Jürgen Klopp wechselt zu Red Bull Es gibt kein richtiges Leben im falschen
Jürgen Klopp war nie ein Kämpfer gegen den "modernen Fußball". Die Enttäuschung über seinen Wechsel zu Red Bull ist trotzdem gerechtfertigt.
Jürgen Klopp fängt bei Red Bull an. Zwar nicht als Trainer, aber immerhin als Head of Football –was in diesem Fall vermutlich eher die neudeutsche Umschreibung für Grüßaugust sein dürfte. Eine Nachricht, die gestern wie eine Bombe einschlug und viele Fans enttäuscht hat, die in ihm einen Streiter für das Gute, das Bodenständige und Menschelnde im Fußball gesehen haben. Dabei hätte einem schon viel früher auffallen können, dass er nie ein Vorstreiter für einen volkstümlichen Profifußball war und keine Berührungsängste vor dem Fußball als Teil des „big business“ hatte. Vom kleinen, beschaulichen Mainz zum börsennotierten Verein nach Dortmund und weiter zum Liverpool FC, der komplett in Besitz der amerikanischen Fenway Sports Group ist. Da erscheint der Schritt an die Spitze der Fußballsparte von Red Bull eigentlich fast logisch. Ein Verein, der komplett auf ein mitgliederbasiertes Fundament verzichtet und voll und ganz unter der Kontrolle der Zentrale in Fuschl steht. Eine Organisation, die Fußball nicht als Selbstzweck, sondern als Teil einer Imagekampagne sieht.
Trotzdem war die gestrige Nachricht eine große Enttäuschung, weil man von Jürgen Klopp einfach mehr erwartet hat. Er ist ein Typ, der an der Seitenlinie vor Leidenschaft brennt. Einer, der Energie daraus zieht, wenn das Stadion rund um herum tobt und auf dem Rasen die Post abgeht. Einer, der sich dem Wettbewerb nicht nur stellt, sondern ihn liebt. Damit, so die Erwartungshaltung, sollte ihm doch eigentlich auch der Wettbewerb und sein Erhalt eine Herzensangelegenheit sein.
Multiclub Ownership zerstört den Wettbewerb
Stattdessen wechselt er jetzt in eine Organisation, die mit dem Prinzip des Multiclub-Ownership den sportlichen Wettbewerb weiter zerstört. Spieler werden auf einem konzerninternen Verschiebebahnhof hin und her gereicht, Marktprinzipien außer Kraft gesetzt und vor allem kleinere, finanzschwächere Vereine weiter abgehängt. Diese sind darauf angewiesen, junge Spieler zu entwickeln, ihr Talent zu fördern und von diesem Talent zu profitieren. Stattdessen durchlaufen diese Spieler die verschiedenen hauseigenen Farmteams, wie Azubis Abteilungen in der Ausbildung und werden mit Transfersummen untereinander verschoben, die zum einen nicht viel mehr als Taschenspielertricks sind, um Finanzvorgaben der Verbände zu erfüllen, und zum anderen unerfüllbar sind für Vereine der Kategorie Freiburg oder Mainz. Darüber hinaus erschüttert das natürlich die Integrität des Wettbewerbs, wenn in internationalen Wettbewerben immer mehr Clubs gegeneinander antreten, die den gleichen Besitzer haben. Multiclub-Ownership ist eine Pestbeule des Profifußballs und der Klopp, der früher mal immer absurdere Ablösesummen als ungesund für den Fußball kritisiert hat, greift jetzt selbst zur Schaufel und reiht sich ein in die Schlange der Totengräber, die den Wettbewerb immer weiter zerstören.
Kampf gegen Rassismus und Red Bulls zweifelhafte Position
Auch in anderer Hinsicht ist Klopps Wahl des neuen Arbeitgebers eine ziemliche Enttäuschung: Nicht zuletzt ist der Red Bull Konzern gegründet und bis zu dessen Tod auch geführt worden von Dietrich Mateschitz, der häufiger mit rechtspopulistischen Äußerungen aufgefallen ist. Zudem gehört zum Konzern mit Servus-TV ein Sender, der immer wieder Rechtspopulisten eine Plattform gibt und sicherlich ein Multiplikator rechter Positionen ist. So gab man dort in einer Talksendung dem Rechtsdraußenverleger Götz Kubitschek die Möglichkeit, seinen braunen Dreck in die Welt hinauszuposaunen. Da kann man doch gerade an jemanden, der sich in der Vergangenheit öffentlich gegen Rassismus ausgesprochen hat und erst in den letzten Tagen für seine Verdienste im Einsatz gegen Rassismus den Landesverdienstorden des Landes Baden-Württemberg erhalten hat, die Frage stellen, wie glaubwürdig das wirklich ist, wenn er problemlos zu diesem Konzern wechselt und als neues Aushängeschild für ihn fungiert.
Vielleicht hat man viel zu viel in Jürgen Klopp hineininterpretiert. Eigene Wünsche und Hoffnungen auf ihn projiziert und auf einen Sockel gestellt, den er selbst nie für sich beansprucht hat. Aber wenn man mal mit ihm gesprochen hat, hatte man immer das Gefühl, dass die Gespräche auf Augenhöhe stattfinden. Dass er sagt, was er denkt und nicht das, von dem er denkt, dass man es hören will. Mit einem Wort: Er hat den Eindruck gemacht, so ehrlich zu sein, wie es in diesem Business nur möglich ist.
Diesen Eindruck hat er nun irreparabel beschädigt. Im Laufe der Jahre muss aus dem Jürgen Klopp, der Menschen für sich einnehmen konnte, der Verkäufer geworden sein, der den Menschen ein Bild von Jürgen Klopp verkauft. Ein Jürgen Klopp, der kein Problem mehr damit hat, wenn Reden und Handeln auseinanderdriften und der schlicht und ergreifend wie alle anderen ist.
Das ist schade. Wieder einer weniger auf der eh schon kleinen Liste der Guten. Danke für eine geile Zeit, Kloppo. Danke für nichts, Jürgen Klopp.