"Ein Unioner steigt nicht ab, der wechselt nur die Liga"
Chris Lopatta über seinen Weg zum „Eisernen Urgestein“, den sportlichen Aufstieg des FCU und über Schwächen und Stärken von Union Berlin und Borussia Dortmund.
Beschäftigt man sich mit dem Umfeld und den Fans des FC Union
Berlin, kommt man um einen nicht drum rum: Chris Lopatta. Seines
Zeichens Schauspieler im TV (u.a. Polizeiruf 110, In aller
Freundschaft) und im Theater (u.a. EISERN UNION – das Stück zum
Spiel), aber auch Präsident des FCU Fanclubs „Die Schärfsten“
und Guide bei Stadionführungen in der alten Försterei. Unsere
Autorin hat im Vorfeld der Partie BVB – FC Union Berlin mit Chris
Lopatta über seinen Weg zum „Eisernen Urgestein“, den
sportlichen Aufstieg des FCU und über Schwächen und Stärken
beider Mannschaften gesprochen.
Schwatzgelb.de: Seit wann bist du Unioner und wieso Union und nicht die Hertha?
Lopatta:
Seit 1977 und daher müsste die Frage eher lauten „ … und nicht
der Polizei- und Stasi-Sportverein?“ Da ich keinen Vater hatte, der
mich mit zum Fußball geschleppt hat, musste ich als 13-jähriger
allein und objektiv vergleichen. Die Wahl viel eindeutig auf Union -
coolere Leute, bessere Stimmung, schöneres Stadion, Arbeiterverein.
Schwatzgelb.de: Welches war das erste Spiel der Einsernen, das du besucht hast?
Lopatta:
Union gegen Hansa Rostock 2:0 am 16. April 1977, 22. Spieltag der
DDR-Oberliga, 18 000 Zuschauer, ausverkaufte Alte Försterei. Zwei
wichtige Punkte im Abstiegskampf! Aber eigentlich war ich schon zwei
Wochen vorher bei Union gegen Dynamo Dresden 2:2. Ebenfalls
ausverkauft. Ich hatte keine Karte und bin nicht reingekommen. Damals
konnte man aber noch von außerhalb des Stadions über die niedrige
Hintertor-Tribüne auf die Gegengerade kieken. Das rot-weiße Schal-
und Fahnenmeer im strömenden Regen hat mich soo beeindruckt - da hat
mich der Union-Virus gepackt.
Schwatzgelb.de: Meine persönliche erste wirkliche Begegnung mit Union Berlin war das Pokal-Drama 2016 in Dortmund. Erinnerst du dich an das Spiel? Wo und wie hast du es damals verfolgt?!
Lopatta:
Natürlich in Dortmund in der roten Wand. 12 000 Unioner ließen die
gelbe Wand unter dem Motto „Jede Wand ist bezwingbar“ beinahe
verstummen. Außer beim Elfmeterschießen - eure Pfeifferei wa schon
schön laut. Hat ja auch genutzt - alle Unioner verschossen. Ein
klareres Ergebnis als 3:0 beim Elfmeterschießen gibt's ja nich.
Schwatzgelb.de: Zwei Jahre später dann das erneute Aufeinandertreffen im Pokal. Warst du da auch wieder vor Ort?
Lopatta: Ja, das war aber wirklich ähnlich dramatisch - 3:2 in der Verlängerung. Das dritte BVB-Tor - Elfmeter in der 120. Minute. Unjünstig. Da waren wir aber nur noch 8 000 Unioner mitten in der Woche.
Schwatzgelb.de:
2019 dann der Aufstieg deiner Eisernen ins Fussballoberhaus. Wie war
das für dich?
Lopatta: War ja nich so schlecht -
is das höchste Lob eines Berliners. Aber im Ernst: Bilder und Videos
vom Aufstieg anschauen. Die sagen alles.
Schwatzgelb.de:
Du bist stolzer Besitzer einer Dauerkarte auf Lebenszeit. Wie kam es
dazu?!
Lopatta: Union war mal wieder in
finanzieller Not und bot für 2222 € eine lebenslange
Stehplatz-Dauerkarte an - die EisernCard. Da ich zu diesem Zeitpunkt
schon 20 Jahre zu Union gegangen bin und klar war, dass ich mein
ganzes Leben lang zu diesem Verein gehen werde, habe ich
zugeschlagen. Die beste Investition meines Lebens. Damals ein Risiko,
denn wir wussten nicht, ob der Verein überleben wird.
Schwatzgelb.de: Als Schauspieler hat man sicher
viele Termine, lässt sich das immer gut mit den Spielen von Union
vereinbaren?
