Milliarden für die Bundesliga? Wieso der Einstieg eines Investors in die DFL einige Gefahren birgt Investoreneinstieg in der DFL: das neue Schreckgespenst im Gruselkabinett des modernen Fußballs
Wöchentliche Schlagzeilen über Investoren im Profifußball, dubiose Investment- und Staatsfonds sowie immer neue Versuche, an der 50+1 Regelung zu rütteln - eine gewisse Lethargie angesichts solcher Auswüchse des modernen Fußballs kann man wahrlich niemandem verübeln. Die neusten Pläne der DFL sollten jedoch für jeden Fan alarmierend sein.
„DFL-Anteilsverkauf stoppen!“ - diese Forderung war beim Heimspiel gegen den 1. FC Köln auf einem Flyer des Südtribüne Dortmund-Bündnisses zu lesen. Auch in anderen Fanszenen wird das Thema adressiert (verwiesen sei auf die lesenswerten Stellungnahmen der Coloniacs aus Köln und der Fanszene Sankt Pauli).
Worum geht es also? Nun, das ist bereits das erste Problem, denn im Detail ist diese Frage gar nicht so einfach zu beantworten. Dies liegt auch daran, dass augenscheinlich nicht einmal DFL-intern geklärt ist, wie das milliardenschwere Vorhaben genau abgewickelt werden soll. Darüber hinaus gibt man sich in gewohnt intransparenter Art und Weise große Mühe, möglichst wenig darüber öffentlich preiszugeben. Aber auch Vertreter der Mitgliedsvereine beklagen unter der Hand eine unzureichende Informationspolitik seitens der DFL.
Was wir wissen: bereits im vergangenen Jahr wurde öffentlich, dass die DFL beabsichtigt, den Ligazusammenschluss für einen Investor zu öffnen. Dieses Vorgehen, welches man hierzulande bislang nur von Vereinsseite kennt, soll rechtlich etwa wie folgt umgesetzt werden: die DFL gründet die Tochtergesellschaft MediaCo als KGaA, welche die weltweiten Medien- und kommerzielle Rechte lizenziert. Diese zahlt dafür Lizenzgebühren und Prämien. Anteile an dieser Gesellschaft - es ist mal von 12,5 %, mal von bis zu 20% die Rede - sollen dann an einen Investor veräußert werden, der an den Lizenzerlösen aus der Rechteverwertung beteiligt wird. Komplementärin soll die DFL bleiben, sodass die Geschäftsführung einer solchen Gesellschaft in den Händen der Liga bleibt. Nichtsdestotrotz wird der Investor mit Vertretern in den Gremien repräsentiert sein. Inwieweit dem Investor außerdem bestimmte Veto-Rechte eingeräumt werden, ist noch nicht bekannt.
Bereits diese Planung zeigt die bewusst unscharfe Darstellung: zunächst war von einem Anteilsverkauf die Rede. Dies soll laut Informationen der Sportschau unter den Clubvertretern auf Widerstand gestoßen sein. Nunmehr heißt es, dass es sich „lediglich“ um eine zeitlich auf 25-30 Jahre begrenzte Abtretung dieser Vermarktungsrechte handeln soll.
Um dieses Vorhaben finanziell einzuordnen: in diversen Medienberichten werden - abhängig von der tatsächlichen Größe der Anteile - Summen im Bereich von 2-3 Milliarden Euro genannt. Als aussichtsreiche Kandidaten gelten vor allem Private Equity-Gesellschaften aus den Vereinigten Staaten und Luxemburg.
Es stellen sich einige Anschlussfragen, um diese Pläne einzuordnen.
1. Was sind die Hintergründe für den Finanzbedarf?
Steigende TV-Einnahmen für Fußballrechte sind keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Auslandsvermarktung der Bundesliga hat in den letzten Jahren stark gelitten und in der Inlandsvermarktung rechnet man DFL-intern nur noch mit schwach steigenden Einnahmen. Daher wurden nach eigener Darstellung der DFL 13 Maßnahmen (Augmented Reality, NFTs, Internationalisierung der Content-Angebote) identifiziert, um die Wertigkeit des Produktes Bundesliga zu steigern. Dies erfordert jedoch Investitionen der Liga als Ganzes, aber auch der Vereine als Content-Lieferanten, die durch den Investoreneinstieg finanziert werden sollen.
2. Wohin soll der Erlös fließen?
Die DFL möchte nach eigener Aussage in „nachhaltigen Wachstum“ investieren und, man kennt das Sprüchlein, die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Clubs im internationalen Wettbewerb sicherstellen. Zu diesem Zweck sollen Mittel für Infrastruktur und Kommunikation (beispielsweise eine eigene Streaming-Plattform) verwendet werden. Ein eigenes Budget der Vereine für Investitionen in die definierten Maßnahmen und den sportlichen Bereich ist aber auch im Gespräch. Nach welchem Schlüssel diese Gelder verteilt werden sollen und inwieweit ihre Zweckbindung im Vorfeld für die Clubs festgelegt wird, darüber ist noch nichts bekannt. Gleiches gilt für die Frage, ob eine etwaige Zweckbindung überhaupt kontrolliert und notfalls sanktioniert werden soll. Ebenso ist unklar, wie mit Auf- und Absteigern umgegangen werden soll.
