Bundesliga BVB vs. Stuttgart Wutpocken
Während ich diese Zeilen zum gestrigen Spiel schreibe, kämpfe ich gegen Gedanken und Worte in meinen Kopf, die besser unausgesprochen bleiben. Oder auch: ein Ende mit Schrecken und viel viel Wut und Enttäuschung auf allen Seiten.
Es ist Samstag, Spieltach. Heute winken die Schwaaaabenschweine aus dem Tabellenkeller. Ich mag sie nicht und trotzdem schnuppert Cheyenne Blue, mein königsblauer Rapid, heute zum ersten Mal deutsche Autobahnluft. Ich bin früh dran, um sie vor dem spottenden schwatzgelben Mob in Sicherheit zu bringen. Willkommen im Bundesland mit den „nett hier, aber waren sie schon mal in Baden-Württemberg“ Aufklebern. Ja war ich, zum Glück aber äußerst selten.
Um 12:30 strande ich also in Schwabenhausen, die Polizei fummelt verträumt ihre Kleidung zurecht. Das hatten nicht nur wir hier auch schon anders. Wobei, wer mich mit 8 Tennisbällen, kreuz und quer an meinem Körper verteilt, durch die Kontrollen lässt, kann kein schlechter Mensch sein. Man, ist das lang her. Und die Preise noch immer ganz großes Tennis, 50 Cent fehlen noch für‘n Zwanni fürn Steher. Da hilft nur noch ein Investor, um noch teureren Eintrittspreisen entgegen zu wirken oder wie war das, Herr Watzke? Nicht etwa Gehaltsdeckelungen? Wutpocken bekomme ich bei so viel nicht vorhandener Wertschätzung von Menschen auf Abwegen. Und das nicht zum letzten Mal.
Heute haben wir also mal wieder die Chance, den FC Chaos und seinen neuen Erfolgstrainer zu überholen. Let‘s do this!
Maskottchen Fritzle begleitet die Jungs des Vereins für Bewegungsspiele auf den Rasen. Klingt fast so bescheuert wie Rasenballsport. „Wie gewollt und nicht gekonnt“, würde mein Vater sagen. Spoiler: Dortmunds Mentalitätsmonster hingegen hätten heute zwar gekonnt, aber offensichtlich nicht gewollt.
Der Gästeblock wirkt heute ein wenig trostlos. Dennoch haben es zwei rebellierende Schwenkfahnen erfolgreich in den Block geschafft. Ausgesperrte Fahnen immer bei uns!
Dadurch, dass ich annahm, dass die Bayern Hoffenheim mit mindestens 18:0 vom Platz fegen, wünschte ich mir heute nur, den Abstand nicht wieder zu vergrößern. Ein Sieg wäre also cool und sollte gegen den Tabellenvorletzten ja wohl möglich sein. Dachte ich. Ich verrückter Optimist.
Dortmund startet beeindruckend mit Can, der nach einem kaum erkennbaren Foul minutenlang schwer verletzt am Boden liegt und kaum, dass man ihm Beachtung schenkt, sofort zum Pöbeln aufspringen und weiter rennen kann. Nichts gegen Pöbeln, aber ich hasse das. Wie die Pest, um genau zu sein.
In der fünften Minute folgt dann die erste Stuttgarter Chance, halbherzig, ebenso wie ihre Fans, die zu Beginn auch nicht an das große Wunder vom Schwabenländle glaubten. So posaunen sie das leiseste „BVB Hurensöhne“ heraus, das mir die letzten Jahre zu Ohren gekommen ist.
Nach knapp zehn Minuten wird Dortmund plötzlich wach. Karim Adeyemi, schön dass du wieder da bist. Eine weitere viertel Stunde später hämmert Haller den Ball nach Vorlage von Malen dann endlich ins Cannstätter Netz. Und wie! Huch, da bin doch glatt aus meinem Halbschlaf erwacht. Keine drei Minuten später verhindert Kobel den Ausgleich seines Ex-Clubs. Malen will nachlegen und schickt den Ball in Lichtgeschwindigkeit in Richtung Cannstätter Kurve. Schade Schokolade.
