Fan-Proteste gegen DFL-Investor Emre möchte aus dem Bälleparadies abgeholt werden
Nicht nur sportlich hat sich der BVB in Wolfsburg alles andere als mit Ruhm bekleckert. Auch die Aussagen von Kapitän Emre Can zu den Protesten gegen einen Investoreneinstieg bei der DFL stießen sauer auf.
Eigentlich war alles angerichtet für ein erfolgreiches Auswärtsspiel. Niclas Füllkrug erzielte bereits in der 8. Minute die Führung für den BVB. Doch wenig später gaben die Schwarz-Gelben die Kontrolle aus der Hand, kassierten den Ausgleich und durften am Ende froh sein, immerhin einen Punkt aus der Autostadt mitzunehmen. Die Wut vieler Fans wich schnell der Resignation. Zu oft schon hat das Team von Edin Terzic derart uninspirierte Auftritte hingelegt. Und wer nach Abpfiff nicht schnell genug den Fernseher ausschaltete, durfte hören, wie Emre Can am Sky-Mikrofon Folgendes zu Protokoll gab:
“Ohne die Fans wäre Fußball nicht das, was es ist, das weiß jeder. Aber wenn ich meine Meinung sagen darf, dann finde ich, dass es irgendwann mal gut ist. Wir leiden extrem darunter, verlieren unseren Rhythmus. Deswegen hoffe ich, dass es bald ein Ende hat.”
Damit meinte unser Kapitän nicht etwa die zahlreichen Fehler von sich und seinen Kollegen. Oder den – mal wieder – quasi nicht existenten Spielaufbau. Nein, seine Aussagen richteten sich gegen die anhaltenden Fanproteste. Auch in Wolfsburg waren, wie dieser Tage an so viele Fußballstandorten der Republik, zahlreiche Gegenstände auf das Feld geflogen und hatten für Spielunterbrechungen gesorgt. Erst schmissen die Wolfsburger, später regnete es aus dem Gästeblock.
Eine billige Ausrede
Grundsätzlich kann man den Ärger von Emre Can nachvollziehen. Der BVB war holprig ins Spiel gestartet, doch hatte mit Füllkrugs Treffer die Kontrolle an sich gerissen. Dem Team des angezählten Niko Kovacs war die Verunsicherung anzumerken. Wenige Minuten später folgte die erste Unterbrechung, und als der Ball wieder rollte, war von der Überlegenheit nichts mehr zu spüren. Gut möglich, dass die Zwangspause den Flow unseres Teams zerstört hat. Sportler kennen es durchaus, dass einen Unterbrechungen aus dem Rhythmus bringen und es danach schwierig werden kann, wieder hinein zu finden.
Hier stellt sich jedoch die Frage: Sollten Profis damit nicht umgehen können? Unterbrechungen sind schließlich elementarer Bestandteil eines Fußballspiels – auch wenn keine Tennisbälle fliegen: Verletzungen oder minutenlange VAR-Checks, von der Halbzeitpause ganz zu schweigen. Von Bundesligaspielern darf man erwarten, sich hiervon nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Zumal die rund 15 Protestminuten nur einen kleinen Teil der Gesamtspielzeit ausmachten. Ist es Emre Can nicht zu billig, sie als einen Grund anzuführen, dass man für den Rest des Spiels kaum etwas auf die Kette bekommen hat? Es ist nachvollziehbar, wenn die Spieler nach einer Unterbrechung eine kurze Zeit brauchen, um sich wieder „einzugrooven“, den Fokus zu finden. Es ist jedoch nicht verständlich, wenn man im Anschluss überhaupt keinen Einstieg mehr ins Spiel findet und der Gegner die totale Kontrolle übernimmt.
Unterstützung ist keine Einbahnstraße
Wahrscheinlich ist, dass das Problem dieser Mannschaft viel tiefer liegt. Wie oft hat sie sich in der Vergangenheit beispielsweise von überraschenden Gegentoren völlig aus dem Konzept bringen lassen und sicher geglaubte Siege verschenkt? Wie lange schon hat man Schwierigkeiten mit Gegnern, die ihren Druck auf die bekannten Schwachstellen fokussieren? Die Protestunterbrechungen als Trigger zeigen letztendlich nur ein Symptom auf. Das Problem dahinter scheint schlicht und ergreifend zu sein, dass vielen Spielern das notwendige Mindset fehlt, um konstant erfolgreich zu sein.
Doch die Aussagen von Emre Can lenken nicht nur vom Kern des Problems ab, sie offenbaren auch ein merkwürdiges Selbstverständnis: Unterstützung wird als Einbahnstraße aufgefasst. Die Kicker fordern immer wieder den Support der Fans, wollen sich von der Stimmung antreiben und tragen lassen. Sie betonen, wie gut ihnen Szenen wie nach dem Abpfiff des letzten Saisonspiels gegen Mainz tun, wenn die Tribünen versuchen, sie moralisch aufzubauen.
Im selben Boot
Von Spielerseite aus kommt bei Anliegen der Fans jedoch in der Regel herzlich wenig zurück. Egal um welche Themen es geht, ob um Ticketpreise oder fanverträgliche Anstoßzeiten, bis auf ganz wenige Ausnahmen entziehen sich die Profifußballer diesen Diskussionen vollkommen. Das ist nicht komplett unverständlich, weil sie mit Unterstützung der Fans in diesen Fällen oft genug Stellung gegen ihren eigenen Arbeitgeber beziehen müssten. Aber dann müssen sie eben auch damit leben, wenn die Kurven „ihr Ding“ machen und im Kampf für ihre fanpolitischen Herzensangelegenheiten keine Rücksicht auf die Spieler nehmen. Emre Cans Aussage ist letztendlich nichts anderes als billiges Rosinenpicken.
Dabei wäre vieles leichter, wenn die Spieler bemerken würden, dass man im Grunde genommen im gleichen Boot sitzt. Die Profis beschweren sich zunehmend über eine immer weiter steigende Anzahl von Pflichtspielen, über Belastungen, die immer häufiger zu körperlichen Problemen führen und die zu wenig Zeit zur Regeneration bieten. Auch das ist ein Teilaspekt der permanenten Hatz der Vereine nach mehr und größeren Einnahmequellen, weil das die einzige Antwort für strukturelle Probleme ist, die sie kennen.
Wenn Fans versuchen, die Vereine zu anderen Ansätzen zu zwingen und diesen Kreislauf durchbrechen wollen, ist das eigentlich ein Anliegen, das die Spieler aus Eigeninteresse unterstützen müssten. Investoren werden bei der Steigerung von „Vermarktungspotenzialen“ nämlich sicherlich keine Rücksicht auf ihre Gesundheit nehmen.