Sevilla, Sangria y BVB
Südeuropäische Länder sind nicht nur unter Fußballfans bekannt für die kurze Reißleine der örtlichen Polizei. Auch vor unserem Auswärtsspiel wurde erneut vor dieser gewarnt. Dem trotzten ca. 1800 Boruss*innen und sahen in Sevilla einen Auswärtssieg ihrer Mannschaft. Ein Erlebnisbericht.
Unseren Spielbericht zum Auswärtsspiel findet ihr hier. In diesem
Bericht geht es um die Erlebnisse und Eindrücke, die der Autor am
und um den Spieltag sammeln durfte.
Anreise über Barcelona nach Sevilla
Bei der Wahl der Reiseroute war der Kreativität wieder keine Grenze gesetzt. Kurz nach der Bekanntgabe der Termine stand für uns aber fest, dass wir das Spiel nutzen, um zwei Freunde in Barcelona zu besuchen. So ging es für uns bereits nach dem Auswärtsspiel in Köln nach Barcelona, um dort vorab die außerordentliche spanische Gastfreundlichkeit zu genießen. Am Dienstag machten wir uns dann aufgrund der horrenden Zugpreise leider per Flug auf den Weg nach Sevilla. Dabei dachte ich eigentlich, dass der Preisunterschied nur in DE ein großes Problem ist...
Sightseeing und Vorabend
In Sevilla angekommen, suchten wir unsere Unterkunft auf, welche zu unserem Glück recht zentral gelegen ist. Von dort aus stand zunächst Sightseeing auf dem Plan: Durch die schönen Gassen der Altstadt, an der Kathedrale und der "Real Alcázar" vorbei bis zum Plaza de España. Leider bot sich aufgrund der verwinkelten Gassen und Straßen nie ein allumfassender Blick auf die Kathedrale. Nach ein paar Extrarunden konnten aber genügend Fotos gemacht werden, um der Familie vorzugaukeln, dass wir nicht nur wegen der Sangria da waren.
Highlight war aber definitiv der Plaza de España. Ich kann schon verstehen, warum dieser Ort für diverse Blockbuster als Drehort einzelner Szenen ausgewählt wurde. Der eindrucksvolle Palast, die Wandmalereien einiger spanischer Städte mit kurzer grafischer Darstellung ihrer Geschichten und dem Brunnen in der Mitte wirkten selbst auf mich als Kunstlegastheniker.
Mit den gesammelten Eindrücken im Gepäck ging es fußläufig zurück in die Altstadt, wo wir uns langsam dem eigentlichen Grund der Reise widmen wollten. Cerveza, Tapas y Sangria. So sammelten wir uns mit einigen weiteren Fans und schlenderten durch die herrlichen Gassen der Stadt. Der Abend fand seinen Ausklang mit ca. 50-100 (Schätzungen unterschieden sich abhängig vom eigenen Alkoholkonsums) in einer Bar nahe der Altstadt. Dass es eigentlich eine Rock-Bar sein sollte, war dank eines Bestechungsgeldes von 5€ egal und der DJ ging auf alle unserer Musikwünsche ein. Als die Songwarteschlange zwischenzeitlich zum erliegen kam, zauberte der DJ aus eigener Hand den Erling Haaland Song - würde ich jetzt nicht als Glücksgriff bezeichnen, aber gut, vielleicht waren ihm 5€ auch zu wenig für unseren Musikgeschmack
Zwischenzeitlich soll die Polizei vorort gewesen sein. So wie ich es mitbekommen habe, war der Tenor aber nur, dass wir innerhalb der Bar unseren Spaß haben sollen. Solange die Bar geöffnet war, sollte das auch so bleiben. Auf dem Rückweg bildeten sich kleinere Gruppen, die das eine oder andere Lied durch die Straßen schallen ließen. Eine Anwohnerin war von dem "Wir lieben Borussia Dortmund" um 4 Uhr morgens wohl nicht so begeistert und dankte mit einer kalten Dusche aus dem Gartenschlauch. Wie ich anschließend gehört habe, wohl auch typisch in der Region, um seine eigene Abneigung zu zeigen. Zum nächsten Spiel absolvieren wir vorab einen Gesangskurs, versprochen!
