Im Gespräch mit...

BVB U23-Trainer im Interview ...Jan Zimmermann: "Man spielt Fußball, um Tore zu schießen"

20.04.2023, 10:40 Uhr von:  Inken Larissa
Jan Zimmermann im schwarzen BVB-Hoodie mit schwarzer Trainingshose. Er lächelt in die Kamera. Im Hintergrund ist eine Stadiontribüne erkennbar.

Kaum zwei Monate in Dortmund, haben wir uns unseren neuen U23-Trainer zum Interview geschnappt. Wir sprachen mit ihm unter anderem über die ersten Eindrücke von den Amateuren, seine Zeit als Spielertrainer bei Egestorf/Langreder und seine etwas ungewöhnliche Lieblingsliga.

schwatzgelb.de: Erstmal: Herzlich Willkommen in Dortmund. Wie gefällt es dir bislang?

Jan Zimmermann: Wirklich sehr gut. Ich bin vom ersten Tag an offen und herzlich empfangen worden. Der Einstieg hier wurde mir total leicht gemacht. Und jetzt haben wir ja, Gott sei Dank, auch sportlich unseren Weg gefunden und positive Ergebnisse eingeholt. Das macht natürlich alles sehr viel einfacher und die Arbeit macht dadurch noch mehr Spaß. Ich fühle mich wirklich sehr wohl und es ging überraschend schnell, dass ich mich so wohl gefühlt habe.

Was war dein erster Gedanke, als der BVB sich bei dir gemeldet hat?

Dass ich es total spannend fand. Dass es auch, nach meinem letzten Job, genau die Richtung war, in die ich gehen wollte. Bei einem so großen Club kann ich mich auch selbst weiterentwickeln und lernen. Deswegen fand ich es vom ersten Augenblick an spannend und als ich mich dann intensiver mit der Mannschaft beschäftigt und mit Ingo Preuß und Sebastian Kehl gesprochen hatte, war ich schnell davon überzeugt, dass ich gut hierher passe und dass ich dieser Mannschaft helfen kann, auch wieder erfolgreich zu sein.

Was waren deine Erwartungen? Die U23 spielte ja zu diesem Zeitpunkt nicht gerade die Sterne vom Himmel…


Naja, es ist ja immer das Los des Trainers, der gerade keinen Job hat, dass man dann so gut wie immer Mannschaften übernimmt, bei denen es gerade nicht so läuft und dann noch in der Saison, wenn man nicht so viel Zeit hat. Es war für mich jetzt auch das erste Mal, dass ich von Tag auf Tag angefangen habe. Im Endeffekt hatte ich direkt ein Spiel am Wochenende und davor nur zwei Trainingseinheiten. Ich war da auch noch selber total gehandicapped mit meinem Achillessehnenriss, ich konnte zum Beispiel kein Autofahren. Das war dann schon sehr viel für den Anfang. Dann haben wir auch die ersten beiden Spiele verloren, der Einstieg war alles andere als einfach. Aber ich hatte von Anfang an die Überzeugung, mit der Mannschaft erfolgreich sein zu können. Ich habe hier auch ein Trainerteam und Staff vorgefunden, die total hilfsbereit und motiviert waren - die mich einfach noch mehr darin bestärkt haben, dass das hier funktioniert.

Wie geht es deinem Fuß inzwischen?

Der ist wieder heile, aber noch nicht wieder gut. Zumindest kann ich wieder normal gehen und Autofahren. Ich merke aber schon, dass es mir fehlt, auch wieder gegen den Ball zu treten. Aber es wird von Woche zu Woche besser.

Wie lief dann der erste Tag als Trainer hier in Brackel?

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich an diesen Tag jetzt schon gar nicht mehr erinnern kann. Ich habe jetzt tatsächlich die zehnte Trainingswoche geplant und dann gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist. Ich bin einfach schon zweieinhalb Monate hier. Aber es ist zum einen einfach viel, was dann im Moment auch zu tun ist. Und zum anderen macht es mir einfach viel Spaß und ich fahre wirklich gerne zur Arbeit. Generell war es aber ziemlich wild die ersten Wochen, es ging von einem Termin zum anderen. Ich weiß noch, dass ich am zweiten Tag fast zu spät zum Training gekommen bin, weil Edin mich noch angerufen hat, ob ich kurz rüberkomme. Da haben wir uns dann ein bisschen verquatscht. Es waren viele Gespräche, ich habe viele Leute kennengelernt und viele neue Gesichter gesehen. Aber nochmal: Ich habe sehr, sehr viele positive, herzliche und freundliche Gesichter gesehen.

