Im Gespräch mit...

...Marcel Raducanu: Der mit dem Ball tanzt(e)...

10.10.2000, 13:00 Uhr von:  Sebi
...Marcel Raducanu: Der mit dem Ball tanzt(e)...

Im Interview: Marcel Raducanu, der von 1982 bis 1988 für den BVB aktiv war, insgesamt 163 Spiele bestritt und 31 Tore erzielte. Früher war er als Filigrantechniker und Spielmacher des BVB bekannt, der wie kaum ein Zweiter mit dem Ball umgehen konnte.



Doch was macht der mittlerweile 46-jährige heute, nachdem er 1991 verletzungsbedingt seine Karriere beim FC Zürich beenden mußte? Was denkt er als Ex-Borusse und BVB-Mitglied über die aktuelle Mannschaft und ihren Trainer?

schwatzgelb: In welcher Form bist Du auch heute noch dem Fußball verbunden?

Raducanu: Nachdem ich 1991 in Zürich aufgrund einer Bandscheibenverletzung meine Karriere leider beenden mußte, kehrte ich nach Dortmund zurück. Ich hatte dabei darauf spekuliert, als langjähriger BVB-Spieler in irgendeiner Weise in den Verein integriert zu werden. Das war aber leider nicht der Fall. Nach einiger Zeit habe ich dann bei Lüdenscheid in der Oberliga einen Comeback-Versuch gewagt. Doch schon nach drei Spielen war klar, dass ich aufgrund der Verletzungen keinen ernsthaften Fußball mehr spielen konnte. Zumal im Amateurbereich ja sehr, sehr hart gespielt wird. So eröffnete ich dann 1994 meine heute noch existierende Fußballschule in Dortmund. Darüberhinaus habe ich 1993 meinen Trainerschein in Köln gemacht. Und nicht zu vergessen sind zahlreiche Einsätze in verschiedenen Prominententeams.

schwatzgelb: Ist es Zufall, dass Du gerade nach Dortmund zurückgekehrt bist oder noch eine gewisse Verbundenheit? Immerhin hast Du 6 Jahre lang in Dortmund gespielt.

Raducanu: An Zufälle glaube ich sowieso schon mal nicht. Es war einfach so, dass ich in Zürich ohnehin etwas unter Druck stand und meine Wohnung wegen einer Neuverpflichtung aus Brasilien räumen mußte. Ich zog daraufhin, eben auch auf einen Platz beim BVB spekulierend, nach Dortmund. Daraus wurde, wie erwähnt, aber nichts und so kam ich auf die Idee mit der Fußballschule. Von Vorteil war da ohne Zweifel, dass ich in Dortmund noch einen prominenten Namen hatte.

schwatzgelb: Apropos Fußballschule: Stimmt es, dass Du der Entdecker oder einer der Mitentdecker von Francis Bugri warst?

Raducanu: In gewisser Weise schon. 1993 fiel mir sein großes Talent bei einem Nike-Trainingscamp in Portugal auf. Nach mehrmaliger Beobachtung in Kassel habe ich ihn dann 1994 sofort zu meiner Fußballschule geholt. Dort trainierte er etwa 4-5 Monate mit und überzeugte dermaßen, dass ich ihn sofort zum BVB geschickt habe. Eine nette Anekdote ist dabei, dass er mich nach einigen Tagen auf Rumänisch ansprach. Ich reagierte darauf natürlich sehr verwundert und er erklärte mir, dass seine Mutter ebenfalls aus Rumänien sei.

schwatzgelb: Macht Dich seine Entwicklung in gewisser Weise auch stolz? Auch wenn es zur Zeit mit ihm etwas bergab geht, zumal er im Moment ja auch noch verletzt ist.

