Jürgen Klopp zu Red Bull Entkultet
Kulttrainer und selbsternannter Traditionalist Kloppo scheißt mal eben auf sein Lebenswerk und reißt es mit einem Paukenschlag ein. Der Wechsel zum verhassten Konstrukt Red Bull ist offiziell und somit auch der Niedergang des einstigen Heldenstatus Jürgen Klopps.
Was für eine Nachricht. Mich haut ja im Fußball nur noch wenig um. Geldgeiles Business, das nur noch wenig Raum für Emotionen und Vereinstreue lässt. Die meisten Spielerabgänge nimmt man nur noch schulterzuckend zur Kenntnis und auf dem Trainerposten ist man eher verwundert, wenn es sich da jemand doch mal ein bisschen länger gemütlich machen sollte. Loyalität darf man nur auf Seiten der Fans erwarten. Und doch schlägt diese Nachricht ein wie eine Bombe:
Jürgen Klopp wird "Global Head of Soccer" bei Red Bull
Jürgen Klopp eroberte gleich bei drei Vereinen die Herzen im Sturm: FSV Mainz 05, Borussia Dortmund, Liverpool FC. Er hinterließ keine verbrannte Erde, eher trauerten ihm die genannten Vereine noch Jahre später hinterher. Legendenstatus. Nicht nur als Trainer, gerade auch als Mensch hinterließ er gigantische Fußstapfen, die kaum jemals zu füllen sein werden. In Dortmund versucht man es verzweifelt seit mittlerweile 09 Jahren – sechs Trainer sind daran bereits gescheitert.
Jetzt wird sich der ein oder andere vielleicht fragen: Wieso steht der Wechsel zu Red Bull im Widerspruch zu Loyalität? Der ehemalige Coach ist schließlich seit seinem Abgang vom Liverpool FC im Sommer 2024 vereinslos. Richtig. Aber offenbar scheint sich der Wechsel schon vor seinem Liverpool-Abgang angebahnt zu haben und zumindest das zeugt schon einmal von einem gepflegten Arschtritt an die Liverpooler Anhängerschaft.
Es geht allerdings auch weniger um die Treue zu einem einzelnen Klub, sondern vielmehr um die Loyalität zu einer bestimmten Idee von Fußball. Einem Fußball, dem wir uns alle verschrieben haben und den Jürgen Klopp mit seiner emotionalisierenden Art, seinem Offensivspektakel und seiner vermeintlichen Bodenständigkeit genährt hat.
Gerade in Dortmund, wo das Fußballherz lange Zeit schwer zu kämpfen hatte mit tristen sportlichen Auftritten und den Folgen der Fast-Insolvenz, kam Jürgen Klopp 2008 geradezu wie der barmherzige Samariter daher, der dem schlafenden Riesen neues Leben einhauchte. Der gebürtige Stuttgarter führte die Borussen zu zwei Meisterschaften, einem DFB-Pokalsieg und bis ins Champions-League-Finale 2013. Eine Cinderella-Story mit blutjungen Akteuren und einer Spielfreude, der man heute noch hinterhertrauert. 7 Jahre wie im Rausch und Jürgen Klopp wurde vollkommen zurecht mit einer ihn ehrenden Choreo von der Südtribüne verabschiedet. Der Erfolgstrainer passte gerade deswegen so gut zum BVB, weil er ein Meister der Rhetorik ist. Er wirkt menschlich nahbar, wie "einer von uns". The normal one halt… leider dann auch normal auf allen Ebenen, wie sich jetzt zeigt. Normal wie jeder andere in diesem dreckigen Business.
Aber wenn man ehrlich ist, war er schon lange keiner mehr von uns. Wer Millionen um Millionen scheffelt und jeden noch so dahergelaufenen Werbedeal annimmt, bewegt sich zunehmend in einer Welt fernab jener, die ihn vergöttern: den Fans.