Erinnerst du dich noch an den ersten Eindruck der Mannschaft?

Jung. Das weiß ich noch, als ich in die Kabine gekommen bin. Sehr jung, sehr wild und auf jeden Fall auch ein Stück weit verunsichert.

Wie läuft das so, wenn man in eine U23 kommt, die in der Krise ist. Liegt da der Fokus erstmal nur auf sportlichen Ergebnissen oder bindet man schon sofort Talententwicklung ein?

Naja, wenn man sich dazu entschließt, eine U23 zu trainieren und dann auch noch bei Borussia Dortmund, dann weiß man, dass es darum geht, Spiele zu gewinnen und erfolgreich zu sein. Aber parallel dazu auch, Spieler weiterzuentwickeln und das auf höchstem Niveau. Deswegen ist es auch für den Verein erstmal wichtig, in dieser Liga zu bleiben. Das hat natürlich Priorität - aber trotzdem schließt das eine das andere ja nicht aus. Wir wollen trotzdem Spieler weiterentwickeln, die dann auch in der Lage sind, in schwierigen Situationen der Mannschaft zu helfen und eine gute Leistung zu bringen. Das hilft ihnen natürlich dann auch in ihrer persönlichen Entwicklung. Trotzdem ist es gerade in den engen Spielen wichtig, den ein oder anderen erfahrenen Spieler auf dem Platz zu haben. Die werden uns gerade in der letzten Phase sicherlich helfen können.

Wenn zwischen dem Amtsantritt und deinem ersten nur so wenige Tage liegen, kann man dann in dieser Zeit überhaupt schon etwas bewirken?

Nein.

Jan Zimmermann in grauer BVB Jacke im Westfalenstadion. Sein Blick geht auf das Feld und er hat protestierend beide Arme erhoben.

Wie bekommt man dann wieder Sicherheit in so verunsicherte Spieler hinein?

Mit Vertrauen. Training heißt ja nicht immer nur, dass es darum geht, irgendwelche Übungen zu machen, sondern auch, einen Austausch mit den Spielern zu schaffen, die Spieler kennenzulernen und ein Gefühl für sie zu bekommen. Aber auch, dass die Spieler ein Gefühl für den Trainer bekommen, was der Trainer von ihnen erwartet, was er will und wie er das will. Es ist das Wichtigste, den Spielern einen Raum zu geben, in dem sie sich wohl fühlen und in dem sie Vertrauen in das bekommen, was man vorhat. Wenn man dann anfängt Spiele zu gewinnen, steigt natürlich dieses Vertrauen, weil sie merken, dass das, was wir in der Woche alles erarbeiten, am Wochenende funktioniert.

Wie lange dauert es etwa, bis so eine Vertrauensbasis da ist?

Das ist ja immer eine Entwicklung. Bei dem einen geht es schneller und bei dem anderen dauert es ein bisschen länger. Manche Spieler tun sich damit schwer, weil sie vielleicht vorher schlechte Erfahrungen gemacht haben. Der ein oder andere braucht vielleicht auch ein wenig länger, bis er mit meiner offenen und klaren Art klarkommt und etwas damit anfangen kann. Das kann man gar nicht so pauschal sagen.

Von deinen ersten sechs Spielen hast du dann nur einmal gewonnen und fünf mal verloren. Was ging dir da durch den Kopf?

Man versucht das natürlich immer von sich wegzuhalten und sich wieder auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Wenn man jetzt noch die letzten Spiele von Hannover dazu rechnet, dann ist das für mich persönlich natürlich sehr frustrierend gewesen. Das nagt an einem. Da muss man immer wieder gucken, dass man selbstbewusst und von seiner Arbeit überzeugt bleibt. Da braucht man auch in seinem persönlichen Umfeld hin und wieder den engen Kontakt, der einem ein bisschen Zuspruch gibt. Natürlich ist es auch klar, dass ich mir das hier zu Beginn anders vorgestellt habe, als es dann gekommen ist.