Raducanu: Eindeutig ja. Denn das ist ja immerhin auch gut für das Image unserer Fußballschule. Aber seine jetzige Situation beim BVB halte ich für sehr problematisch. Denn momentan hat er ja keine Perspektive, in die erste Mannschaft zu kommen. Und bei dem für mich sehr schwachen Niveau der Regionalliga bietet ihm diese auch kaum eine Chance, sich weiterzuentwickeln. Wenn er also kurzfristig keine Spieleinsätze in der ersten Mannschaft bekommen kann, sollte man vielleicht darüber nachdenken ihn auszuleihen.

schwatzgelb: Noch eine weitere Frage zu Deiner Fußballschule: Inwieweit unterscheidet sich dort die Arbeit zu der im Vereinsfußball? Im Umkehrschluß: Welche Schwächen siehst Du dort?

Raducanu: Die Arbeit mit dem Ball kommt im Verein einfach zu kurz. Deswegen besteht das Traningsprogramm bei mir eben nur aus Ballarbeit, um die Technik individuell weiter zu schulen. Das Problem ist halt, dass nicht ich mir die Kinder aussuchen kann, was heißt, dass ich nicht unbedingt mit den größten Talenten trainiere. Aber ich denke einfach, dass es eine optimale Ergänzung darstellt, wenn bei mir vor allem die Technik geschult wird. Die Kondition und Fitneß holen sie sich dann eben im Vereinstraining und vor allem beim Spiel.

schwatzgelb: Natürlich dürfen auch ein paar Fragen zum BVB nicht fehlen. Wo siehst Du denn die größten Schwächen der aktuellen BVB-Mannschaft?

Raducanu: Traurig ist für mich vor allem, dass man zu Hause die Zuschauer bisher sehr enttäuscht hat. Während man Auswärts unerwartete Siege eingefahren hat, kam in den Heimspielen bisher natürlich viel zu wenig. Auch wenn das eine generelle Tendenz in der Bundesliga ist, macht man sich das Leben so sicherlich selbst schwer. Im Kader bestehen für mich Mängel zum Beispiel im Sturm. Auch wenn Heiko Herrlich einen Lauf hat und Fredi Bobic wieder fit ist und endlich mal richtig gut drauf zu sein scheint, könnten dort noch Probleme entstehen. Und eben das bekannte Problem im Mittelfeld.

schwatzgelb: Was heißt das konkreter?

Raducanu: System hin oder her, es fehlt halt ein richtiger Spielmacher. Ich hatte nach Möllers Weggang gehofft, dass da ein neuer Mann geholt wird. Insgesamt verstärkte man sich aber nicht so stark. Oliseh halte ich zwar für einen guten Fußballer, aber ein Spielmacher ist er eben auch nicht. Und was erst, wenn er auch noch verletzt ist? Auf Ricken ruhten vor der Saison mal wieder viele Hoffnungen, wie seit Jahren. Aber er tut sich eben immer noch schwer. Vielleicht passiert dort aber schon in der Winterpause etwas, nachdem der Börsengang feststeht.

schwatzgelb: Gehst Du tatsächlich davon aus, dass schon in der Winterpause etwas passiert und nicht erst im Sommer?

Raducanu: Meiner Meinung nach muss eben schon etwas passieren. Jetzt spielt man zwar noch nicht international und hat keine Doppelbelastung, aber ich gehe davon aus, dass 1-2 neue Leute verpflichtet werden. Insbesondere halt, um die spielerische Armut im Mittelfeld beheben zu können.

schwatzgelb: Willst Du nicht manchmal, wenn Du Dir die "Spielkünste" eines Micky Stevic ansehen mußt, wieder selbst die Schuhe anziehen?

Raducanu: Natürlich reizt es einen manchmal schon. Aber meine Zeit ist halt vorbei. Und man muss auch sehen, dass Micky mit seiner Erfahrung schon wichtig für das Team ist. Denn er macht die Räume gut zu und hilft dem BVB eben mit seiner Zweikampfstärke weiter. Man muss nur immer bedenken, dass er einfach kein Spielmacher ist. Anders als ich. Ich habe es eher mit meiner Technik, den Pässen und den Dribblings gemacht.

schwatzgelb: Was hältst Du denn von dem neuen Coach Matthias Sammer?