Da muss man selbstkritisch konstatieren, dass es vielleicht doch naiv war, zu glauben, dass so jemandem sein Lebenswerk wichtiger sei. Jemandem, der genug Geld für mehrere unbeschwerte Luxusleben verdient hat, der sich seinen nächsten Job und somit auch die Geldquelle problemlos aussuchen kann. Doch dieses Lebenswerk hat Jürgen Klopp mit seiner Entscheidung pro Red Bull zumindest bei einem Großteil der Fans in Dortmund und Fußballdeutschland eingerissen.
Pro Red Bull heißt Pro Kommerz
Wer Red Bull die Tür öffnet, schließt sie für jene Vereine, die ohne bzw. mit wesentlich geringeren finanziellen Mitteln haushalten müssen und versuchen, sich durch kluge, bodenständige Arbeit im sportlichen Wettbewerb zu behaupten und durch kleinere sportliche Erfolge etwas aufzubauen – der Sinn hinter jeder Sportart. Stattdessen bekommt Leipzig in der Corona-Pandemie mal eben von Red Bull 100 Millionen Euro Schulden erlassen. Oder wie Kult Kloppo es ausdrückt: „Leipzig hat keinen Deut mehr Geld zu Verfügung als andere Vereine.“ Aber vermutlich hat Jürgen Norbert schon als Kind in RB-Bettwäsche geschlafen. Eine Herzensangelegenheit!
Nun darf man sich schon auf den nächsten Werbespot mit Zahnpastagrinsen freuen: Der Anfang ist schon gemacht mit Kloppos Abschiedsvideo aus Liverpool – "I'm running out of energy". Fehlt nur noch jemand, der ihm die Red-Bull-Dose reicht. Vielleicht hat Max Eberl ja Zeit? Ach nee, Moment... Dabei hätte das so gut gepasst! Zwei so sympathische Typen, die den ehrlichen Fußball so lieben, und lediglich aus gesundheitlichen Gründen gezwungen waren, zurückzutreten. Waren sie auch aus gesundheitlichen Gründen gezwungen, nur kurze Zeit später beim Totengräber des Fußballs anzuheuern? Wohl kaum. So wichtig es ist, dass offen und ehrlich über mentale Probleme gesprochen wird, so dreckig kommt es daher, wenn man diese als fadenscheinige Begründung missbraucht. Zugegeben – ein sehr schwerer Vorwurf, der sich im Endeffekt vielleicht nicht erhärten lässt, da man den Menschen nur vor den Kopf schauen kann. Aber Zweifel wurden definitiv gesät: Sowohl bei Eberl als auch bei Klopp gab es bereits vorher Gerüchte um einen Wechsel zu RB. Es fällt daher schwer zu glauben, dass alles erst nach den beiden besagten Pressekonferenzen in die Wege geleitet wurde. Wer mentale Gründe anführt, hat auch eine gewisse Verantwortung, seine Glaubwürdigkeit zu erhalten, ansonsten leistet er einen Bärendienst für Betroffene.
Möchte man dem Ganzen doch noch etwas Positives abgewinnen, so könnte es der Emanzipation des BVB von Jürgen Klopp ganz gut tun. Nicht mehr dem Alten hinterherrennen, sondern Neues aufbauen. Das hat Borussia Dortmund nach wie vor dringend nötig.
Während man beim Abschiedsspiel von Jakub Błaszczykowski und Łukasz Piszczek noch Nostalgie verspürte, darf man nun hoffen, dass es das letzte Mal von Jürgen Klopp im schwarzgelben Dress war. Und auch hier ist die Frage angebracht, wo denn da Klopps Loyalität war, wusste er doch vermutlich längst, während er sich feiern ließ, dass sein neuer Arbeitgeber wohl auf wenig Gegenliebe stoßen würde.
Der energische Schlag mit der Hand auf das Herz, wo das Vereinswappen prangt, – ein Markenzeichen Klopps – kann man zumindest in Dortmund nun als gepflegten Mittelfinger an die Fans verstehen. Jürgen Klopp hat den Fußball nie geliebt. Jürgen Klopp ist einfach nur ein guter Redner und Marketingsexperte, der sich zu verkaufen weiß. Nun hat er sein wahres Gesicht offenbart. Eines, das man in Dortmund hoffentlich so bald nicht wieder sieht.