Es gibt nur eine Borussia!
Der Tabellenzweite Borussia Dortmund war im Vorfeld des Heimspiels gegen den Mönchengladbacher Namensvetter nachdrücklich gewarnt. Denn seit sieben Jahren (zuletzt am 1. September 1995) gewann der BVB nicht mehr gegen den Westrivalen im heimischen Westfalenstadion, wo die Gladbacher sogar öfter gewannen als der BVB (10:9 Siege bei elf Unentschieden). Da hatte man sich logischerweise viel vorgenommen.
Die zudem seit sechs Pflichtspielen sieglosen Dortmunder konnten von Beginn an wieder auf Jan „Dino“ Koller zurückgreifen, der nach seiner Rot-Sperre - schmerzlich vermisst - ins Sturmzentrum zurückkehrte. Dagegen fehlten die beiden gelbgesperrten Kehl und Stevic. Evanilson war rechtzeitig aus Brasilien zurückgekehrt und konnte aufgeboten werden. Für „Eva“ sprach zudem, dass Gladbach mit Arie van Lent als zentrale Spitze, Lawrence Aidoo und Peter van Houdt zwei bewegliche, zurückhängende Außenstürmer direkt dahinter aufgeboten hatte. Und im Hinspiel beherrschte Evanilson van Houdt deutlich und war neben Philipp Laux sogar bester Mann auf dem Bökelberg. Matthias Sammer forderte zudem vor dem Borussen-Duell energisch von seiner Elf, dass jetzt die Ärmel hochgekrempelt werden müssen und Charakter und Moral zu zeigen wäre! Gladbach musste auf Küntzel (Knieverletzung) verzichten. Dafür kehrte Bernd Korzynietz für Daniel Felgenhauer „begnadigt“ in den Kader der Niederrheiner zurück, nachdem ihm Trainerfuchs Hans Meyer eine immerhin zweiwöchige Denkpause verordnet hatte. Die Karten waren also gemischt, denn für beide zählte in ihrer Tabellensituation nur ein Sieg!
Pro Stevic + Sörensen: Herz zeigen statt pfeifen!
Die Bude war gerammelt voll – ausverkauft wie immer, wenn diese beiden Teams aufeinandertreffen! Beste Voraussetzungen also, für ein schönes Fußballspiel. Und man merkte es auch am launigen Einsingen auf den Rängen: Auch diese schwatzgelben Borussenfreunde hatten sich viel vorgenommen! Die „Supporters Dortmund“ waren eigens zu diesem Zwecke in die den mittleren Teil der Südtribüne (Block 12/13) gewechselt und hatten sogar einen Repräsentanten vor die riesige Menschenwand entsandt, um den Fans noch mal ihr übles Verhalten vor Augen zu führen! Einzig das peinlich- ritualisierte Annimations- Programm des „Event- Managers“ passte nicht in diesen Rahmen und ist in dieser Form so absolut nicht mehr wünschenswert.
Gladbach hat Anstoß und es entwickelt sich sogleich ein munterer Schlagabtausch. Brasilianischer Leichtsinn bringt Oliseh in Schwierigkeiten und er muß foulen (4.) Aus dem Freistoss ergibt sich ein astreiner Konter, den Ewerthon nach gewonnenem Laufduell mit Münch beinahe frei vor Stiel nutzen kann. Aber der Schweizer pariert. Ja, es geht hier um viel. In der 7. Min. haut van Houdt „Metze“ in die Knochen, der sich aber gottlob schnell wieder bekrabbelt. Und dann ist es soweit: Tooooooooor für Dortmund. Der enorm spritzige Ewerthon rennt der ganzen Abwehr davon und sein zu weit vorgelegter Ball wird von Koller zwar angefordert, aber von einem grün- weißen Abwehrspieler eingelocht! Aber was schert das den Borussen?