Während der vergangenen Spiele konnte man ja dann vor allem gegen die direkte Konkurrenz wichtige Punkte einfahren. Wie ist die Stimmung aktuell?

Die Stimmung ist gut, die Stimmung war aber auch die ganze Zeit nicht schlecht. Wir haben ein paar Spiele verloren, in denen wir schon eine gute Leistung erbracht haben. Wir sind immer positiv geblieben, die Mannschaft auch. Die Stimmung ist grundsätzlich gut, aber jetzt ist sie natürlich viel gelöster. Die Jungs wirken viel selbstbewusster. Ich habe auch das Gefühl, dass wir jetzt gefestigter sind, sodass uns auch ein Rückschlag - der in den nächsten Wochen noch kommen kann - sicher nicht aus der Bahn werfen würde.

Die Mannschaft konnte ihre Torbilanz von 0,8 auf 2 Tore pro Spiel anheben. An welchen Stellschrauben hast du gedreht?

Ich habe von Anfang an überlegt, was für Spieler mit welchen Fähigkeiten wir haben und wie man es schafft, die Mannschaft so auf den Platz zu bekommen, dass diese Fähigkeiten am Besten zum tragen kommen. Ich glaube, es hat ein bisschen gedauert, bis wir unseren Weg gefunden haben, mit ein paar Auf und Abs. Jetzt haben wir eine Spielweise gefunden, die gut zu unseren Spielern passt und bei der sich unsere Spieler auch wohl fühlen und die erfolgreich sind. Das hat mir einen Tick zu lange gedauert, aber wenn das jetzt so weiterläuft, wie wir es in den letzten Wochen gemacht haben, dann haben wir ja noch rechtzeitig die Kurve bekommen.

Es sind jetzt ja auch sehr viele unterschiedliche Spieler, die plötzlich die Tore schießen. Ist das dann am Ende eine reine Kopfsache?

Naja, der Kopf spielt ja immer eine Rolle. Bei den Jungs natürlich auch. Je besser es läuft, umso klarer sind sie dann auch im Kopf. Das sind allerdings auch verschiedene Situationen. Man kann natürlich nicht die Tore von Justin, die wir nach einem Konter schießen, mit den Toren von Franz Pfanne nach einer Standardsituation vergleichen. Was natürlich ein großer Faktor ist, ist, dass die Zielstrebigkeit eine ganz andere geworden ist. Wir haben jetzt zuletzt auch Tore geschossen, die wir in den ersten zwei, drei Wochen nicht gemacht haben, weil die Spieler Fußball gespielt haben, ohne ein klares Ziel dabei zu haben. Das haben wir jetzt ein bisschen in den Vordergrund gerückt, dass man Fußball spielt, um Tore zu schießen. Dabei müssen wir sie immer wieder anschieben, weil der ein oder andere noch zu gerne ein bisschen schnickt. Aber man sieht gerade bei einem Franz Pfanne in Duisburg - es ist banal und kostet wahrscheinlich drei Euro - man kann nur ein Tor schießen, wenn man auch schießt. Manchmal ist Fußball halt auch ganz einfach.

Wo ist aktuell noch der größte Verbesserungsbedarf?

Ach, der ist überall. Wir haben ein paar Sachen gut gemacht, wir haben jetzt aber auch beim Duisburg Spiel, trotz des 5:0 Ergebnisses, jetzt auch Phasen gehabt, in denen wir nicht so gut waren. Wir versuchen Woche für Woche immer weiter, unser Spiel zu optimieren und Sachen anzupassen. Wir haben Schwankungen und Ausschläge nach oben und nach unten. Mal klappt die eine Sache besser und mal die andere. Es kommt ja auch immer drauf an, gegen was für einen Gegner man spielt. Wichtig ist nur, dass wir im Endeffekt das Niveau immer weiter nach oben schrauben.

Unter Preußer kamen Eigengewächse aus der U19 selten zum Zug. Planst du auch mit Spielern aus der U19 oder erstmal nur mit den Jungs der U23?

