Unsa Senf

Die Schiedsrichter in der Bundesliga Regeln sind dafür da, um sie anzuwenden

27.01.2025, 12:16 Uhr von:  Sascha  
Der ehemalige Schiedsrichter Wolfgang Stark in Großaufnahme. Eine Hand liegt auf der Hüfte, die andere ist ausgestreckt und zeigt mit dem Finger auf einen Punkt. Er trägt Kopfhörer und ein rotes Hemd

Jahr für Jahr kündigen Schiedsrichter an, welchem Regelverstoß man in der kommenden Saison ganz besonders den Kampf ansagen will. In der Umsetzung verlaufen derartige Bemühungen allerdings schnell im Sande. Selbst wenn es zu ihrem eigenen Wohl wäre.

Es gehört zu den Kuriositäten des Fußballs, dass es ein ziemlich umfangreiches Regelwerk gibt, sowie Schiedsrichter, die deren Umsetzung gewährleisten sollen – und trotzdem einige Regeln nahezu nie angewendet werden. Zu den bekanntesten dieser, oft zu Unrecht, verschmähten Regeln gehört zum Beispiel die Sechs-Sekunden-Regel. Darf ein Torwart gemäß dieser Regel den Ball nicht länger als sechs Sekunden mit den Händen kontrollieren, bleibt in der Praxis eine Überziehung um das Drei- oder Vierfache ungeahndet. Mittlerweile hat diese arme, einsame Regel allerdings Gesellschaft bekommen und man fragt sich, nach welchen Kriterien die Schiedsrichter entscheiden, welche Paragraphen es wert sind, befolgt zu werden und welche nicht.

Mittlerweile ist es fast zu einem Running Gag verkommen, dass die Schiedsrichterleitung zu Saisonbeginn verkündet, worauf man in Zukunft ganz besonders achten und gegen welche Regelverstöße man mit aller Härte vorgehen will. Aus der Vergangenheit seien hier Spielverzögerungen und Respektlosigkeit gegenüber den Schiedsrichtern erwähnt. In der Folge passiert immer das Gleiche: in den ersten fünf, sechs Spielen einer Saison wird dieses Fehlverhalten sanktioniert, anschließend beschließt die Schiedsrichterzunft unisono, dass ihr das wieder recht herzlich egal sein kann. Allen BVB-Fans fällt da direkt die gelb-rote Karte von Deniz Aytekin für Mo Dahoud ein, weil der nach einer aus seiner Sicht falschen Entscheidung abfällig abgewunken hat. Der Umstand, dass einem für die Anwendung dieser Regel direkt eine Szene aus 2021 in den Sinn kommt, zeigt wie stringent sie umgesetzt wurde. Es wird schließlich niemand behaupten wollen, dass dieses statuierte Exempel für Angst und Schrecken bei den Kickern gesorgt hat und sie deshalb danach derartige Gesten unterlassen haben.

Mo Dahoud in Großaufnahme. Er ist die einzige Person auf dem Bild, der Hintergrund ist unscharf. Er steht auf dem Fußballplatz und hebt den rechten Arm angewinkelt auf Brusthöhe.  Das Trikot ist schwarz, die Hose gelb

Gleiches gilt auch für die Ankündigung, Spielverzögerung bekämpfen zu wollen. Nahezu alle Fans würden es befürworten, wenn diese Unsitte, den Ball nach einem Freistoßpfiff wegzutragen oder sich direkt davor zu stellen, um eine schnelle Ausführung zu unterbinden, verschwinden würde. Einzig und allein Knut Kirchers Sanktionierungsbrigade verweigert sich beharrlich, hier tätig zu werden. Dabei wäre es wohl relativ leicht, den Spielern dieses Verhalten auszutreiben. Über eine längere Zeit konsequent angewendet, überlegen es sich die Kicker zwei Mal, ob es das wirklich wert ist, wenn auch mehr als nur ein Einziger deswegen mit einer gelb-roten Karte vorzeitig unter die Dusche geschickt wird. Und ganz vielleicht wirken die Vereine auch auf ihre Mannschaften ein, diese Unsportlichkeit zu unterlassen, nachdem sie mehrere Punkte in Unterzahl abgegeben haben.