Spieltag
Aufgrund des längeren Abends starteten wir erst später in den Spieltag, was aber auch nicht so schlimm war, da nur noch die Setas de Sevilla auf dem Plan standen. Dabei handelt es sich um eine hölzerne Konstruktion am Rande der Altstadt, welche von der Form an Pilze erinnert. Für einen Obolus von tagsüber 5€, nachts 8€ können diese per Aufzug erklommen werden, da sich von dort aus ein schöner Ausblick über die Stadt genießen lässt. Nachts gibt es dort auch noch eine Art Lichtshow, welche den Preisunterschied begründen dürfte. Aufgrund des Spiels und unserer Vorabendaktivitäten blieb uns allerdings nur der Tages-Ausblick, welcher sich aber durchaus lohnt.
Ramon Sanchez-Pizjuan Stadion
Mit abgehakter Bucketlist im Gepäck ging es dann wieder in die Nähe der Kathedrale, um uns vor dem Treffpunkt nochmal mit Pimientos und Patatas Bravas zu stärken, um später von dort aus zum Treffpunkt zu ziehen. An diesem war trotz der Polizeipräsenz alles ruhig und es ging nach einer knappen Stunde Dosen-Cruzcampo in reichlich Begleitung zum Stadion. Die Polizei erlaubte die eine oder andere Gesangspause, welche aber aufgrund der Temperaturen im mittleren 30er-Bereich nötig waren.
Die Kontrollen am Stadion waren typisch international, wobei ich
diese im Gegensatz zum San Siro noch relativ entspannt fand. Auch
hier gab es, soweit ich weiß, keine größeren Probleme mit den
örtlichen Sicherheitskräften.
Das Stadion selber
ist auf den ersten Blick sehr beeindruckend. Viele werden sich wohl
an dem Alkoholverbot im Stadion gestört haben, rückblickend war es
aber vermutlich die bessere Entscheidung. Die Tribüne im Gästeblock
war sehr steil, die Stufen eng und es gab logischerweise auch keine
Wellenbrecher oder Ähnliches. Die Tribüne ist natürlich eher zum
Sitzen gedacht, aber selbst dann kann gerade bei erhöhtem Alkoholpegel ein einziger Fehltritt schlimme Folgen haben. Ähnliches war beim Pokalfinale von Frankfurt dort passiert - mit dem
Unterschied, dass diese gar keine Getränke bekommen haben.
Die Stimmung im Stadion war den Umständen entsprechend aber gut. Die Gesänge ließen sich natürlich deutlich schwieriger koordinieren, da Megafone und Trommeln verboten waren, aber sobald sie in den oberen Rängen ankamen, wurde dort auch eingestimmt. Von der Gegenseite kam eigentlich ziemlich wenig. Zwar waren die ca. 100-200 Leute hinter der "Ultras"-Fahne auf der Gegenseite durchgehend zu hören, was aber auch an der scheinbar überdimensionierten Vorsänger-Anlage gelegen haben kann. Interessanterweise ist eben dieser “Ultras”-Begriff laut Faninfos den BVB-Fans verboten, da er zu “politischen, rassistischen oder gewalttätigen Symbolen oder Aussagen” zählt. Der Rest des Stadions war, abgesehen von vereinzelten Situationen wie Kontern oder dem Gegentor, quasi stumm. Das Spiel der Borussia dürfte allerdings guten Teil dazu beigetragen haben. Dennoch bin ich auf den Auftritt der Spanier im Westfalenstadion gespannt.
Auch im Stadion blieb
während und nach dem Spiel alles ruhig. Die Polizeipräsenz in
kompletter Montur (inkl. Schusswaffe natürlich) im Block machte zwischendurch schon nervös, aber die anwesenden Fans verhielten sich
ruhig und gaben den Ordnungskräften keinen Anlass. Da die Blöcke
nacheinander aus der Blocksperre gelassen wurden, kann ich nicht
sicher sagen, ob es noch zu Zwischenfällen kam - hab aber auch
nichts dergleichen gehört.
Nach einem kurzen Absacker-Cerveza und der Verabschiedung unserer spanischen Freunde sind wir zurück zur Unterkunft, von welcher wir nach kurzem Schlaf über Eindhoven zurück in die Bierhauptstadt reisen durften.
Fazit
Rückblickend war es also ein sehr erfolgreicher Trip. Die BVB-Fanszene hat offensichtlich aus den vorherigen Ereignissen gelernt und wusste mit der Polizei umzugehen. Dennoch blieb immer eine Restanspannung, da die Szenen im Kopf waren und die Polizei dort i.d.R. mit dem Schlagstock argumentiert. Umso besser, dass alles ruhig geblieben ist.
Unabhängig vom Spiel in Sevilla sind Materialverbote für Gästefans scheiße. Auch, wenn es manchmal valide Begründungen wie Lärmschutz gibt, schränken sie die Fankultur ein und behindern den Support der eigenen Mannschaft. Abschaffen!