Unsa Senf

Danke, Jude für klare Worte

05.12.2021, 11:37 Uhr von:  Sascha
Bellingham im Zweikampf mit einem Spieler des SC Freiburg. Der Spieler deckt den Ball ab, Bellingham ist in seinem Rücken und springt hoch

Im Anschluss an das Spiel gegen die Bayern lenkte Jude Bellingham den Fokus auf Schiedsrichter Felix Zwayer und stellte die mehr als berechtigte Frage, warum ein Spielmanipulierer überhaupt noch als Schiedsrichter aktiv sein darf.

Normalerweise sind Interviews nach Spielende genau so sinnvoll wie Taucherflossen beim Bergsteigen. Im besten Fall kommen belanglose Standardplattitüden hervor, häufig sagen die Profis einfach Unsinn. Nur ganz selten sind Aussagen dabei, die einen Wert haben, die über das Interview hinaus bedeutsam sind. Im Anschluss an das Spitzenspiel gegen die Bayern kam ausgerechnet vom jüngsten unserer Spieler der mit Abstand wichtigste und interessanteste Satz. Angesprochen auf die erneut äußerst diskutable Leistung von Schiedsrichter Zwayer sagte Jude Bellingham:

Man gibt einem Schiedsrichter, der schon mal ein Spiel verschoben hat, das größte Spiel in Deutschland. Was soll man da erwarten?

Eins vorweg: Die Entscheidung pro Elfmeter für die Bayern war in ihrer Entstehung (sagt hier jemand „klare Fehlentscheidung“?) zwar zweifelhaft, aber für sich genommen kein Umstand, der Verdacht auf eine bewusste Spielmanipulation aufkommen lässt. Ebenso ist völlig unbestritten, dass die übrigen beiden Tore der Bayern, sowie zwei, drei weitere hochkarätige Chance, durch ureigene Borussenbräsigkeit entstanden sind. Die Kicker von der Säbener Straße waren für uns schlagbar wie schon lange nicht mehr, wir waren schlichtweg zu dumm und zu unkonzentriert, um das zu nutzen.

Und trotzdem lenkt Bellingham den Fokus auf einen wichtigen Fakt: Warum, zur Hölle, darf Felix Zwayer überhaupt noch im Profifußball aktiv sein? Wir erinnern uns: Zwayer wurde im Zusammenhang mit dem Hoyzerskandal für sechs Monate gesperrt, weil er in zwei Fällen Spiele manipuliert, oder zumindest Geld dafür angenommen hat. Dieses Urteil wurde vom DFB nie öffentlich gemacht und erst neun Jahre später bekannt. Warum der DFB hier das Mäntelchen des Schweigens über die Angelegenheit legen wollte, ist weiterhin ebenso unklar wie die Frage, warum Zwayer im Anschluss wieder im Profifußball zur Pfeife greifen durfte. An einer herausragenden Kompetenz in Sachen Schiedsrichterei dürfte es eher nicht gelegen haben. Wer Zwayer regelmäßig beobachtet, sieht einen unterdurchschnittlichen, fehleranfälligen und häufiger mit der Spielleitung überforderten Schiedsrichter, der qualitativ sicherlich im unteren Bereich der Bundensligaschiris zu verorten ist.

Zentral Zwayer in schwarz mit ausgestreckten Arm. Um ihn herum stehen Reus, Akanji, Witsel und Weigl. Reus und Weigl haben zum Ausdruck des Unverständnisses die Arme abgespreizt
Zwayers Entscheidungen treffen häufiger auf Unverständnis

Man muss Bellingham dafür danken, dass er den Scheinwerfer einmal auf diesen Elefanten im Raum gerichtet hat. Die Frage darf auch gestattet sein, warum die Vereine Zwayer als Schiedsrichter überhaupt weiterhin akzeptieren. Ganz offensichtlich ist dessen Geschichte in den Vereinen durchaus ein Thema. Woher sonst sollte Bellingham davon wissen? Natürlich, der Hoyzerskandal hat damals internationale Aufmerksamkeit bekommen, aber es ist äußerst unwahrscheinlich, dass ein zweijähriger Jude Bellingham im britischen Stourbridge diesen Skandal mit Interesse verfolgt hat.

Er stellt die Frage, die eigentlich seine Vorgesetzten schon längst hätten stellen sollen: Warum hat man Zwayer nicht für alle Zeiten aus dem Verkehr gezogen? Das Unparteiische ist elementarer Grundpfeiler der Schiedsrichterei und eine Person, die dagegen bewusst und mit Vorsatz verstößt, ist grundlegend ungeeignet für diese Aufgabe.

Die Krönung des ganzen wäre es, wenn der DFB jetzt, wie zu befürchten, ein Verfahren einleiten und Jude dafür sanktionieren würde, das er schlicht und ergreifend die Wahrheit gesagt hat. Andererseits: bei einem Verband, der in der letzten Zeit mehr Personen aus der Führungsriege wegen Korruptionsvorfällen verloren hat, als ein mittelklassiger Mafiaclan, wäre das nur folgerichtig. Man singt eben nicht.

Es wäre schön, wenn es mehr Spieler und auch Funktionäre gäbe, die wie Jude Bellingham nicht einfach die Schnauze halten. Dann bestünde vielleicht sogar die kleine Chance, diese inzestuösen Geflechte in Verband und Schiedsrichterleitung zu sprengen und dem Fußball einen wichtigen Dienst zu erweisen.

Vermutlich wird es aber genau anders kommen. Bellingham und vielleicht auch der BVB werden eine Strafe erhalten, der Verein wird den Spieler eindringlich bitten, in Zukunft auf derartige Statements zu verzichten und Zwayer darf weiterhin Erstligaspiele leiten. Und die Leute, die wissen, warum er das noch darf, bleiben auf ihren Pöstchen kleben. Der Fußball ist einfach kaputt und die Tatsache, dass ein 18-jähriger Spieler in seiner zweiten Profisaison darauf hinweisen muss, während alle anderen still sind, beschämend.

Danke dafür, Jude – und bleib so, wie du bist.

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