafstöße wurde sicher zum 2:0 Endstand verwandelt. Allerdings war der Support wieder einmal enttäuschend. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der Verein als Aufsteiger fest stand und 2:0 gewonnen hat.
Highbury: Arsenal vs. Barcelona
Schließlich sollte noch ein Besuch bei Arsenal folgen. Beim Stöbern nach anderen Eintrittskarten bei Ticketmaster sah ich, dass es noch Karten für das David Seaman Testimonial gab. Das Spiel sollte Ende Mai, also nach Ablauf der Saison statt finde, jedoch gegen keinen geringeren als den FC Barcelona. Es wurde nicht lange überlegt, vor allem bei dem Schnäppchenpreis von 13 Pfund! Nebenbei sei erklärt, dass jeder Spieler, der 10 Jahre bei einem Verein gespielt hat in England ein Testimonial bekommt. Die Einnahmen aus diesen Spielen fließen voll dem Spieler zu und es ist nicht üblich, dass diese gespendet werden (toll Lodda, oder?!?).
Highbury sollte also als letztes besucht werden. Diese Stadion liegt wirklich mitten in einem Wohngebiet, die Wände der Tribünen enden quasi mit den Hauswänden. Das Stadion hat 38.500 Plätze, was Arsenal zu wenig ist. Ein neues Stadion ist in Planung, jedoch gibt es aus Reihen der Anwohner massiven Widerstand. Allerdings ist auch dieses Stadion sehr kompakt und beeindruckend, die Räumlichkeiten unter der Tribüne, die für jeden zugänglich sind, erinnern an den Stammtischbereich im Westfalenstadion.
Das Spielgeschehen ist schnell erzählt: Man merkte deutlich, dass für Arsenal die Saison schon beendet war, Barcelona aber noch voll im Training stand. David Seaman musst also öfter als ihm sicherlich lieb war hinter sich greifen. Erschreckend war jedoch der Support: Er fand einfach nicht statt. Die Besucher saßen auf ihren Plätzen wie ein emotionsloser Premiere Zuschauer zu Hause auf seinem Sessel. Einzig beim "We hate ManU" wurde es laut, die David Seaman Rufe waren hingegen zaghaft. Und das bei gut 33.000 Zuschauern.....
Fazit
Die DFB Funktionäre betonen ja, dass in Deutschland 2006 und weit danach die modernsten Fußballstadion der Welt stehen werden. Dies ist kaum von der Hand zu weisen. Aber sind es auch die schönsten? 12 mehr oder weniger Multifunktionsarenen mit 40.000 Sitzplätzten und mehr. Die Medien werden sicherlich TOP Bedingungen vorfinden, den VIP's wird der Kaviar noch besser in ihren Boxen schmecken. Aber wo bleibt der Charme? Wie gesagt, Carven Cottage ist sicherlich nicht WM tauglich, aber es hat das gewisse etwas. Auch ein ultra kompaktes 19.000 Mann Stadion a la Loftus Road Stadium hat etwas für sich. Es war für mich auffällig, dass im "Palast" der von mir besuchten Stadien, Highbury, eigentlich nichts mehr von der typisch englischen Stimmung übrig geblieben ist! Wobei man auch Fairerweise sagen muss, dass der englische Support sicherlicht nicht immer seinen Vorschußlorbeeren gerecht wird. Aber für einen echten Groudhopper ist und bleibt England sicherlich ein Muss! London bietet mit seinen 13 Profi-Vereinen sicherlich einen hervorragende Auswahl, außerdem kann man sich die Zeit nach den Spielen durch den einen oder andern Club Besuch oder ähnliches versüßen. Diese Stadt ist immer einen Reise wert!
Wer noch mehr Photos von englischen Stadien sehen will, sollte mal bei www.footballgrounds.freeserve.co.uk vorbeischauen. Steward Walker hat eine beachtliche Sammlung zusammen gestellt, aus der ich mich bedienen durfte. Danke Steward!