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Der Rheinmetall-Deal spaltet die BVB-Fanszene Quo vadis BVB? Mein Problem mit dem Rheinmetall-Deal!

03.09.2024, 10:00 Uhr von:  Gastautor
Quo vadis BVB? Mein Problem mit dem Rheinmetall-Deal!

Der Rheinmetall-Deal des BVB sorgt für Unruhe in der Fanszene und stellt die Werte des Vereins infrage. Unser Gastbeitrag geht darauf ein, warum dieses Sponsoring nicht nur moralisch problematisch ist, sondern auch eine gefährliche Entwicklung der Vereinspolitik widerspiegelt.

Auch wenn es ein ungewöhnlicher Anfang ist: Mir ist es bereits zu Beginn wichtig, vor allem das zu betonen, was „NeusserJens“ in seinem Artikel „Echte Liebe tötet nicht“ bereits so hervorragend herausgearbeitet hat, weshalb man für diesen Punkt lediglich seinen - auch sonst sehr lesenswerten - Text zitieren braucht:

Befürworter des Deals werden mir nun eine "Wasch mich, aber mach mich nicht nass!“-Haltung unterstellen. Diese basiert aber auf einer Kausalität, die es gar nicht gibt: Wer anerkennt, dass sich demokratische Gesellschaften auch unter Zuhilfenahme von Waffen verteidigen müssen und sich solidarisch mit der Ukraine erklärt, der müsse denklogisch auch das Sponsoring von Rheinmetall bei Borussia Dortmund begrüßen. Dieser Zusammenhang ist einfach nicht gegeben. Selbstverständlich ist es möglich, die Bewaffnung der Ukraine zum Widerstand gegen den Aggressor Russland zu befürworten und gleichzeitig das Sponsoring von Rheinmetall beim BVB aufgrund der vorgenannten Punkte zu kritisieren. Denn weder ist Rheinmetall für die Herstellung und Lieferung von Waffen an die Ukraine auf dieses Sponsoring angewiesen, wie die Höhe der Waffenexporte und die Unternehmensgewinne in den letzten Jahren beweisen, noch ist es Aufgabe von Borussia Dortmund, das Ansehen eines Waffenherstellers reinzuwaschen.

Auch ich bin weder ein Befürworter russischer Aggression in der Ukraine oder sonst wo auf der Welt, noch gebe ich mich dem Glauben hin, dass die „westliche Welt“ lediglich mit Wattebäuschen verteidigt werden könnte. Nachdem diese Stammtisch- bzw. Scheißhaus-Parolen jetzt hoffentlich ein für alle Mal abgeräumt sind, können wir hoffentlich zum Wesentlichen zurückkommen: Warum die Entwicklung von Borussia Dortmund in den vergangenen Monaten im Allgemeinen in die falsche Richtung läuft und weshalb der Deal mit der Firma Rheinmetall das aktuellste Symptom eben jener Entwicklung ist.

Das Bild zeigt den Text "Der Grundwertekodex - ein zukunftsorientierter Wertekanon für den BVB" in schwarzer Schrift auf gelbem Grund
Der Grundwertekodex als Auslegungshilfe für die BVB-Satzung

Blicken wir zunächst zurück auf die BVB-Mitgliederversammlung 2022. Nach einjähriger Erarbeitung wird der Grundwertekodex des BVB verabschiedet, der in einigen wichtigen Punkten ganz erhebliches Gewicht haben dürfte. Denn als eine Art „Auslegungshilfe“ soll er uns Mitgliedern, vor allem aber den Vereinsverantwortlichen die Möglichkeit geben, die satzungsprägenden Bestandteile, die nicht ohne weiteres zur Disposition gestellt werden können, aus der Satzung herauszuschälen und zur Grundlage des eigenen Handelns im Sinne des Vereins zu machen. So weit, so schön in der Theorie.

Dass die KGaA bzw. offenkundig auch die Gremien des e.V. dies allerdings nur interessiert, wenn es gerade opportun ist und in die eigene Erzählung passt, zeigt der Rheinmetall-Deal ganz hervorragend.

Im Grundwertekodex heißt es doch unter dem Punkt „Wir sind eine Familie“ in der vom Verein selbst herausgegebenen Erläuterung, dass der Verein die weltweit geltenden Vorschriften zum Schutz der Menschenrechte achtet, schützt und fördert, der Verletzung von Menschenrechten entgegentritt und sich für die körperliche Unversehrtheit eines jeden Menschen einsetzen wird. Wie passt das mit dem Sponsoring durch einen Waffenhersteller und der moralisch völlig überhöhten Eigendarstellung zusammen? Dass die Bekenntnisse im Grundwertekodex grundsätzlich durchaus auch auf Sponsoringaktivitäten gemünzt werden können und nicht eine bloße Aneinanderreihung von hehren Idealvorstellungen sind, zeigt übrigens der direkt darauffolgende Satz, in dem Kinder-, Zwangs- und Pflichtarbeit abgelehnt wird. Wozu sonst hätte man sich diesen Werten verpflichten sollen?

