Auswärtsfahrten sind schön
Wir wohnen seit gut vier Jahren am Niederrhein. Nebst diversen anderen Vorzügen, hat das auch den Vorteil, dass eines der mühsamsten Auswärtsspiele, nämlich das in Gladbach, gleich vor der Haustüre liegt und daher seit dem Umzug ein Stück weniger nervig geworden ist. Der Nachteil ist, dass ein Großteil der Nachbarschaft natürlich auf die falsche Borussia steht.
Das hat uns letzten Frühling allerdings zum zweiten Mal den Vorteil gebracht, dass wir Karten für den Auswärtsblock bekamen und wir machten uns mit einer bunt gemischten Gruppe von Borussen und Borussen auf den Weg nach Gladbach. Beim ersten Umsteigen in Krefeld wurde zuerst natürlich der Wegbier-Vorrat aufgefüllt, ehe wir vor dem Bahnhof in der Sonne auf den Zug nach Gladbach warteten. Dort angekommen das gleiche Prozedere erneut: Bier kaufen und dann raus in die Sonne. Teile unserer Begleitung kannten sich mit den örtlichen Gegebenheiten natürlich sehr gut aus, daher ging es einen kurzen Weg zu Fuß in ein nahegelegenes Restaurant, wo wir zuerst mal ausführlich gegessen und weiter getrunken haben. Es war trotz Frotzeleien über den Sieger des Spiels und gegenseitigem Vorwerfen vergangener Niederlagen ein sehr gemütlicher Teil des Tages.
Ein paar Stunden vor dem Spiel machten wir uns dann in zwei Taxis auf den Weg zum Stadion. Noch ein paar weitere Bierchen in der Sonne zusammen und dann ging es für den gelben Teil der Reisegruppe einmal ums ganze Stadion in den Sitzplatzbereich des Gästeblocks.
Die Stimmung war gut, das Wetter war gut und das Bier war gut eingeschlagen, also sangen wir uns fröhlich dem Anpfiff entgegen und warfen noch ein paar Mal Stein um Stein auf die Elf vom Niederrhein. Im Gästeblock präsentierte man zum Einlauf der Mannschaft die hässlichen Fratzen des Fußballs, auf dem Höhepunkt der Debatte um Mimimi-Häuptling Didi Hopp.
Wir mussten nicht lange auf den ersten Höhepunkt warten, denn in guter alter Marco-Reus-Manier zeigte Ex-Gladbacher Hazard keinerlei Sentimentalitäten gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber und netzte bereits in der 8. Minute zur Führung für den BVB. Der Gästeblock explodierte in gewohnter Auswärtsmanier, Bier floss nun nicht mehr nur in die Körper, sondern auch drüber und wir lagen uns in den Armen. Wieder aufgerichtet, folgte das in und gegen Gladbach bei Toren obligatorische "Döp Döp Döp", das etwas vom schönsten ist, was man singen kann und etwas vom schlimmsten ist, was man hören kann.
Der BVB hatte die restlichen 40 Minuten der Halbzeit alles unter Kontrolle und bei uns wurde in einem Tempo Bier nachgereicht, das ich mir definitiv nicht gewohnt bin, so ist die Erinnerung zeitweise etwas verschwommen.
Woran ich mich erinnere ist, dass kurz nach dem Wiederanpfiff die Gladbacher unsere Anfangsphase aus der ersten Halbzeit kopierten und gleich den Ausgleich schossen.
Im Gegensatz zu unserem Gegner hatten wir darauf jedoch eine Antwort, auch wenn es eine Weile dauerte, doch in der 71. Minute brachte Hakimi den BVB erneut in Führung. Danach war es das gewohnte sich dem Abpfiff entgegen Zittern, was diesmal sehr gut funktionierte.
Wir feierten noch die Mannschaft, ehe wir uns siegestrunken und fröhlich singend zurück Richtung Nordtribüne machten, wo wir uns beim Anblick einiger Mitreisender auf einen Schlag wieder vollkommen nüchtern fühlten. Zumindest im Vergleich. Wir tranken noch etwas zusammen und nahmen dann den Bus in Richtung Bahnhof. Ein paar Stationen später stieg einer mit einem Sixpack ein und mein Freund meinte in seiner gewohnt unbescheidenen Manier: "Wieso hast du sechs Bier und ich keins? Das ist unfair!" und war selbst etwas überrascht, als der Fremde ihm spontan ein Bier abgab. Er schaute es an und lachte "Hihihi, ich hab Corona! Hihihi!" wir lachten und fuhren zufrieden und glücklich nachhause. Es war eine wunderschöne Auswärtsfahrt gewesen.
Es war der 7. März 2020. Vor genau einem Jahr. Es war das letzte Spiel unserer Borussia vor vollen Rängen. Vier Tage später spielte unser damaliger Gegner das erste Geisterspiel der Bundesligageschichte.
Auswärtsspiele sind im Moment nur noch schöne Erinnerungen. Hach.