Müde Krieger
Freitagabend. Flutlichtspiel in Ponyhausen. Das letzte Spiel vor der Winterpause steht dank einer WM zum Vergessen schon Mitte November, wo ich noch im T-Shirt den Herbst genieße, an. Aber vermutlich ist’s auch besser so, dass jetzt erstmal Schluss ist.
Müde. Nein, nicht ich. Die Jungs aufm Platz. Wer kann es ihnen nach der 700. englischen Woche verübeln? Aus Fansicht kann es nur besser werden, war der Auftritt in Wolfsburg doch aus der Kategorie „Geld zum Fenster raus geschmissen.“
Wir starten also mit … Ja, der selben Elf wie seit Wochen. Wenig überraschend. Ich öffne mein Bierchen, lehne mich zurück und freue mich auf einen krönenden Abschluss der ersten Saisonhälfte.
Dass das was werden kann, zeigt Mouki (Youssoufa Moukoko, 17 Jahre alt, zukünftiger WM-Held) direkt in der ersten Minute, als er den Ball „mit Schmackes“ knapp über das Tor zum Ponyhof schiesst. Doch nicht mit den Gladdies, die wohl heute den ein oder anderen Energieriegel mehr gegessen haben. Und so ist es mal wieder Lars Stindl (seid froh, dass ihr ihn habt), der in der 4. Minute durchstartet, auf Ex-Dortmunder Jonas Hofmann ablegt und dieser aus einer Torchance dann auch wirklich ein Tor macht. Schaut’s euch an , ihr müden Krieger! Wie unsere Abwehr dabei ausgesehen hat, lasse ich gänzlich unkommentiert, bevor ich mich wieder vergesse. Ich wische lieber mein verschüttetes Bier vom Boden, das soll beruhigen.
Vielleicht sind sie auch von dem regenbogenfarbenen Ball oder vom Peace-Zeichen im Mittelkreis geblendet worden, man wird es nie erfahren. Sorry DFB oder wer immer sich diese Aktion ausgesucht hat, scheinheiliger gehts nicht. Probiert’s beim nächsten Mal vielleicht mit Blutflecken, das macht mehr Eindruck.
In der 19. Minute wird es im Strafraum der Elf vom Niederrhein dank Brandt dann nochmal brandtgefährlich: Jude’s Ball fliegt galant von der Mittellinie bis in den Strafraum, Julian vollführt eine noch galantere Drehung, die ich ihm so gar nicht zugetraut hätte und Peng. Ausgleich! Geht doch! So schön könnte Dortmunder Fußball sein. Isses aber nicht. Zumindest immer seltener.
Immerhin: als Hofmann in der 22. Minute erneut in Richtung Dortmunder Tor durchstartet, verteidigen Kobel und seine Untertanen mit allem was die Bolzplatzerinnerungen zu bieten haben. Oder auch: nicht schön aber selten.
Doch ein Gladbacher Freistoß in der 26. Minute lässt mir kurze Zeit später dann doch wieder das Blut in den Adern gefrieren. Schuss, ein richtig stehender Mann, Tor. So einfach könnte es sein. Insbesondere, wo Standards doch unser Steckenpferd sind. Und unsere Abwehr erst. War‘n Witz.
Und auch in der 30. Minute ist es der Wille dieser sturen Ponyherde, der den Ball erneut ins Netz bringt. 3:1 für unsere - äh, eure Borussia. Herzlichen Glückwunsch! Herzlichen Glückwunsch auch an Mats Hummels - nicht jeder würde Hansi Flick direkt nach der Nicht-Nominierung so eindrucksvoll zeigen, dass er absolut richtig gehandelt hat.
Doch hey, was ist das? In der 40. Minute nähert sich plötzlich ein Ball mit schwarzgelbem menschlichem Anhang dem Tor. Doch er will nicht rein. Doch! Schlotti sagt: doch! Anschlusstreffer - 3:2. Zum ersten Mal vernehme ich nun auch den Gästeblock- hallo ihr! Unterhaltsam ist das Ganze ja, das muss man ihnen lassen.
46. Minute: ich komme gerade mit meinem neuen Bier aus der Küche gewackelt, drehe mich nach einem Geräusch, das wie ein Torjubel klang, entsetzt zum Fernseher um. Dortmund tut es mir gleich. Oder zumindest ähnlich. Gladbach verwandelt also das nächste Ding. 4:2. Kann ich ausmachen oder muss ich noch weiter schreiben?
Mir reichts, ich habe fertig.
Keine Angst, es ist auch nichts erwähnenswertes mehr passiert.
Eins möchte ich aber noch gesagt haben: Wer mir nach dem ganzen Dilemma jetzt mit „Terzic raus“ kommt, dem ziehe ich persönlich die Löffel lang. Aber sowas von! Es ist doch offensichtlich, dass auch der beste Trainer der Welt aus dieser Gurkentruppe, bei der Euphorie und Kampfgeist ab Saisonbeginn maximal 3 Wochen andauern, keine Mannschaft mehr macht. Aber was brauchen sie dann, wenn es kein Kontrollfreak, kein Dortmunder Jung, kein Motivationsmonster, kein woanders-sehr-sehr-erfolgreicher Trainer sein darf? Was wollt ihr dann?
Ich versteh‘s nicht. Und wieder steht ein großes „Warum?“ über dem gestrigen Spiel.
„Und ist das Spiel verloren,
dann kann man es verstehen:
bei dieser, dieser Leistung kann es einem nur vergehen!“