Würde man es mit dem Grundwertekodex ernst meinen, hätte man auf der nächsten Mitgliederversammlung über diese Passagen diskutieren müssen. Denn auch die Zivilbevölkerung beispielsweise im Jemen, gegen die durch Saudi-Arabien bevorzugt Waffen der Firma Rheinmetall eingesetzt werden, sind eben Menschen, für deren körperliche Unversehrtheit der BVB nach seinem Grundwertekodex einstehen will.

Nun mag man entgegenhalten, dass es doch den Waffeneinsatz in der Ukraine brauche, um unsere eigene Freiheit zu schützen. Das mag auch richtig sein, ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Grundwertekodex den Einsatz des BVB für die körperliche Unversehrtheit eines jeden Menschen vorsieht. Möchte man diesen Passus ändern, müsste man dies zur Abstimmung auf der nächsten Mitgliederversammlung stellen. Andernfalls ist der Deal eben mit den zentralen Werten des Vereins aus dem Grundwertekodex nicht in Einklang zu bringen.

Dass man es mit dem Grundwertekodex auch im Übrigen nicht so genau hält, zeigt auch das aktuelle Ausweichtrikot ohne schwarz-gelbes Wappen, oder die Salami-Taktik bei der Kommunikation rund um den DFL-Investoren-Prozess.

Einer der großen Fehler des Rheinmetall-Deals liegt nicht etwa ausschließlich darin, dass man sich „nur“ über den Grundwertekodex und damit ein zentrales Dokument von Borussia Dortmund hinwegsetzt - was schon schlimm genug wäre -, sondern auch darin, dass man versucht, dieses Sponsoring auch noch so zu verkaufen, als sei der Deal alternativlos gewesen.

Man könnte angesichts der Kommunikation des BVB schon fast den Eindruck gewinnen, der Verein würde die Werbung im Stadion kostenlos betreiben, weil man an die „Zeitenwende“ glaubt. Das ist aber geradezu scheinheilig, wenn auf der der anderen Seite öffentlich wird, dass man jedes Jahr einen (mittleren bis hohen) einstelligen Millionenbetrag für die Bewerbung des „Champion Partners“ kassiert, der damit sicherlich unter den Big Five der BVB-Sponsoren rangieren dürfte. Da kann man sich als Fan doch mal schnell verarscht vorkommen.

Gleiches gilt für die seitens des BVB formulierten Dialog-Angebote, die eher zu einem Verkaufsgespräch auf einer Kaffeefahrt verkommen. Obendrein hinterlässt man in der Presse dann noch den Eindruck, die Partnerschaft sei mit den Fans in irgendeiner Form abgestimmt gewesen, um dann in einem Podcast (aber erst nachdem sich die erste Aufregung wieder einigermaßen gelegt hat) und auf der nicht öffentlichen Fandelegiertentagung wieder zurückzurudern. Wäre es einem ernst damit, den unzutreffenden öffentlichen Eindruck über den Fandialog gerade zu rücken, hätte man selbst wohl zur Pressemitteilung gegriffen. Schadensbegrenzung musste stattdessen die Fanszene sowie die BVB-Fanabteilung betreiben.

Das Bild zeigt eine Eckfahne mit einem BVB-Logo und dem Slogan "Stop War"
Der BVB mit einer klaren Antikriegsbotschaft.

All dies mündet in das größte Versäumnis des BVB: dass man geflissentlich ignoriert, dass das Sponsoring tausende Borussinnen und Borussen spaltet und damit genau das Gegenteil zu dem bezweckt, wofür die Kultur des BVB, neben dem Spitzensport und der Traditionspflege, insbesondere stehen sollte: Der BVB sollte uns alle, hinweg über soziale Klassen, Ethnien, Religionen oder andere Unterschiede verbinden und eben nicht spalten. 

Wenn in diesem Zusammenhang während der Spruchbandaktion gegen Eintracht Frankfurt vereinzelt auf der Südtribüne Personen körperlich bedrängt wurden, nur weil sie ein kritisches Spruchband ausrollen wollten, ist das ein Umstand, der durch den Deal und die Art und Weise seiner Verkündung billigend in Kauf genommen wurde.

Denn wenn wir ganz ehrlich sind, gibt es neben den oben bereits aufgezählten fanpolitischen Argumenten, die allesamt gegen den Deal sprechen, sowohl für Befürworter und als auch für die Gegner des Deals hinreichend sicherheitspolitische Argumente oder Argumente aus der (nicht aufgearbeiteten) Vergangenheit des Sponsors, die dafür sorgen, dass sich beide Seiten unversöhnlich gegenüberstehen. Eine Spaltung der BVB-Fans untereinander war damit vorprogrammiert. 

Ein anderer Bundesligist, ausgerechnet die ungeliebte Borussia vom Niederrhein, hat dies scheinbar frühzeitig erkannt und den Deal deshalb dankend abgelehnt. Auch der BVB hätte gut daran getan - gerade wo er doch sogar einen eigenen Kulturbeauftragten unterhält, der genau solche Entwicklungen im Auge haben müsste - eine solche drohende Spaltung in ohnehin polarisierten Zeiten zu antizipieren und abzuwenden, denn Borussia verbindet (eigentlich) Generationen, Männer, Frauen, alle Nationen!

Geschrieben von Ignaz Wrobel

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