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Die schwatzgelb.de WM-Kolumne 2002 - Teil 6: Morgengrauen, Episode IV

16.06.2002, 00:00 Uhr von:  Julia
Die schwatzgelb.de WM-Kolumne 2002 - Teil 6: Morgengrauen, Episode IV
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Morgens, zehn nach acht in Deutschland. Der Ansturm beim Bäcker ist so groß wie sonst nur an Weihnachten und Ostern. Eine erhitzte Atmosphäre ist schon an der Eingangstür zu spüren. So ein Mist. Noch 20 Minuten bis zum Anstoß der Achtelfinalbegegnung Deutschland gegen Paraguay und ich bin wohl nicht die einzige, die diese grandiose Idee mit dem gemütlichen WM-Frühstück für die ganze Familie hatte.

So wird das jedenfalls nichts. Schnell zur Tanke, da sind die Brötchen zwar nicht so gut, aber wen stört das schon, wenn unsere Jungs in Südkorea für Volk und Vaterland kämpfen? Doch der sonst so zuverlässige Tankwart lässt mich heute im Stich. Alle Brötchen ausverkauft. Zum Glück gibt's bei dem schlechtesten Bäcker der Region gleich nebenan noch ein paar harte Kanten zu ersteigern.

Jetzt aber schnell nach Hause. Puh, gerade noch geschafft. Die Partie läuft erst seit 20 Sekunden und alles, was ich verpasst habe, ist das "Guten Morgen allerseits" von unserem Heribert. Beruhigend zu wissen, dass das obligatorische "Hüben wie drüben" meines Lieblingskommentators bestimmt nicht lange auf sich warten lässt. Zum Glück hat Oma die schwatzgelben Kaffeetassen schon bereit gestellt und etwas verschlafen findet sich auch der Rest der Familie vor dem Fernseher ein. Jetzt kann's los gehen. Irgendwie scheint Rudis Truppe das auf dem Platz aber noch nicht so richtig mitbekommen zu haben. Dabei ist es bei denen doch schon Nachmittag. Da hetzte ich mich im frühen Morgengrauen für Deutschland ab, um die günstigste Ausgangsposition für das Spiel zu schaffen und was machen die müden "Daitschen"? Nix. Unglaublich. Kein Pass kommt an und von genialen Spielzügen aus der Viererkette heraus ist auch nicht viel zu sehen. Nicht zu glauben, mein Bruder schläfst sogar wieder ein.

Doch da, das erste Highlight nach 15 Minuten: Mein Nachbar brettert mit einer armseligen Tüte Brötchen unterm Arm die Straße entlang und stürmt ins Haus. Pah, der hätte mal eher aufstehen sollen. Geschieht ihm Recht, dem alten Bayern-Schwein. Doch auch unser Heribert trägt zu einer munteren Unterhaltung am frühen Morgen bei. Zwar scheint er sich nicht sicher zu sein, ob die Herren in rot-weiß Paraguayer, Paraguayaner oder Paraguayos sind, aber gut, wenn man Alternativen hat. Das gilt auch für Rudi. Als Marko Rehmer nach der ersten
Halbzeit endlich das Spielfeld verlässt und unser schwatzgelber Sebastian Kehl auf den Platz stürmt, kann es nur besser werden. Tatsächlich: Nach 53 Minuten schreit Heribert wie verrückt: "TOR". Doch was Oma und meinen Bruder aus dem Halbschlaf hochschrecken lässt, ist wohl nur eine Folge der immer deutlicher auftretenden Sehschwäche des Kommentators. Der Ball ist am Tor vorbei geflogen. Naja, wir sind ja einiges gewohnt. Wenige Minuten vorher hatte unser Vorzeige-Moderator schon Bernd Schneider mit Miroslav Klose verwechselt.

Dem Spiel jedenfalls schadet das auch nicht mehr. Alle warten auf die Erlösung. Noch mal schnell ein Marmeladen-Sandwich zur Stärkung, das muss doch helfen. So langsam meint aber auch Oma, dass das Spiel wohl in die Verlängerung geht. Denkste! Abschlag Kahn, irgendwie kommt der Ball auf Oliver Neuville (huch, der spielt auch mit? Hab ich gar nicht gemerkt) und TOOOOOOOOOOOOOOOOOOR. Hab ich's doch gewusst! Wir werden Weltmeister!

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