Ich möchte hier gar nicht vergleichen. Ich gucke, was mir die Spieler im Training anbieten. Wir haben natürlich immer verschiedene Konstellationen: Youth League oder deutsche Meisterschaft bei der U19, Länderspielpause bei den Profis, unsere Spieler wechseln ja auch immer mal wieder von Mannschaft zu Mannschaft. Am Ende geht es klar darum, dass wir junge talentierte Spieler weiterentwickeln. Dazu gehört aber auch, dass sie sich dem Konkurrenzkampf stellen und am Ende geht es für mich darum, die Mannschaft, oder die Spieler, auf den Platz zu bekommen, die in der Trainingswoche am meisten gezeigt haben, dass sie auf den Platz gehören. Dann ist es mir egal, ob es dann ein achtzehnjähriger oder ein dreiundzwanzigjähriger Spieler ist.


Zimmermann, ganz in Schwarz, beim Abklatschen mit Njinmah, im schwarz-gelben Heimtrikot. Beide schauen dabei schräg rechts nach unten und stehen am grünen Rand des Feldes.

Man liest oft, dass du ein Trainer bist, der die Spieler besser machen würde. Können wir uns also auch künftig wieder auf eine Reihe Spieler freuen, die den Sprung von der U23 zu den Profis schaffen?

Das ist mir auch ein bisschen zu einfach. Spieler besser, das mache ja nicht ich, sondern das machen die Spieler ganz alleine. Jeder Spieler ist selbst dafür verantwortlich, besser zu werden. Ich bin jemand, der motivierten Spielern gerne hilft, besser zu werden. Da unterstütze ich sie mit allem, was ich habe. Ich bin sehr allergisch bei bequemen, faulen oder beleidigten Spielern. Aber Spieler, die wirklich Bock haben und motiviert sind, bekommen von mir alles, was ich ihnen geben kann. Und dann entwickelt sich ein Spieler einfach positiv weiter. Man darf aber auch nicht vergessen, dass der Sprung von der U23 zu den Profis von Borussia Dortmund gewaltig ist. Der Sprung von der U19 zu der U23 ist schon groß, die dritte Liga ist schließlich auch eine Profiliga. Und dann darf man auch nicht vergessen, dass Borussia Dortmund kein normaler Bundesligaverein, sondern ein Top Champions League Club ist. Ich weiß, dass sich im Umfeld oft die Frage gestellt wird, warum es die U19-Talente, die um die deutsche Meisterschaft spielen, nicht schaffen, bei Borussia Dortmund Profis zu werden. Weil Borussia Dortmund einer der Top Clubs in Europa ist.

Unsere Jungs verteilen sich ja trotzdem ziemlich gut in der Bundesliga, wenn man mal in die Kaderlisten schaut…


Auf jede Fall. Da wird in der Jugend ganz, ganz tolle Arbeit geleistet. Wir haben ganz, ganz viele tolle Spieler, die im Vorfeld nicht den Fehler machen, die dritte Liga zu unterschätzen. Das ist eine reine Profiliga, da sind ganz viele abgezockte Jungs dabei, die ganz viel Erfahrung haben und die jede Woche bereit sind, alles zu investieren. Da bekommt man keinen Sieg und kein gutes Spiel geschenkt.

Was ist bei der Entwicklung von Talenten das Wichtigste?

Wie eben schon gesagt, dass man ihnen einen Rahmen gibt. Dazu gehören klare Regeln und klare Aufgaben, aber dann auch ein gewisser Freiraum, in dem sie sich auch entfalten können. Dann auch die Unterstützung, dass sie auch immer das Gefühl haben, dass sie Fehler machen dürfen, wenn sie motiviert und fleißig sind, diese Fehler dann auch wieder auszubügeln und aus diesen Fehler zu lernen. Das gehört im Endeffekt zu einer Entwicklung dazu.

Wie wichtig ist es, jetzt wieder im eigenen Stadion spielen zu können?