Amoroso hat in der 13. Minute das 2. Tor auf dem Fuß, aber nach Ewerthons genialer Vorarbeit verzieht der Goalgetter aus 15 Metern. Gladbachs Trainer Meyer wechselt Peter Nielsen verletzungsbedingt aus und bringt „Kapitän“ Marcel Witezcek. In der 17. Minute der wieder einmal bärenstarke Wörnsi. Er tritt im Mittelfeld unwiderstehlich an und bedient mit einem Traumpass in die Spitze Ewerthon, aber die Rheinländer haben aufgepasst. Was auffällt: Borussia gewinnt in dieser frühen Phase die Zweikämpfe! Energisch werden die „Fohlen- Nachfolger“ bereits kurz nach der Ballannahme gestellt und erfolgreich bekämpft. Münch mäht „Metze“ nach einer sehenswerten Stafette an der Seitenlinie um und sieht zurecht dafür gelb (22.). Amoroso dribbelt erfolgreich gegen 3(!) Gladbacher an der Mittellinie. Dies auch ein Zeichen Dortmunder Überlegenheit. Und dabei spielt Borussia geduldig gegen den sich clever verschiebenden Sperrgürtel der Gäste auch mal „hintenrum.“ Dann wieder ein Aufschrei im weiten rund: Ewerthon und Amoroso zaubern wie in besten Tagen und Marcio natzt dann dreimal seinen Gegenspieler am 5´er – einmal zu viel (29.). Nur eine Minute später knallt „Rosa“ aus der 2. Reihe drauf, abgefälscht, drüber. In der 35. Minute dann schaut die Sonne vorbei und gestaltete das Spiel noch einen Tick freundlicher, was Jens Lehmann offenbar dazu ermuntert, eine harmlose Flanke von van Houdt aus den Armen gleiten zu lassen! Doch der Ball trisselt ins Aus! Glück gehabt. Dann Superpass mit dem Aussenrißt von „Rosa“ in den freien Raum, doch Amoroso kommt etwa einen Meter zu spät (38.). Warum allerdings in dieser Phase des Spiels wieder einmal die Südtribüne schweigt, ist nicht zu verstehen! Dabei täte jetzt ein „warmer Schub“ von den Rängen den Jungs sicher gut! Die tief gestaffelten Gäste jedenfalls werden pausenlos von ca. 5000 Kehlen angefeuert. Aufregung in der 42. Minute: Amoroso – von Koller schön freigespielt – gewinnt das Laufduell gegen Marcello Pletsch, dringt zielsicher in den Strafraum ein und kommt plötzlich zu Fall. War es Elfmeter? Die BVB-Fans jedenfalls sind aufgebracht, als Gagelmann zur Verwunderung aller auf Freistoß für Gladbach entscheidet! Diese 1. Hälfte jedenfalls geht ganz klar an die Gastgeber.
Unglücksrabe Dedé
Borussia kommt ohne Christoph Metzelder aus der Kabine, der sich offenbar doch schwerer verletzt hatte. Nach dem Spiel hieß es, er hatte einen Tritt von hinten bekommen und musste wegen Verdacht auf Schienbeinprellung und muskulären Problemen passen. Sammer war in der Pressekonferenz besorgt um "Metze" und geht davon aus, dass er am kommenden Donnerstag in Liberec nicht spielen kann.
Zurück zur 2. Halbzeit: Für Metzelder stürmt fortan Otto Addo. Doch bevor es richtig losgehen kann, jubelt die „falsche“ Borussia! Eine Flanke von van Lent vollstreckt ausgerechnet Leonardo Dedé zielsicher und unhaltbar für Lehmann ins eigene Netz! 1:1, unfassbar! Entsetzendes Lähmen in den Spielergesichtern, was natürlich unmittelbar Auswirkungen auf das Spiel der Schwatzgelben hat! Ewerthons Maßflanke nimmt Amoroso direkt ab und verzieht knapp! Nur eine Minute später stehen die Fans wieder auf den Sitzen, denn er tanzt die ganze Abwehr und Keeper Stiel aus, aber irgend ein Bein ist wieder dazwischen! Ein Aufschrei ohne Jubel. Der Knipser trifft nicht mehr! Zumindest die Südtribüne ist jetzt wieder da! Chancen im Minutentakt. Ewerthon nach Amoroso-Absatzkick, Stiel lenkt drüber! Wieder Ecke, die 3. in Folge. Oliseh bringt grad mal einen Roller auf´s Tor. Jetzt ist es ein schön anzusehender Kick. Für die Gäste vom Bökelberg ist das Spiel natürlich jetzt leichter, können sie doch jetzt ihr Konterspiel aufziehen, für das dieser Verein vor 30 Jahren mal in ganz Europa gerühmt wurde!
