BVB gegen RB Leipzig Brennende Kehlen, brennende Herzen
„Als der BVB zuletzt ein Freitagabendspiel verloren hat, war Jude Bellingham ein halbes Jahr alt.“ Na dann konnte ja nichts mehr schief gehen. Ging es auch nicht.
Dass gestern Abend jeder, aber auch wirklich jeder, bis in die letzte Haarspitze brannte, lässt längst vergessene Emotionen und Träume zum Leben erwachen. Die Südtribüne war heiß und das nicht erst zum Anpfiff. Sie begrüßte Bullen aller Art lautstark, gewillt, die drei Punkte heute nach Dortmund zu schreien.
Der Verein aus dem Osten zeigte währenddessen eine Choreo, die ihresgleichen sucht. „0341 die Vorwahl“ auf dem Banner, eine undefinierbare Figur darüber und Folien in den traditionellen Vereinsfarben, die leider nur für die Hälfte des Blocks reichten. Hübsch!
Auf dem Rasen galt es schon beim Aufwärmen, den ersten Schock zu verdauen. Gregor Kobel musste verletzt passen. Scheiße. Scheiße. Scheiß Red Bull.
Doch Spieler und Tribüne sprachen Alex Meyer Mut zu. Gib alles, Jung!
Red Bull machte Druck, gleich zu Beginn zwei Schüsse aufs Tor. Mein Pulsoximeter muckt kurz auf.
Doch welcher Ruck auch immer da heute durch die Tribünen ging, es wirkte. Laut waren sie. Unangenehm.
Und nach zehn Minuten erwachte dann auch der BVB. Ein Leipziger Konter wird von Brandt ausgebremst. Moment mal. Brandt brennt! Und wie er brennt! Völlig allein kommt er zum Abschluss, Torwart Blaswich steht wie eine Statue. Aber es wäre nicht der moderne Fußball, wenn der Kölner Keller nicht ein Handspiel bei Brandts Ballannahme vermelden würde. Ich hätte so viele Schmähgesänge auf der Zunge, zum Glück nimmt die Süd sie mir ab. Knappe zehn Minuten später ein absoluter Sahneschnittenkäsekuchenpass von Bellingham auf Brandt. Das wärs gewesen. Keine Minute später ist auch Wolf zu ähnlichem Sensationspass fähig. Wie geil ist das bitte anzuschauen? Leipzigs Torwart hat da nur noch eine Lösung und haut den zum Schuss ansetzenden Reus um. Elfmeter! Und endlich das mehr aus überfällige Tor!
Kurzes Durchatmen. Auf dem Rasen. Auf der Tribüne. Auf der Couch. In der Kneipe. Denn heute wird er ein oder andere noch um mindestens fünf Jahre altern. Kurz, Freunde. Kurz hab ich gesagt! Leipzig bekommt keine Luft zum atmen, keinen Raum für einen Angriff. Geil! Geil ist das anzuschauen!
Fünf Minuten vor dem Halbzeitpfiff der nächste Sahnemoment (Ist es für Veganer eigentlich auch ein Sahnemoment?) Ein Freistoß von Brandt erschien zunächst geklärt, doch was macht Can da? Er schießt! Nein, er feuert ab! „Wer nicht schießt, kann nicht treffen“ oder wie war das? Irgendwer berührt den Ball noch mit dem Fuß, Tor! Tor Tor Tor! Außer Rand und Band bin ich! Zum Glück habe ich jetzt 15 Minuten Zeit, mein T-Shirt zu wechseln.
Doch keine Zeit zum Durchschnaufen, nach Anpfiff waren die Bullen nämlich ganz schön am Drücker. Sogar auf der Tribüne. Sie schienen einen Kurs im Zünden von Pyrotechnik gemacht zu haben. Herzlichen Glückwunsch. Anzeige vom Rest des Gästeblocks ist raus.
In der 74. Minute dann der läääängst verdiente Anschlusstreffer -wenn man den unzähligen Fernsehexperten Glauben schenken will- durch Forsberg. So sei es nämlich keine geile Mannschaftsleistung, sondern Glück, Dortmunder Bayerndusel sozusagen, dass es nicht Unentschieden stehe. Also ich weiß nicht, an welchem Stoff ihr geschnuppert habt, aber ich habe ein anderes Spiel gesehen.
Nach dem Treffer ist die Luft noch einmal raus. Es passiert lange nichts. Sehr lange. 20 Minuten um genau zu sein. Was dann folgt, erinnert an Málaga, keinen hält es mehr auf den Plätzen. Schlotti klärt als staatlich geprüfter Kobelersatz Werners Schuss kurz vor der Linie. Wie die Berliner Mauer lässt er den Ball abprallen, der sonst gnadenlos im falschen Tor versenkt worden wäre. Er hat sich kurz nicht im Griff, schreit die ganze Anspannung raus, Hummels schreit mit ihm. Beide versinken kurz in Selbstverliebtheit. Bin auch verliebt! Noch zwei Mal kann ein Leipziger Angriff durch Agieren als Mannschaft entschärft werden und dann ist Schluss! Ende, aus, Mickie Mouse. Das Stadion explodiert. Der 80 jährige in der ersten Reihe, die Jungs auf der Süd, das Mädel im Bellingham Trikot - ausnahmslos alle, als wären wir schon Meister.
Und so folgt es, ein „Deutscher Meister wird nur der BVB“ aus 80.000 brennenden Kehlen. Kein einziger ist früher gegangen.
Und endlich glaubt ihr‘s mir, das Ding mit der Meisterschaft.