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Die Blase platzt - jetzt vielleicht wirklich

25.01.2022, 13:02 Uhr von:  Sascha
Anzeigetafel mit der Aufschrift in weiß auf roten Grund "Die Zuschauerzahl 15.000". Darunter der Schriftzug von Sponsor Parfümerie ieper

DAZN erhöht die Preise für sein Abo auf den doppelten Betrag und könnte damit eine Entwicklung weiter befeuern, die für die Bundesliga enorm gefährlich ist. Vielleicht erleben wir jetzt wirklich das Ende des stetigen Wachstums im Profifußball.

„Die Blase platzt bald“ – das war in der Vergangenheit ein Satz, den man nicht nur auf dem Immobilienmarkt, sondern auch im Bereich des Profifußballs häufiger gehört. Teils sorgenvoll, bei Fußballromantikern, die von einem back to the roots träumen, auch mal voller Hoffnung. Dennoch schien es nie eine wirklich reale Möglichkeit gegeben zu haben, dass aus diesem blinkenden, schillernden Zirkus tatsächlich mal die Luft heraus ist. Die Zuschauerzahlen in den Stadien stagnierten zwar, aber auf hohem Niveau. Der Wettkampf an der Spitze kam zwar völlig zum Erliegen, aber der Fernseher wurde trotzdem angemacht. Die Topspieler wanderten in die Premiere League ab und sorgen für einen qualitativen Aderlass der Vereine, aber es rückten junge Spieler mit hohem Potenzial nach auf das Sprungbrett nach England, das die Bundesliga für sie darstellt. Und dann kam Corona.

So wirklich abschätzen kann man immer noch nicht, was die lange Zeit der Geisterspiele, die monströse Selbstüberschätzung, die die Fußballgranden zu Pandemiebeginn an den Tag gelegt haben, und die zeitweise völlige Fokussierung auf den engsten Familienkreis für Auswirkungen auf den Fußball hat. Dafür war die Zeit der Wiedereröffnung der Stadien zu kurz und zu unvollständig. Es dürfte aber alle Beteiligten überrascht haben, wie zögerlich die Fans wieder in die Stadien zurückkehrten. Für das erste Spiel des BVB wurde noch eine Verlosung angekündigt – am Ende war man froh, auch ein Schmalspurkontingent komplett an den Fan gebracht zu haben und für die folgenden Spiele konnte jeder problemlos auch eine größere Anzahl Karten ergattern.

Der Neustart begann stotternd

Das mag zu einem größeren Teil daran gelegen haben, dass viele Menschen verunsichert und vorsichtig waren, was größere Menschenmengen angeht, zu einem anderen Teil auch an einer gewissen „alle oder keiner“-Haltung angesichts von 2G- bzw. 3G-Regelungen, die auch für Fanclubs eine Rolle gespielt haben wird. Vielen wird es aber auch schlicht und ergreifend nicht mehr wichtig genug gewesen sein. Schon vor der Pandemie war unter den Dauerkarteninhabern eine größere Müdigkeit zu spüren. Nicht mehr das Spiel war das zentrale Element des Stadionbesuches, sondern das Gemeinschaftserlebnis mit Freunden und Bekannten. Diese Gemeinschaften haben im Laufe der Lockdowns entweder ihre Bedeutung verloren, oder man hat andere Wege gefunden, sie zu pflegen. Der Fußball ist seiner Funktion als Bindeglied beraubt worden.

Nun, auch wenn das Herz des Fußballs im Stadion schlägt, macht es nur einen kleinen Teil der Fußballbegeisterung aus. Während beim BVB 80.000 im Stadion sind, schauen Millionen zuhause von der Couch zu. Das macht sie nicht zu schlechteren Fans, aber zu einem enormen Wirtschaftsfaktor. Eine der Haupteinnahmequellen der Vereine sind die TV-Rechte und der Kampf um diese Rechte ist zu einem Kampf um Milliardenbeträge geworden. Wo früher die „Sportschau“ das Synonym für TV-Fußball war und dennoch nicht mehr bot als Zusammenschnitte der einzelnen Spiele, werden heute selbst Testspiele in voller Länge auf irgendwelchen Kanälen gezeigt.

