Champions-League-Finale in Wembley Keiner ahnt es, scheißegal
Am Samstag (21 Uhr) spielt Borussia Dortmund mein persönliches Spiel des Lebens. Ich weiß um das Privileg und platze vor Vorfreude. Auf dem Weg zum Ziel!
Die Zeilen dieses Artikels zu schreiben fühlt sich für mich noch immer irgendwie surreal an. Wembley, Champions-League-Finale, Real Madrid und das letzte Spiel von Marco im schwarz-gelben Trikot. Wahnsinn. Davon habe ich nicht mal geträumt, so unwahrscheinlich war dieses Szenario für mich.
Damit bin ich nicht allein. In meinem Fanclub heiraten gleich zwei Mitglieder am Tag des Finals. Das bringt den einen oder anderen Gast in eine nicht gerade kleine moralische Zwickmühle. Im Internet kursiert schon seit Jahren ein Witz, der zu jedem Finalspiel wieder ausgekramt wird: „Ein Freund hat zwei Karten für das Finale, heiratet aber an diesem Tag. Kennt ihr zufällig noch jemanden, der an diesem Tag heiraten will?“ Manchmal wird aus Spaß doch auch Realität. Ich habe daraus meine Lehren gezogen und sollte ich irgendwann mal heiraten (die passende Frau fehlt noch, Bewerbungen gerne via E-Mail), werde ich einen Teufel tun, es an einem der letzten Bundesligaspieltage oder am Tag eines Finals zu tun.
Zum Glück nicht die Bayern
Nun heißt die Abendplanung für manchen Gast am Samstagabend also Champions-League-Finale in Wembley statt Hochzeit. Und ich bin froh, dass der Gegner Real Madrid und nicht Bayern München heißt. Vermutlich wären die Bayern der "schlagbarere" Gegner gewesen, hat die Truppe schließlich – wie auch der BVB – diese Saison einige Probleme offenbart und es wäre wohl ein richtiges 50:50-Duell geworden. Gegen Real ist der BVB ganz klar der Underdog, der große Außenseiter. Vermutlich noch mehr Außenseiter, als 1997 gegen Juventus. Und ich glaube, diese Rolle liegt der Mannschaft im Moment ganz gut. Ich will nicht davon sprechen, dass niemand etwas zu verlieren hat. Es geht um ein Finale, um den größten Titel des europäischen Vereinsfußballs. Aber es gibt einfach keine Erwartungshaltung und demzufolge auch keinen großen Druck. Außerdem klingt es auch im Nachgang eh viel geiler, wenn man von Juventus 1997 und Real Madrid 2024 sprechen kann, als von Bayern München.
Das Problem mit dem Ticketkontingent
Was mir seit jeher ein Dorn im Auge ist, ist die Vergabe der Tickets bei internationalen Finalspielen seitens der UEFA. Mit 90.000 Plätzen ist Wembley das zweitgrößte Fußballstadion in Europa, nur das Camp Nou in Barcelona ist größer. Und dennoch bekommen die Vereine jeweils nur 25.000 Karten für ihre eigenen Fans. Die restlichen Karten gehen an Funktionäre, Sponsoren oder in die eigene Ticketverlosung der UEFA, die jedes Jahr zu Anfang des Jahres durchgeführt wird. Wo noch gar nicht wirklich absehbar ist, wer am Ende im Finale stehen wird.
Solche Finals sollten den Fans der jeweiligen Vereine gehören. Alleine der BVB hat wohl über 100.000 Kartenanfragen gehabt, insgesamt sei man auf 400.000 Ticketwünsche gekommen. Nur der Schwarz-Gelbe-Anhang allein könnte also vier Wembley-Stadien füllen. Die eine oder andere Karte mehr für die Fans der Vereine hätte der UEFA sicherlich nicht weh getan. Wobei ich mir gar nicht sicher bin, ob Clubs wie Manchester City ein noch größeres Kontingent wirklich ausschöpfen würden.
Keiner ahnt es
Ich gehöre zu den knapp 25.000 Glücklichen, die eine Karte für das Spiel bekommen haben. 2013 bin ich leer ausgegangen, war aber auch bei weitem auf der Tribüne noch nicht so gut vernetzt wie heute und hatte damals nur die Chance auf die Verlosung, was natürlich nicht geklappt hatte. Dieses Jahr habe ich nun das Privileg bei diesem Spiel dabei zu sein und mit meinen besten Freunden gemeinsam unserem Spiel des Lebens beizuwohnen. Ein Champions-League-Finale mit seinem Herzensverein, gemeinsam mit den Jungs und Mädels, die seit über einem Jahrzehnt auf den Tribünen dieses Kontinents an meiner Seite stehen. Die über die Jahre von Bekannten zu Freunden und mittlerweile zu Familie geworden sind. Wir alle sind im besten Alter und gesund.
Das ist ein absoluter "once in a lifetime moment" und ein absolutes Geschenk, für das ich unfassbar dankbar bin. Nicht mal für 10.000 Euro würde ich meine Karte für dieses Erlebnis hergeben. Egal, wie das Spiel am Ende ausgehen wird, eins ist sicher: Wir alle werden unseren Kindern und Enkelkindern ganz, ganz oft von dieser verrückten Saison und diesem 1. Juni 2024 erzählen.
Beim Auswärtsspiel in Paris bin ich schon vor Anpfiff vor Nervosität fast tausend Tode gestorben, weil der Traum vom Finale so nah und auf einmal absolut realistisch war. Und mit jeder Minute ist es gefühlt schlimmer geworden, bis sich mit dem Abpfiff alles explosionsartig entladen hat. Man würde meinen, dass nach so einem Finaleinzug im Bus auf der Rückfahrt gefeiert wurde. Ich war einfach nur platt, fertig und emotional total ausgelaugt. Wie soll das nur jetzt nach dem Finale werden, wenn Marco Reus den Henkelpott in den Nachthimmel von London streckt? Ich glaube daran. Die Mannschaft glaubt daran. Dem Rest sei gesagt: Keiner ahnt es, scheißegal, wir gewinnen den Pokal!