Total wichtig, da wir für unsere Abläufe auch mal wieder Klarheit haben. Dass wir wissen, wo wir hingehören und wo wir Zuhause sind. Dass wir das auch wieder schaffen können, das zu unserer Heimstätte zu machen, in der wir schwer zu schlagen sind. Ich hoffe natürlich, dass wir nicht zu viele Spiele parallel zu den Profis haben, damit wir auch dann eine tolle Unterstützung haben, wie ich es aus der Roten Erde auch kenne. Das gibt den Jungs natürlich auch total viel Kraft, wenn ich mich da an das Auswärtsspiel bei 1860 erinnere. Deswegen bin ich froh, dass wir jetzt wieder Zuhause sind. Wobei ich auch sagen muss, dass wir es in Oberhausen nicht ganz so schlecht gemacht haben.

Wie ist denn dein Eindruck von der Roten Erde?

Noch habe ich ja nicht viel gesehen. Ich war ein paar Mal als Zuschauer und ich glaube auch einmal als Gegner da. Jetzt waren da natürlich noch viele Baustellen und Kräne da. Es ist natürlich sehr traditionell, das auf jeden Fall. Ich glaube, dass es jetzt auch einfach wichtig war, dass der Rasen neu gemacht wurde, weil das auch unserer Spielweise mehr entgegenkommt und weil die professionellen Rahmenbedingungen auch besser passen.

Wie sehr entspricht der gezeigte Fußball bereits deinen Vorstellungen?

Es geht auf jeden Fall in die richtige Richtung. Für mich ist wichtig, dass das, was wir machen, aktiv ist. Egal ob wir oder der Gegner den Ball hat. Dass das, was wir machen, zielführend ist. Ich bin keiner, der es mag, dass wir irgendwie 70% Ballbesitz haben, aber nur in der eigenen Hälfte spielen. Mir geht es darum, dass wir nach vorne spielen, dass wir zielstrebig sind, dass wir Chancen herausspielen und dass wir Tore schießen wollen. Dass wir eine große Dynamik in unserem Spiel haben. Ich glaube, da sind wir jetzt auf einem guten Weg.

Wofür steht generell der Fußball, den du spielen lässt?

Ich finde, dass man das pauschal auch nicht so sagen kann. Jeder Trainer hat eine Idee, aber dafür brauchst du auch die Spieler. Es gibt wenige Trainer, wenn man jetzt mal Guardiola und zwei, drei Große ausnimmt, die ihre Spielidee haben und sich für alles Geld der Welt die passenden Spieler dazu holen können. Ich habe es ja eingangs gesagt, ich muss gucken, was für Spieler wir haben und welche Möglichkeiten diese Spieler haben. Mir ist es allerdings immer wichtig, dass ich eine aktive Mannschaft habe. Wir werden nie irgendwie hinten drin stehen und nur versuchen, unser Tor zu verteidigen, sondern wir werden schon aktiv versuchen, Bälle zu erobern. Wir werden aktiv versuchen, Torchancen herauszuspielen, sodass man immer, auch als Zuschauer, das Gefühl hat, dass die Mannschaft etwas will und nicht nur verwaltet.

Enno Maaßen, an den wir hier noch gute Erinnerungen haben, ist ein alter Bekannter von dir. Ist sein Werdegang auch ein Vorbild für dich?

Ich glaube, unser Werdegang ist sehr ähnlich. Wir haben früher schon in der Oberliga gegeneinander gespielt. Egerstorf/Langreder gegen Drochtersen/Assel, da brauchte man eine Seite zum Ausklappen, um beide Vereinsnamen drauf zu bekommen. Ich freue mich für Enno. Er hat hier gute Arbeit gemacht und jetzt seine Chance genutzt. Er kriegt es in Augsburg auch ganz gut hin. Man kann sicher von jedem etwas Positives und Negatives mitnehmen, woraus man vielleicht seine Schlüsse ziehen kann für seinen persönlichen Weg, aber ich würde jetzt nicht so weit gehen, dass ich Enno als Vorbild nehme.



Jan Zimmermann in grauer, dicker BVB Jacke. Er steht im Westfalenstadion. Sein Blick ist auf das Feld gerichtet. Am Fuß trägt er die Schiene für seinen Achillessehnenriss.

Deine Trainerkarriere begann als Spielertrainer bei Egestorf/Langreder. Warum hast du dich überhaupt dafür entschieden, Trainer zu werden?