Man merkt der Dortmunder Borussen-Mannschaft das Bemühen an, die Punkte hier behalten zu wollen. In der 62. Minute dann ist Herr Gagelmann genötigt, in einer Konzessionsentscheidung auf den Punkt zu zeigen, als wieder Amoroso im Laufduell zu Fall kommt. Der gefoulte tritt selbst an und behält einmal mehr eiskalt die Nerven. Der BVB ist wieder obenauf und Hektik hält Einzug! So kommt der zottelige Stiel einmal mehr 40(!) Meter aus dem Tor gerannt, als sich Koller bei Kopfballspiel harmlos aufstützt. Und Gladbach wirft jetzt wütend seine Offensivabteilung an. Arie van Lent wirft sich in ein Kopfballtorpedo – kommt aber nicht ran. Auch nach beinahe 70 Minuten bleibt es spannend. Dann kommt er, der Shootingstar des Sonntagspiels: David Odonkor! Dafür geht ein hervorragender Henrique Ewerthon raus, der qualmende Schuhsohlen gehabt haben muß! In der 70.Minute schießt Hausweiler knapp vorbei und im Gegenzug demonstriert Oliseh einmal mehr sein Schüsschenqualitäten für Rollerbälle...
Schlussspurt. Borussia hat hier und da zwar Chancen, allerdings keine Zwingenden. Allein Koller versiebt in der 74 und 75. Minute zweimal im Strafraum. Dann nur 2 Minuten später allerdings, staubt der „Dino“ einen verunglückten Schuß von „Amo“ aus zwei Metern zur Vorentscheidung ab! Zuvor hatte Tomas Rosicky in seiner besten Szene einen 30 Meter Zuckerpass auf Odonkor gespielt, der mit seiner irrsinnigen Schnelligkeit den herauslaufenden Stiel vor schwerste Nöte stellte. Nach seinem Abklatschen war dann Davids clevere Hereingabe leichte Beute. Als dann Bayerns Führung im Stadtderby eingeblendet wurde, sangen die Gäste das Beliebte: „Ihr werdet nie Deutscher Meister“, was sicherlich als realitätsferne Trotzreaktion dafür herhalten musste, dass man in diesem Jahr die Punkte aus Dortmund eben nicht - wie gewohnt – auf dem Silberblatt geschenkt gekriegt bekam!
Fazit:
Der BVB hat sich achtbar zurückgekämpft und hält weiterhin alle Trümpfe in der Hand im Kampf um die 6. Deutsche Meisterschaft. Imponierend war, dass die Mannschaft endlich mal wieder als „Einheit“ aufgetreten ist und kämpferisch als Kollektiv überzeugte. So kann man denn nun gestärkt nach Tschechien fahren, um den ganz großen Wurf vom Halbfinale Wahr werden zu lassen! Die Mannschaft von Matthias Sammer scheint sich gerade noch einmal rechtzeitig selbst am eigenen Schopf aus der Misere gezogen zu haben.
Trainerstimmen:
Hans Meyer:
Es steht mir nicht zu über unsern Gegner zu sprechen. Wir haben nicht gut
gespielt und hatten Angst. Wir haben den Dortmundern den Platz überlassen in
diesem schönen Stadion vor dieser tollen Kulisse. Warum weiß ich auch nicht. Da
muß mir keiner was erzählen, wenn diese Mannschaft mal 1:1 spielt gegen St.
Pauli, wenn die hier mal ein Tor machen, spielen sie sich in einen Rausch.
Matthias Sammer:
Ich hab´s genauso gesehen. Wir haben die ersten 30 Minuten engagiert und
druckvoll gespielt. Weniger gefallen hat mir die nachlassende Zielstrebigkeit.
Ich wusste nicht, wie die Situation nach dem blöden Gegentor sein würde. Da habe
ich mich gefragt: Wie verhält sich jetzt die Mannschaft? Und sie kam zurück! Ich
kann nicht verhehlen, dass ich darauf stolz bin - mehr als ich sonst zugebe.
Aufstellung und Noten:
Aufstellung: Lehmann (3), Wörns (2), Evanilson (3), Reuter (3), Oliseh (4) Metzelder (3) ab 45. Addo (4), Dede (3), Rosicky(4), Ewerthon (2), Koller (4), Amoroso (2,5) Odonkor ( - )
Schiedsrichter: Peter Gagelmann (3)
Assistenten: Matthias Anklam, Sönke Glindemann
Zuschauer: 69.000 (ausverkauft)