In der 38. Minute verursacht Gelbe-Karten Emre dann fast, aber auch nur fast, einen Elfmeter. Das Glück ist mit den Dummen, noch. Malens nächster Angriff endet wenige Minuten später mit einer gelb-roten Karte für Mavropanos. Stuttgart ist somit nur noch zu zehnt, schönen Gruß und auf Wiedersehen. Wir führen 2:0, halbwegs entspannt geht es in die Halbzeitpause.
Fünf Minuten ist die zweite Halbzeit alt, als Jude einen Ball, den ich schon abgeschrieben hatte, an die Latte befördert. Drei Minuten später gelingt es dann auch, allerdings im falschen Tor. Stuttgart rastet aus. Abseits. Stuttgart rastet aus Teil II.
Der beste Schwarzgelbe auf dem Platz probiert es dann auch gleich nochmal, ich Malen mir schon einen sensationellen Sieg aus und .. Edin wechselt ihn aus. Hä?
Im gleichen Moment fällt der Ausgleich in München! Jaaaaaaa! JAAAA! Und keine Minute später das 2:1 für München. Aber Halt Stop, Abseits. Danke Abseitsgott für deine wundervollen Taten heute. Halleluja. Scheiß auf das, was in Stuttgart passiert, München ist der Pulskiller.
Kaum, dass aus meiner Freude wieder echte Hoffnung auf das silberne Ding wird, löst sie sich auch schon in Luft auf. Emre Can lässt den Ball falsch abbiegen, nicht mal Kobel kann ihn retten und schon ist er da, der erste von zu vielen Anschlusstreffern am heutigen Tag. Wutpocken breiten sich nicht zum ersten und letzten Mal für heute auf meinem Gesicht aus. Ich könnte gerade irgendwen da unten auf dem Rasen … essen!? Merkt ihr noch irgendwas was?
Nur sieben Minuten später - die Pocken sind noch nicht ganz verheilt - zappelt der Ball wieder im Dortmunder Netz. Ausgleich. Zu Zehnt. Als Vorletzter gegen den Zweiten. MAN! Warum?
Wer jetzt denkt, es ist Zeit, aufzuwachen, hat hingegen nicht mit Dortmund gerechnet. Prima, ein Unentschieden gegen Stuttgart. So holen wir das Ding! Wenn Bayern patzt, können wir das schon lange. Wäre doch gelacht! Ich kralle mich in meinen Nebenmann, der schmerzerfüllt aufschreit. Ups, sorry. Doch mein Schwall an negativer Energie kommt nicht auf dem Rasen an.
Sechs Minuten Nachspielzeit, kommt schon! Und ja, sie kommen! Gio Reyna hat mich erhört und bringt uns in Minute 90+2 erneut in Führung. Yes! In München wird zugleich abgepfiffen. Einen Punkt in Sinsheim ergaunert, Tuchel noch immer hochzufrieden? Voller Häme schraubte ich an meiner imaginären Sektflasche. Spitzenreiter! Quasi. Hochromantisch zusammen mit München. Ich bin schon kaum noch bei der Sache, tanze fröhlich zu „wer wird deutscher Meister“ auf meinem Platz hin und her als das Stadion in der 97. plötzlich eskaliert und ich fast an meiner Spucke ersticke. Rotweiße Spielertraube - Tor? TOR?? Das darf nicht wahr sein. Aber das ist es, leider. Mal wieder.
Ich bin selten sprachlos und habe noch viel seltener nicht die passenden Schimpfwörter auf Lager. Bevor sie mir doch noch einfallen, bin ich besser an dieser Stelle raus. Nicht mal ein beruhigendes „wir lieben Borussia Dortmund“ kann die in mir schlummernde Wutrede noch abwenden. Und auch nicht ein enttäuschter und trauriger Edin Terzic, dem genauso die Worte fehlen.
Man, Leute. So wird das nix.