Weil ich immer Stress mit Trainern hatte und dann dachte: “Okay, dann mache ich es lieber selber.” (lacht) Spielertrainer zu werden, war mit Sicherheit keine schlaue Idee, das kann ich auch keinem empfehlen. Entweder man trainiert und spielt dann ganz vernünftig, oder man macht das Training, dann ist man ein vernünftiger Trainer, aber spielt wie eine Wurst. Deswegen ist es immer eine Sache, die nie richtig funktioniert. Ich habe mich dann, im Nachhinein vielleicht glücklicherweise, mit einem Kreuzbandriss recht schwer verletzt. Somit hat sich dann die Frage eines Spielertrainers nicht mehr gestellt. Ich war nur noch Trainer und mir wurde die Entscheidung abgenommen. Im Nachhinein war das jetzt, abgesehen von der schweren Verletzung, schon ganz gut, dass es damit erledigt war.

Du warst anschließend bei Havelse parallel Trainer und Sportmanager. Muss Ingo Preuß nun um seinen Job fürchten?

Da habe ich tatsächlich parallel auch noch einen normalen Job gehabt. Ich habe das alles nebenbei gemacht. Das hat mir auch Spaß gemacht und auch jetzt arbeite ich mit Ingo auch eng zusammen, was Kaderplanung und Organisation betrifft. Trotzdem überlasse ich das dann lieber ihm und konzentriere mich auf meine Mannschaft. Beides zusammen ist A, ein gewaltiger Aufwand und B auch nicht immer optimal im Umgang, dann auch mit den Spielern. Wenn du mit einem Spieler am Tisch sitzt und über seinen neuen Vertrag verhandelst, und anschließend mit ihm zusammen auf dem Platz stehst, dann ist es nie so, dass man sich davon frei machen kann. Da geht immer irgendwie ein bisschen was kaputt, wenn man bei Verhandlungen unterschiedliche Auffassungen vertreten muss, es bleibt immer eine gewisse Spannung. Das ist auf jeden Fall eine schwierige Konstellation und ich bin nicht böse, dass ich nicht mehr beides mache.

Wie schafft man das überhaupt, mit so einer Doppel-, oder gar Dreifachbelastung?


Man schafft es, wenn man Lust darauf hat und motiviert ist. Wenn man gut organisiert ist und auch Leute in seinem Umfeld hat, die das mit unterstützen. Es ist ja nicht so, dass ich da ganz alleine war. Auch in Havelse gab es ja tolle Leute in meinem direkten Umfeld, die mir viele Sachen abgenommen haben und so ist es hier ja auch. Ich glaube kein Trainer und kein Sportdirektor ist alleine erfolgreich, es ist dann immer auch eine Teamleistung. Da bin ich hier auch total glücklich mit meinem Trainerteam und dem Staff. Die bringen sich auch alle total intensiv und motiviert ein und das macht mir die Arbeit natürlich auch um vieles leichter.

Mit Havelse bist du '21 in die dritte Liga aufgestiegen. Wirst du dieses Kunststück 2024 wiederholen müssen?

Ich gehe eigentlich davon aus, dass es in den nächsten Jahren ganz, ganz schwer für mich wird, irgendwie mal wieder aufzusteigen, weil die U23 nicht aufsteigen darf.

Dein Einsatz bei Hannover war vor Borussia Dortmund deine einzige Station im offiziellen Profi-Bereich. Wie blickst du auf deine Zeit dort zurück?