3. Wie kann so ein Vorhaben formal umgesetzt werden?
Die DFL hat die „Arbeitsgruppe Zukunftsszenarien“ gegründet, welche zunächst Leitplanken für einen Investoreneinstieg aufstellen soll. Wie konkret das Vorhaben bereits ausgearbeitet wurde und wie das Bieterverfahren genau ablaufen soll: nicht bekannt. Am 14.03.2023 hat die DFL allerdings bekannt gegeben, dass Interessenten bereits jetzt eingeladen werden, ein vorläufiges Angebot abzugeben. Diese Angebote sollen den Proficlubs bereits im April im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung präsentiert werden. Anschließend müssten die Vertreter der Proficlubs das Vorhaben mit einer 2/3-Mehrheit beschließen. Ob eine solche Mehrheit momentan existiert: nicht bekannt. Unterschiedlichen Berichten zufolge gibt es im Kreise der DFL jedoch auch Clubs, die das Vorhaben kritisch sehen. Gleichzeitig braucht es nicht viel Fantasie um zu erahnen, dass die jeweilige wirtschaftliche Situation der Clubs die Entscheidung in der Abstimmung maßgeblich prägen wird.
4. Warum ist das Vorhaben kritisch zu sehen?
Das Südtribüne Dortmund-Bündnis hat das Kernproblem treffend auf den Punkt gebracht: zwar lockt die Abtretung von Anteilen mit kurzfristigen Milliardeneinnahmen für die deutschen Clubs, allerdings bleibt fraglich, ob „Auf viel Geld noch mehr Geld“ die richtige Antwort für die aktuellen Herausforderungen im europäischen Profifußball darstellen kann.
Das Vorhaben eines Investors, horrende Summen in den Profifußball zu pumpen, mag unterschiedlich motiviert sein. Mal geht es um Sportswashing autoritärer Staaten, mal auch nur um persönliche Befindlichkeiten eines schwerreichen Mäzens. Das grundlegende Prinzip einer Private Equity-Gesellschaft hingegen ist es, Profit aus einer Investition zu schlagen. Damit ist wiederum die Gefahr für alle Formen kurzfristiger und langfristiger Einflussnahme solcher Investoren gegeben. Wie gewinnen also die Vermarktungsrechte an Wert? Auch hierfür braucht es nur wenig Fantasie: Salami-Spieltage, Anstoßzeiten, die für Absatzmärkte in Nordamerika und Fernost ausgelegt sind, möglicherweise auch Partien, die direkt im Ausland ausgetragen werden.
Augenscheinlich existieren zudem selbst bei den verantwortlichen Personen ganz unterschiedliche Auffassungen darüber, wie das frische Geld verwendet werden soll. Dies zeigt etwa die erstaunliche Diskrepanz der Aussagen von Klaus Filbry (Geschäftsführer Finanzen, Werder Bremen) und Herbert Hainer (Präsident, Bayern München). Während Filbry von der „Weiterentwicklung der Liga“ als Ganzes spricht und die Zweckbindung der Mittel in den Bereichen Infrastruktur und Digitalisierung verortet sieht, will Hainer vor allem „in Spieler investieren“. Die Wettbewerbsfähigkeit der Liga werde nach Hainers Auffassung insbesondere dann gestärkt, wenn internationale Topstars nach Deutschland geholt werden können.
Das grundlegende Problem wird deutlich: Wenn nach außen von der Wettbewerbsfähigkeit und der Attraktivität der Bundesliga die Rede ist, dann ist damit selten gemeint, die Lücke vom VfL Bochum zu Borussia Dortmund zu schließen. Es geht in aller Regel um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Europapokal-Dauerabonnenten und deren Chancen, alle paar Jubeljahre einmal in einem Champions League-Finale zu stehen. Mit nachhaltiger Investition hat das jedoch relativ wenig zu tun.
Ein letztes Gedankenspiel: was passiert eigentlich, wenn zukünftig keine US-amerikanische Private Equity-Gesellschaft, sondern etwa die Qatar Holding LLC in einem Bieterverfahren um die DFL-Anteile den Zuschlag bekommt? Eine vorsichtige Prognose: für Protestaktionen wie die zahlreichen kritischen Spruchbänder auf der Südtribüne gegen die WM in Katar dürfte die Mitsprache eines solchen Investors nicht unbedingt zuträglich sein.
4. Welche Rolle spielt Borussia Dortmund?
Anders als andere Funktionäre halten sich BVB-Vertreter hinsichtlich der Pläne der DFL lange Zeit erstaunlich bedeckt. Das verwundert umso mehr, als Hans-Joachim Watzke neben seiner Funktion als Geschäftsführer der KGaA seit 2022 auch Aufsichtsratschef der DFL ist. Gestern äußerte er sich erstmals ausführlich in einem SZ-Interview und verteidigte die Pläne der DFL. Angesichts des Investitionsbedarfs der Liga sei ein „weiter so“ keine Option, andernfalls würde man sich schnell auf dem Level der niederländischen und portugiesischen Liga wiederfinden, so Watzke. Interessant: ihm selbst sei die Investoren-Lösung „nicht so wichtig“, er sehe sich in dieser Frage vielmehr als Interessenvertreter der 36 Proficlubs. Es darf allerdings vermutet werden, dass von einem Investoren-Geldregen vor allem die sportlichen Zugpferde unter den deutschen Clubs profitieren werden – also eben Vereine wie der BVB. Ob sich Watzke wirklich nicht in einem Interessenkonflikt befindet, bleibt damit fraglich.
Fans von Borussia Dortmund, aber auch Anhänger anderer Proficlubs täten gut daran, im Rahmen ihrer jeweiligen Strukturen aktiv zu werden und ihre Vereinsvertreter in die Verantwortung zu nehmen. Wie gezeigt, ist bereits die Kommunikation der BVB-Verantwortlichen als mangelhaft zu bewerten. Erst im vergangenen November hat sich der Verein einen Grundwertekodex gegeben, dessen Bindungswirkung für die KGaA schon seinerzeit von uns kritisch hinterfragt wurde. Auszüge aus dem Kodex:
„Wir sind offen zueinander – Information und Transparenz“
„Wir spielen fair – Finanzielles Fairplay in Wettbewerb und Haushaltsführung“.