Neues aus Block 11 - Aus dem Tagebuch eines Fußball-Junkies, oder: Nie mehr Champions League! Nie mehr, nie mehr!
Samstag Fußball, Dienstag Fußball, Samstag Fußball, Mittwoch Fußball - Englische Wochen nennt man das: Stress für Spieler, sagen Trainer, Manager und Vereinspräsidenten. Und entschuldigen damit gerne, dass die Helden in Schwatzgelb gelegentlich etwas planlos über den Platz stolpern, gegen ostwestfälische Provinzkicker den Ball nicht in den Kasten bekommen, gegen den Phillips Sport-Verein trotz bester Chancen keinen Dreier machen oder sogenannte Arbeitssiege landen. Das sind die Spiele, die so unterhaltsam sind, dass man sich nach dem Abpfiff ernsthaft fragt, warum man nicht zuhause geblieben ist und mit den Kindern die Biene Maja gekuckt hat: ist auch schwatzgelb und erheblich spannender.
Soweit zum kickenden Personal. Aber wer denkt eigentlich an die Fans; die Süchtigen, die keine Sekunde verpassen können, wenn die Kugel bei einem noch so langweiligen Kick über einen noch so holprigen Rasen kullert?
Samstag, 26. Oktober: Werder Bremen - BVB
Familienfeier - und die Schwiegermutter meint, das Radio stört beim Kaffeetrinken. Naja, da ist was dran: Wenn die Stimme von Sabine Töpperwien aus Leverkusen gellt, dann ist das für das gute Kaffeegeschirr von Erbtante Wilhelmine schon eine echte Gefahr. Bekommt die eigentlich von Bayer Provision, weil sie den Aspirinabsatz nach oben treibt? Verbringe den Nachmittag im Auto. Die Scheiben bleiben erstaunlicherweise heil. Auf dem Nachhauseweg missbilligende Blicke von meiner Begleiterin.
Mist, Spätschicht: Um halb sieben bekomme ich plötzlich Magenkrämpfe. Mir wird schwatzgelb vor Augen. Wanke zum Auto. Weiß nicht, wohin ich fahre. Die Übelkeit lässt erst nach, als ich das erste Bier unter der Südtribüne trinke, der Blick klärt sich beim Anpfiff. Beim Herausgehen meinen Chef unter der Haupttribüne getroffen. Warum können Sitzplatzkarteninhaber nicht während des Spiels so viel Stimmung machen? Aber da hört man nix.
Die Frau an meiner Seite hat vorgeschlagen, das lange Wochenende zu nutzen und am Freitag wegzufahren. Hole mir einen fürchterlichen Schnupfen, als ich nachts die Verteilerkappe am Auto abziehe. Haustür zugefallen und Schlüssel in der Jacke. Hätte doch nicht im Schlafanzug gehen sollen. Am Samstag springt das Auto pünktlich um 13.30 Uhr plötzlich wieder an. Tja, die moderne Technik. Man steckt nicht drin? Hab einen Termin beim Therapeuten. Wegen Schlafwandelns.
Wie erklärt man dem besten Freund, dass man ausgerechnet an seinem Geburtstag das obligatorische Ausscheiden aus dem Pokal mitverfolgen muss? Am besten gar nicht: Fernseher an und durch...
Einladung zum Kaffeetrinken bei meinem Chef. Kann der sich noch nicht `mal Premiere leisten? Schleiche mich um kurz vor fünf zum Radio in die Küche - und habe eine Minute später den Kaffee auf. Will niemanden mehr sehen. Mein Chef empfindet genau so - zumindest was mich angeht.
Die Kinder wollen unbedingt ins Kino, Kindervorstellung am Nachmittag. Irgendwas mit Monstern. Spielt da der Assauer mit? Oder der Hoeneß? Hab´ irgendwas falsch gemacht bei der Erziehung. Gehe vorher noch schnell Zigaretten holen und bin um 19 Uhr schon wieder da. Ich versteh´ die ganze Aufregung nicht. Manche kommen erst nach Jahren wieder und bei mir das Theater wegen der paar Minuten...
Hab´ die spielfreie Woche genutzt: Frau und Kinder sind wieder da. Benjamin Blümchen statt BVB, Ronald McDonald statt ran. Erst bei Spätfilm statt Sportstudio ist Schluss. Mit zitternden Fingern den Videotext eingeschaltet, während die Wohnungstür ins Schloss knallt. Geb´mir voll die Kante: Sportstudio auf 3sat, "Bundesliga pur", "Doppelpass" und "Hattrick 2. Liga". Und zum Abschluss noch "La Ola". Wann ist endlich Winterpause?
Der Schal und das Rosicky-Trikot müssten dringend `mal gewaschen werden. Hatte leider keine Ahnung wie die Waschmaschine funktioniert. Egal, ist seit drei Tagen sowieso weg, genau wie der Fernseher. Habe fast meinen Ex-Chef getroffen. Die Frikadelle war mir aber dann doch zu schade. Wer weiß, wann mir wieder jemand eine ausgibt.
Der Kühlschrank ist leer, der Fernseher weg und das Radio kaputt. Ich hocke unter meiner Decke und versuche, mit dem Feldstecher beim Nachbarn gegenüber "ran" zu sehen. Ich seh´ wie Koller auf Ewerthon passt. Ich seh´ wie Ewerthon den Torwart aussteigen lässt. Ich seh´ wie er den Ball ins leere Gehäuse schieben will. Ich seh´ wie die Rollade `runterfällt. Neeeeiiiin! Es reicht! Nie wieder Fußball!!!!