Es hat mich natürlich viel Kraft und Energie gekostet. Es hat auch relativ lange gedauert, diese Station auf- und zu verarbeiten. Jetzt im Nachhinein kann ich sagen, dass ich heute ein wesentlich besserer Trainer bin, als ich das vor meinem Amtsantritt in Hannover war. Ich habe dort sehr viele Erfahrungen gesammelt und sehr viel gelernt. Es gibt so einen dummen Spruch. “Du bist erst ein richtiger Trainer, wenn du einmal gefeuert bist.” Weiß ich nicht, ob das so stimmt. Es ist kein schönes Gefühl und es ist keine tolle Situation, aber wenn man sich damit auseinandersetzt und sich auch selbst reflektiert, nimmt man natürlich eine Menge mit. Man lernt viel daraus und das verändert auch die Sichtweise auf viele Situationen. Bei mir kam natürlich erschwerend hinzu, dass Hannover auch meine Heimatstadt ist, sodass natürlich diese schlechte Phase nicht nur für mich persönlich, sondern auch für meine Familie und mein Umfeld schwierig war. Es ist auf alle viel eingeprasselt. Das ist bei Edin hier ja genau so. Er lebt auch in Dortmund und ich kann mit Sicherheit auch nachvollziehen, wie schwer das dann gerade in Phasen, in denen es mal nicht gut läuft, ist.

Seit deinem Weggang dort, also seit November 2021, warst du zum ersten Mal in deiner Trainerkarriere über längere Zeit vereinslos. Wie hast du diese Zeit genutzt?

Das war zu Beginn auch eine bewusste Entscheidung, nicht gleich wieder etwas zu machen. Ich war wirklich einfach kaputt. Ich hatte im Sommer ja gar keine Pause. Ich weiß noch, dass ich am Samstag mit Havelse das zweite Relegationsspiel hatte und wir aufgestiegen sind, und am Montag hatte ich das erste Training mit Hannover. Das heißt, dass ich sozusagen nur einen Tag Urlaub in diesem Jahr hatte. Es war natürlich sehr, sehr viel. In Hannover lief es aus verschiedensten Gründen vom ersten Tag an nicht. Viele Sachen haben einfach nicht funktioniert, auch drumherum. Es war wirklich anstrengend und dann habe ich mir im Winter die Zeit mal für mich genommen. Ich habe viel Urlaub gemacht, im Frühjahr habe ich mir viel angeguckt. Habe mir viele Vereine angeschaut, viele Ligen in verschiedenen Ländern und war dann im Sommer eigentlich soweit, dass ich wieder anfangen wollte. Dann hat es für mich im Sommer einfach nicht gepasst. Das, was ich hätte machen können, war nicht das, was ich machen wollte, und das, was ich machen wollte, war auch nicht verfügbar, sodass es dann etwas länger gedauert hat. Die Zeit hat mir mit Sicherheit aber nicht geschadet, weil ich mich einfach persönlich weiterentwickeln konnte. Ich habe nochmal an der Sprache, am Englischen gearbeitet. Mir da nochmal eine wirklich spannende Lehrerin genommen, die mich da unterstützt hat. Als ich wieder auf dem Platz stand, habe ich aber schon so ein oder zwei Einheiten gebraucht , bis ich wieder richtig im Flow war. Ich hatte aber auch eine ganz andere Energie als in Hannover, war und bin einfach viel ausgeruhter und habe mich total darauf gefreut, wieder mit den Jungs zu arbeiten.

War es im Ausland ein reines Lern- und Kulturding oder hast du auch überlegt, dort zu arbeiten?


Ich habe auch die Überlegung gehabt, im Ausland zu arbeiten, was ich nach wie vor als spannend empfinde. Viel mehr hat mich aber interessiert, wie in anderen Ländern Fußball gespielt wird. Wie ist die Spielweise, wie trainiert man in anderen Ländern, worauf wird der Fokus gelegt, was ist der Schwerpunkt in den Spielen, wie laufen die so? Da habe ich mit Sicherheit auch noch mal den ein oder anderen Ansatz herausgezogen, den ich vielleicht auch für mich nutzen kann.

Was war denn deine Lieblingsliga?


Ich habe mir tatsächlich in Belgien gerne Spiele angeguckt, weil es dort nur hin und her und rauf und runter ging. Gefühlt war der Ball ständig im Strafraum auf irgendeiner Seite. Da wird es auf jeden Fall nicht langweilig. Es ist dann aber am Ende nicht meine Art Fußball, weil ich es schon nicht so gerne mag, wenn der Ball in unserem Strafraum ist.

Vielen Dank für das Interview!

Jan Zimmermann in Nahaufnahme während eines Interviews.  Er trägt einen schwarzen BVB Hoodie und schaut zu seinem Gesprächspartner.

Unterstütze uns mit steady

Weitere Artikel