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Erneuter Rassismus-Vorfall: Leere Worte statt Taten beim BVB

12.10.2022, 16:20 Uhr von:  Malte S.
Rasenbild mit einer Aufsicht auf die Kreidespur an einer Ecke

Wieder soll Abdoulaye Kamara rassistisch beleidigt worden sein. Doch auch im Rückspiel gegen den Sevilla FC verließ die U19 des BVB nicht das Feld. Damit handelten die Verantwortlichen entgegen ihrer Ankündigung. Die UEFA verbot derweil ein Solidaritätsbanner.

Die Worte von Lars Ricken sind noch sehr präsent. Kein Wunder, sie sind schließlich erst eine Woche alt. "Beim nächsten Vorfall verlassen wir den Platz, und zwar nicht beim dritten, sondern beim ersten Mal", hatte der BVB-Nachwuchsdirektor versprochen, nachdem Abdoulaye Kamara während des Youth-League-Spiels in Sevilla von seinen Gegenspielern mehrfach rassistisch beleidigt worden sein soll. Die BVB-U19 hatte die Partie anschließend fortgeführt, was – unter anderem an dieser Stelle – kritisch beurteilt worden war. Die Erklärung, bei einer Wiederholung anders zu handeln, stieß im Nachgang der Vorfälle deshalb auf viel Wohlwollen. Allerdings ließen die Verantwortlichen diesen Worten keine Taten folgen.

Nach dem Rückspiel am Dienstag wirft der BVB seinem Gegner aus Andalusien erneut heftigen Rassismus vor, wieder habe es Kamara getroffen. Er sei beleidigt und mit Affenlauten provoziert worden. Das berichten die Ruhr Nachrichten. Doch statt das Feld zu verlassen, setzte der BVB das Spiel fort. Trainer Mike Tullberg begründete das wie folgt: „Ich habe den Jungs in der Halbzeit wieder gesagt, wir können in der Kabine bleiben. Aber die Jungs haben gesagt: Nein, Trainer – wir geben sportlich die Antwort und wir gewinnen das Spiel." Das ist aus unterschiedlichen Gründen problematisch.

Es hat dieselben Beleidigungen und Affenlaute wie vergangene Woche gegeben. Ein Sanitäter hat es gehört und bestätigt. Ich habe den Schiedsrichter-Assistenten darauf aufmerksam gemacht. Aber der Schiedsrichter sagt, er habe nichts gehört und es stehe Aussage gegen Aussage."


Mike Tullberg gegenüber den Ruhr Nachrichten

Auf Rassismus gibt es keine sportliche Antwort. Selbst die beste Leistung auf dem Fußballfeld kann die Verletzung der Betroffenen nicht rückgängig machen. Diskriminierung ist insbesondere für junge Menschen ein einschneidendes, manchmal sogar traumatisches Erlebnis. Symbolik ist wichtig, hilft aber erstmal weniger als klare Abgrenzung, Schutz und Bestärkung der Opfer sowie Solidarität von Nichtbetroffenen. Letztere hätte man demonstrieren können, indem man bewusst auf mögliche Sanktionen der UEFA pfeift und das Spiel abbricht.

Stattdessen entschied man sich, Abdoulaye Kamara zur Halbzeit auszuwechseln. Vielleicht entsprach das dem Wunsch des Spielers oder war zumindest gut gemeint. Auch nachvollziehbare sportliche Gründe – der 17-Jährige war mit Gelb vorbelastet – können eine Rolle gespielt haben. Eine Bewertung von außen ist deshalb schwierig. Trotzdem geht von der Auswechslung auch eine unangenehme Botschaft aus: Das Opfer muss dem Täter buchstäblich das Feld überlassen.

Ich konnte es nicht glauben, aber ein UEFA-Offizieller hat tatsächlich angefangen, mit mir zu diskutieren, wie ein Affe klingt und was ein Affe sagt. Das war unfassbar.“


Mike Tullberg gegenüber den Ruhr Nachrichten

Zugutehalten sollte man Borussia, dass das Trainerteam offenbar versuchte, Schiedsrichter und UEFA auf die Vorfälle aufmerksam zu machen. Doch spätestens nachdem dies keinen Erfolg brachte – im Gegenteil –, hätte man sich dafür entscheiden müssen, den Wettbewerb unter diesen Bedingungen nicht mehr fortzusetzen. So hatte man es schließlich in der Vorwoche zum Schutz der eigenen Spieler vollmundig angekündigt. Stattdessen tat der Verein das komplette Gegenteil und vermittelt auf diese Weise den Eindruck, dass ihm das sportliche Abschneiden wichtiger ist als bestimmte Werte. Wie sollen sich da bitte die Betroffenen fühlen? Und warum sollte man dem BVB Aussagen dieser Art künftig noch abnehmen? Die Außendarstellung ist in jedem Fall katastrophal.

Auch die UEFA hat sich alles andere als mit Ruhm bekleckert. Sie hätte im Vorfeld des Rückspiels öffentlich Partei für potenzielle Opfer ergreifen und ihnen so den Rücken stärken können. Mindestens aber hätte der Verband sein Personal, das er am Spieltag einsetzte, für eine Wiederholung rassistischer Vorfälle sensibilisieren müssen. Auch eine Aufstockung wäre sinnvoll gewesen, um zu signalisieren: Wir nehmen das Ganze ernst. Die Schilderungen der Dortmunder Offiziellen lassen das jedoch nicht vermuten. Doch damit nicht genug. Nach Angaben der Initiative ballspiel.vereint! verbot die UEFA das Zeigen eines Solidaritätsbanners sowohl am Spielort in Brackel als auch später im Westfalenstadion. Als Begründung habe sie angeführt, dass es keine Beweise, sondern nur Anschuldigungen gebe und die Fans mit dem Finger auf Sevilla zeigen würden. Das Spruchband war wohlgemerkt sehr allgemein gehalten.

Natürlich ist eines wichtig: Am Ende müssen die Bedürfnisse des Betroffenen im Vordergrund stehen. Wenn Mannschaft und Verantwortliche rund um die Spiele gegen Sevilla genau so handelten, wie Kamara es sich wünschte, dann ist das zu respektieren und man sollte sich darüber nicht hinwegsetzen.

Dennoch bestehen grundsätzliche Zweifel am System. Der BVB betont, dass die Mannschaft in beiden Fällen entschlossen habe, weiter zu spielen. Doch wie frei sind Jugendliche, die den großen Wunsch haben, Profifußballer zu werden, und die in den Nachwuchsleistungszentren gelernt haben, persönliche Befindlichkeiten im Zweifel hinten anzustellen, in ihren Entscheidungen? Am Ende hat Borussia Dortmund auch als Arbeitgeberin eine gewisse Fürsorgepflicht und sollte deshalb eine Marschroute vorgeben, statt die Verantwortung den Spielern aufzubürden.

Diskriminierende Beleidigungen sind keine Einzelfälle. Rassismus ist strukturell und zieht sich durch die ganze Gesellschaft: Ob Büro, Freizeit oder eben Leistungssport. Es ist leider sehr wahrscheinlich, dass ein schwarzer Mensch wie Abdoulaye Kamara in seinem Leben schon oft damit konfrontiert worden ist. Am Dienstag soll er sichtlich mitgenommen gewirkt haben. So bleibt die Hoffnung, dass er sich von den jüngsten Vorfällen erholen kann und alle Ruhe und Unterstützung bekommt, die er sich wünscht.

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