Gewalt gegen jüdische Fußballfans Die Schattenseiten Europas im Fokus
Antisemitische Angriffe wie beim Europa-League-Spiel zwischen Ajax und Maccabi Tel Aviv zeigen die wachsende Gefährdung jüdischen Lebens in Europa. Borussia Dortmunds Engagement bietet Lichtblicke, doch der Kampf gegen Judenhass bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Die gezielten und antisemitisch motivierten Angriffe auf jüdische Fußballfans in Amsterdam nach dem Europa-League-Spiel von Maccabi Tel Aviv bei Ajax Amsterdam liegen noch nicht lange zurück. Sie lenkten den öffentlichen Fokus – zumindest vorübergehend – auf das immer größer werdende Problem, dass offen erkennbares jüdisches Leben im Herzen von Europa zunehmend gefährlich bis unmöglich wird für die Betroffenen. Der Krieg Israels gegen die Terror-Organisation Hamas im Gaza-Streifen beschleunigt diese Entwicklung nochmals rasant. Gerade im Umfeld eines Vereins wie Borussia Dortmund, der sich seit vielen Jahren gegen Antisemitismus und in Israel engagiert, dürfte diese Entwicklung mit tiefen Sorgenfalten beobachtet werden.
Die engen Beziehungen aus dem Umfeld des BVB nach Israel zeigten sich keine 48 Stunden vor dem Auftritt Maccabi Tel Avivs bei Ajax Amsterdam. Rund 100 Fans von Maccabi Tel Aviv waren vor der Fahrt in die Niederlande noch zu Gast im Westfalenstadion beim Champions-League-Spiel des BVB gegen Sturm Graz. Diese Zahl schätzt zumindest Adam Lahav, Vorsitzender der „Israelischen Borussen“: „Es gibt viele Israelis, die Borussia Dortmund lieben und die besondere Atmosphäre im Stadion auch erleben wollen. Das Spiel war eine großartige Gelegenheit dafür.“
Keine 48 Stunden später sollten sich die Maccabi-Fans jedoch im Alptraum von Amsterdam wiederfinden. Vor dem Spiel hatten einige Fans aus Israel die ohnehin angespannte Situation in der Stadt bereits mit anti-arabischen Sprechchören und durch das Abreißen palästinensischer Fahnen weiter angeheizt. Nach der Partie in der niederländischen Metropole machten israel- und judenfeindliche Gangs Jagd auf die Gäste aus Israel. Die Attacken wurden dabei im Vorfeld gezielt geplant und auch über Chat-Gruppen gezielt organisiert und waren somit keine spontane Reaktion auf die Provokationen einiger Maccabi-Fans vor dem Spiel.
Eines der Opfer war Dan aus Tel Aviv, der seinen vollen Namen aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht sehen möchte: „Es waren etwa zehn gegen mich. Ich erlitt eine Gehirnerschütterung, hatte ein Problem mit meinem Auge. Aber das ist geheilt.“ Was vorerst bleibt, sind die seelischen Wunden. „Ich fühle mich in Europa nicht sicher“, fasst Dan seine Gefühlslage zusammen und führt aus: „Es gibt viele Menschen, die aus Marokko und Syrien kamen und uns hassen. Ich werde niemanden hassen, weil er Araber ist. Also denke ich, niemand sollte mich schlagen, weil ich Jude bin.“ Gleichwohl hat der leidenschaftliche Fußball-Fan jedoch einen Wunsch: „Ich will unbedingt nach Deutschland kommen. Ich bin Dortmund-Fan, ich möchte unbedingt mal wieder das Westfalenstadion besuchen. Ich war schon seit ein paar Jahren nicht mehr dort.“
Die gezielten Angriffe in Amsterdam als vorläufiger Tiefpunkt einer Entwicklung der vergangenen Monate und Jahre beunruhigen auch Adam Lahav: „Es ist sehr beunruhigend. Die Angriffe auf Juden und Israelis sowie die Rechtfertigungen dafür von vielen Stimmen in Europa und auch in Deutschland machen mir als Juden und Israeli, der auch hier lebt, große Sorgen.“
Lahav, der die Heimspiele des BVB von der Südtribüne aus verfolgt, berichtet von seinem Sicherheitsempfinden in Deutschland: „Die Atmosphäre in bestimmten Straßen und Vierteln mancher Städte ist schon unangenehm, etwa wenn eine pro-palästinensische Demonstration unterwegs ist. Man versucht dann, sein Israel-Sein oder Jude-Sein zu vertuschen aus Sicherheitsgründen, dass man das nicht so sieht.“
Die Fußball-Stadien entwickeln sich dabei zu kleinen Inseln der Glückseligkeit, wie auch Lahav hervorhebt: „Das Stadion ist momentan der Ort, wo ich mich am sichersten fühle . Jemand, der keinen Stress sucht, hat eigentlich fast immer ein schönes Stadion-Erlebnis. Die Leute sind eigentlich immer sehr gut drauf. Ich habe von normalen Leuten nie irgendeine große Aggression mitbekommen. Ich wurde von meiner Umgebung im Stadion akzeptiert. Natürlich gibt es ab und zu Diskussionen, aber dann kann man miteinander reden. Bezüglich meiner Herkunft gab es nie ein schlechtes Wort, im Gegenteil. Viele Leute finden das sehr interessant und fragen nach mehr Details.“
Grundsätzlich bemängelt Lahav jedoch, dass die Juden in Deutschland von den Entscheidungsträgern in Politik und Gesellschaft alleingelassen werden: „Wir hören oft von Politikern und Aktivisten, dass man gegen Antisemitismus vorgehen müsse. Ich würde gerne hören, wie sie das konkret umsetzen wollen.“ Denn klar ist: Die Attacken auf jüdische Fußballfans geschahen nicht im luftleeren Raum. In einem Klima, in dem Israelis immer mehr angefeindet werden und für die Politik Benjamin Netanjahus verantwortlich gemacht und in Sippenhaft genommen werden – was zugleich der Ausdruck klassischer Judenfeindlichkeit ist –, wird offenes jüdisches Leben in Deutschland und Europa immer mehr zu einer Gefahr für Leib und Leben – das hat Amsterdam der breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt. Dem entgegenzuwirken, ist die Aufgabe der Zivilgesellschaft, der auch der BVB mit seinem Umfeld zuzurechnen ist.