Raducanu: Sehr viel! Endlich ein Trainer, der auch im Team richtig akzeptiert wird. Er kommt schließlich aus dem Fußball und hat dort vor allem eine Menge geleistet. Sowohl beim BVB, als auch in der Nationalmannschaft. Und ganz unerfahren kam er ja auch nicht. Er hatte eine kurze Probezeit bei Lattek und war schließlich auch oft in Leverkusen bei Christoph Daum. Er scheint jetzt schon auf dem richtigen Weg. Bleibt nur zu hoffen, dass der Vorstand auch in schlechten Zeiten zu ihn steht.

schwatzgelb: Du denkst also er könnte langfristigen Erfolg beim BVB haben?

Raducanu: Absolut! Gerade nach dem guten Start, der mich zugegebenermaßen sehr überrascht hat. Jetzt muss aber weiter gepunktet werden. Wobei ich sogar meine, dass die Art und Weise völlig im Hintergrund stehen darf. Auch wenn man natürlich viel lieber einen stark aufspielenden BVB sehen will. Aber dafür bräuchten sie halt Typen wie mich...

schwatzgelb: Was hast Du gedacht, als Du von Möllers Wechsel zu Sch***e erfahren hast?

Raducanu: Ich war, wie auch alle anderen, natürlich sehr überrascht, dass er gerade dahin gewechselt ist. Aber er muss ja selbst wissen, was er getan hat. Und wenn er dort glücklich wird, warum nicht? Zur Zeit scheint es ja auch der Fall zu sein. Allerdings ist es auch nicht schwer mit zwei solchen Stürmern. Was hätte ich darum gegeben, wenn ich zu meiner Zeit zwei solche Stürmer an meiner Seite gehabt hätte? Aber ich bin davon überzeugt, dass er nach zwei, drei schlechten Spielen des Teams und von ihm wieder ausgepfiffen wird.

schwatzgelb: Wäre eine Wechsel zu Sch***e für Dich in Frage gekommen?

Raducanu: Na ja, man kann es nie ganz ausschließen. Fußball ist halt mittlerweile ein Geschäft, in dem es ums Geld geht. Und Andy ging jetzt zum Beispiel dorthin, wo es das meiste Geld gab. Wenn ich aber zu ihm noch kurz etwas sagen darf: Es ist sehr schade, dass bei seiner Klasse so wenig rausgekommen ist. Eigentlich müsste er schon weit über 100 Länderspiele gemacht haben. Aber bei ihm folgen nach einem Weltklassespiel 4-5 schlechte Spiele. Bei seinem Potential müßte es aber genau anders herum sein!

schwatzgelb: Noch eine aktuelle Frage, an der man nicht vorbeikann: Was denkt Du über die Schlammschlacht zwischen Hoeneß und Daum?

Raducanu: Das ist natürlich eine sehr unschöne Geschichte, die dem deutschen Fußball international Schaden zufügen wird und mit dem Fußball den Hauptverlierer haben wird. Und vor allem auch Daum wird darunter zu leiden haben. Unabhängig davon, ob er sich was hat zu Schulden kommen lassen. Es hätte intern geklärt werden müssen. Das wird aber noch der alte Haß von Hoeneß, beruhend auf den Vorfällen im Aktuellen Sportstudio, in dem es fast zu Handgreiflichkeiten zwischen den beiden gekommen wäre, sein. Dazu war Daum ja in den letzten Jahren sehr erfolgreich. Was ich gar nicht verstehen kann, ist, wieso er die Bedenken nicht schon vor Monaten geäußert hat. Denn von heute auf morgen hat er sie sicherlich nicht bekommen. Wie gesagt: Alles sehr merkwürdig, und wenn ich heute täglich die Verrohung der Sitten erlebe, bin ich froh, das ich eigentlich doch eine schöne Zeit bei Borussia hatte. Immerhin sind wir 1986 nur nicht abgestiegen, weil ich das einzige Kopfballtor meiner Karriere gemacht habe...

schwatzgelb: Marcel, vielen Dank für das Interview

Mehr Infos zu Marcel Raducanu findet ihr hier.

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