Für TV-Gucker wird es immer unübersichtlicher, teurer - und unattraktiver

Die TV-Übertragung und deren Rechte wurden sogar so interessant, dass sich das Bundeskartellamt für diesen Vorgang interessierte und zum Wohle des Fans mehr Wettbewerb schaffen wollte, indem es eine Veräußerung als Komplettparket untersagte. Die dahinterstehende Denkweise, dass Konkurrenz dadurch entsteht, dass man als Fußballfan die Partien schauen möchte, deren Anbieter das günstigste Angebot macht, ist so weltfremd, dass es keiner weiteren Kommentierung bedarf. Das (vorläufige) Ergebnis darf man jetzt bestaunen, wo man die Samstagsspiele der ersten Bundesliga bei Sky, die des Freitags und des Sonntags zusammen mit Teilen der Champions League auf DAZN, Highlightspiele der Champions League bei amazon Prime und die Europa League auf RTL+ verfolgen kann. Wer sich wirklich alle Abos gönnt, zahlt nicht nur viel Geld, er verbringt mittlerweile auch viel Zeit mit der Suche, wo das verfickte Spiel denn jetzt eigentlich läuft. (Für die Begegnungen des BVB gibt es immerhin einen TV-Guide, in dem eines unserer Redaktionsmitglieder die Übertragungen auflistet.) Dabei fokussieren sich viele Fans eigentlich mehr und mehr auf ihren eigenen Verein, weil viele Spiele einerseits aufgrund der finanziellen Verhältnisse im Verlauf vorhersehbar sind, andererseits weil mittlerweile viele Spielpaarungen der ersten Liga den Charme von Dosenravioli besitzen. Man muss einen Kick zwischen Fürth und Augsburg jetzt auch nicht unbedingt erleben – wenn man nicht gerade Fan von Fürth, oder Augsburg ist.

Die Strategie der TV-Sender wird auch immer klarer: Nicht allein, dass Sky für ein deutlich schmaleres Angebot an Erstligafußball aus deutschen Landen alte Preise aufruft, mit DAZN dreht der zweite Platzhirsch ebenfalls an der Preisschraube. Zuerst zögerlich, jetzt gönnt man sich richtig etwas. Für Neukunden werden die Preise von rund 15 € auf 30 € sofort mit dem Februar um das Doppelte erhöht, Bestandskunden haben noch etwas Zeit.

Dabei muss man natürlich sehen, dass DAZN deutlich mehr Sportsender ist als Sky und neben den Fußballligen aus Frankreich, Italien und Spanien auch u.a. NFL, NBA und NHL im Programm hat. Dennoch würde man so einen Preissprung nie wagen, hätte man nicht einen bedeutenden Anteil Bundesligafußball und Champions League im Portfolio.

Die Gefahr ist groß wie nie

Aus marktwirtschaftlicher Sicht ist dieses Vorgehen verständlich, im aktuellen Kontext gewinnt diese Maßnahme aber eine Brisanz für den Fußball. Die Lebenshaltungskosten steigen aktuell in einem Rahmen, den wir so absolut nicht gewohnt sind. Die Mietpreise explodieren, Sprit wird immer teurer, bei Gas- und Stromverträgen werden die monatlichen Abschläge teilweise verdoppelt und auch der Lebensmitteleinkauf schlägt deutlich höher zu Buche als noch vor zwei Jahren. Der anfangs von Ökonomen oft noch auf die leichte Schulter genommene Anstieg der Inflation verursacht immer größere Sorgenfalten und wird uns noch längere Zeit begleiten. Für viele Privathaushalte bedeutet das Zusatzbelastungen in vierstelliger Höhe, die sich kaum vermeiden lassen.

Kurz gesagt: Der Großteil der Fans wird in Zukunft deutlich sparsamer sein müssen und dann kommen auch zwangsläufig Dauerkarten und/oder TV-Abos auf den Prüfstand. Erst recht, nachdem man jetzt über zwei Jahre hinweg gelernt hat, dass auch ein Leben ohne oder zumindest mit reduziertem Fußballkonsum möglich ist. Ein sich verteuerndes Angebot trifft auf ein sinkendes Interesse am Produkt Bundesligafußball und geringere Finanzmittel. Man muss nicht BWL studiert haben, um zu merken, dass das nicht passt und so drohen der Liga Erosionsbewegungen an beiden Säulen. Im Stadion und vor dem heimischen Bildschirm.

Nach vielen Jahren des Wachstums und der steigenden Einnahmen steht die Bundesliga vor ihrer vielleicht wirklich ersten Krise, die ihr Selbstverständnis als „König Fußball“, der über allem anderen thront, erschüttern kann.

„Ein Leben ohne Fußball ist möglich, aber sinnlos“ – für viele stimmt das nicht mehr.

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