Kapitänsregel? War da mal was?

Die zu Beginn dieser Saison neu übernommene „Kapitänsregel“ gibt dem Ganzen allerdings eine neue Dimension. Bei der EM 2024 testete die UEFA eine Regel, nach der nur noch der Mannschaftskapitän, oder dessen Vertreter, falls der Kapitän der Torwart sein sollte, auf dem Platz das Gespräch mit dem Spielleiter suchen darf. Andere Spieler, die vehement auf den Schiedsrichter einzureden versuchten, erhielten die gelbe Karte. Dem DFB schienen diese Regel und der Schutz der Schiedsrichter so wichtig zu sein, dass sie direkt für die aktuelle Saison übernommen wurde. Nahezu jedes Spiel des FC Bayern München ist ein guter Nachweis für die Sinnhaftigkeit dieser Idee. In vielen anderen Sportarten werden Entscheidungen der Leitung akzeptiert, beim Profifußball versammelt sich regelmäßig eine Spielertraube um den Schiedsrichter, die wild gestikulierend auf ihn einredet. Wie wohltuend es für diese Zunft es gewesen sein muss, endlich ein Werkzeug an die Hand zu bekommen, mit dem man für Ruhe und Ordnung sorgen kann. Sollte man zumindest meinen.

Die Realität sieht leider wieder anders aus. Nach einer halbherzigen Umsetzung zu Saisonstart müssen die Spieler schon wieder mit Fackeln und Mistgabeln um die Schiedsrichter herumstehen, um ihn zu einer Sanktionierung zu nötigen. Warum dem so ist, erscheint vollkommen schleierhaft. Schließlich hätten sie hier die Möglichkeit, sich selber ein deutlich entspannteres Arbeitsumfeld zu schaffen. Stattdessen verzichten sie darauf und leisten einen Bärendienst für all ihre Kollegen im Amateurfußball, für die fehlender Respekt ein massives und alltägliches Problem sind. Die Profischiris hätten die Möglichkeit, hier auf der größtmöglichen Bühne allen zu demonstrieren, dass sie und ihre Entscheidung unantastbar sind und niemand versuchen braucht, diese nach der Methode „wer schreit, hat Recht“ auf dem Platz anzufechten. Bildlich gesprochen: Der Ball lag auf dem Elfmeterpunkt und kein Torwart weit und breit. Stattdessen lässt man diese Möglichkeit ungenutzt und sich weiter im Pulk bearbeiten. Das Signal an die Öffentlichkeit ist fatal: So schlimm ist das alles ja gar nicht und selbst für uns gehört das irgendwie dazu. Dann braucht man sich nicht wundern, wenn junge Fußballer mit der Einstellung heranwachsen, dass es okay ist, die Schiedsrichter zu bedrängen.

Da muss man auch nicht in jeder Sommerpause große Ankündigungen in die Welt blasen und erklären, wie schlimm man es als Schiedsrichter doch habe. Und man kann es sich auch schenken, immer weiter zum Beispiel an der Handregel herumzuverschlimmbessern, in der irrigen Hoffnung eine Regelung zu finden, die es für Leitung einfach und transparent macht, nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen, wenn sie schon daran scheitert, allereinfachste Regeln selbst dann umzusetzen, wenn sie zu ihrem Nutzen aufgestellt werden.

Und ganz vielleicht sollten Zwayer und Konsorten mal wieder einen Blick ins DFB-Regelbuch werfen. Dort könnten sie spannende Regeln auch aus alter Zeit finden, die für sie was Neues sind und feststellen, dass die ja ganz nützlich sein könnten.

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