Lopatta: Als ich fest am Theater in
Leipzig engagiert war, war es ein ewiger Kampf zu den Spielen zu
können. Wenn Vorstellungen angesetzt waren, hatte man keine Chance.
Aber bei Proben, die am Sonnabend waren, konnte man unter Umständen
verhandeln. Ich habe sogar mal im KBB rumgebrüllt und Tür geknallt,
weil mir die Kollegin nicht kooperativ genug erschien. (KBB -
Künstlerische Betriebsbüro - die machen die Tages- und
Probenpläne). Nur mein damaliger Intendant, Jürgen Zielinski,
uralter BVB-Fan hatte wirklich Verständnis für mich. Wenn ich bei
ihm Proben hatte, ging schon mal eher was.
Schwatzgelb.de:
Du bist ja nicht nur Fan des FC Union, sondern bist auch als Guide
bei Stadionführungen in der alten Försterei tätig. Wie waren die
letzten Monate der Pandemie so für dich persönlich, aber auch für
den Verein und die Fanszene?! Was hat diese Zeit verändert?
Lopatta: Boah, diese Frage ist zu komplex! Also
nur ganz kurz - Stadionführungen gabs logischerweise keine. Unsere
Mannschaft hat uns die furchtbare Zeit des Ausgeschlossen seins mit
sportlichen Erfolgen erträglich gemacht. Zuerst hatte ich gar kein
Bock auf Geisterspiele im Fernseher. Eigentlich boykottiere ich auch
jegliches Pay-TV. Aber später waren diese Spiele, die ich immer bei
einem Kumpel geguckt habe, der Höhepunkt der Woche. Es ist so
schade, dass wir den ersten Klassenerhalt nicht in kollektiver
Ekstase erleben durften. Genau wie die Qualifikation zum Europapokal.
Beim Max Kruse Tor in der Nachspielzeit des letzten
Saison-Punktspiels gegen RB konnten aber wenigstens 2000 Unioner im
Stadion durchdrehen. Und gerade Kruse, der die Conference Leauge
nicht kannte, Donnerstags keine Zeit hat und das andere machen lassen
wollte, schießt uns da hin. Köstlich!
schwatzgelb.de: Jetzt aber mal zum sportlichen: Wie
erlebst du als Fan den kontinuierlichen, sportlichen Aufstieg des FCU
in den letzten Jahren?
Lopatta: Mit einem
Schleudertrauma - vom Kopfschütteln. Alles immer noch unglaublich
für mich. Als ich neulich mit über 22 000 Unionern im roten Berliner
Olympiastadion (Europapokal) stand, musste ich kurz daran denken, wie
ich 1990 ein Pflichtspiel an der Alten Försterei vor 300 Zuschauern
erlebt habe.
Schwatzgelb.de: Hat man
nicht auch Angst, dass der Verein irgendwann „über seine
Verhältnisse“ lebt?
Lopatta: Ich habe da
absolutes Vertrauen in unseren Präsidenten Dirk Zinlger. Juter Mann,
ach wat, bester Mann! Wir kämpfen jedes Jahr um den Klassenerhalt.
Wenn mehr rausspringt - jut. Wenn wir absteigen sollten - auch kein
Beinbruch (in diesem Jahr, wäre mir die zweite Liga sogar fast
lieber gewesen). Wie heißt es ganz richtig in dem Union-Theaterstück
„Eisern Union - das Stück zum Spiel“, das seit 2006
ununterbrochen läuft (ok, pandemiebedingt, dann doch mal
unterbrochen): „Ein Unioner steigt nicht ab, der wechselt nur die
Liga“ oder wie das Phrasenschwein formuliert: „Liebe kennt keine
Liga.“ Aber das kennt ihr Dortmunder ja nicht - immer nur 1. Liga.
Puh, wie langweilig.
Schwatzgelb.de:
Im letzten Spiel gegen Augsburg hat Union „nur“ einen Punkt holen
können, was gilt es aus deiner Sicht nun gegen den BVB besser bzw
anders zu machen?!
Lopatta: „Nur“ is jut.
Letztes Jahr haben wir gegen die Puppenkiste zweimal verloren. Da is
n Pünktchen schon n Erfolg. Ick war zufrieden und ey, das ist immer
noch 1. Liga! Da ist jeder Punkt hart erkämpft, da sollte man sich
freuen. Die Niederlage beim BVB ist bei mir eingepreist. Wenn doch
was rausspringt, staune ick. Und frag mich nicht, was zum
fußballerischen. Ick habe keene Ahnung vom Fußball, ick gehe zu
Union.
Schwatzgelb.de: Komm, mal unter uns,
wo liegen deiner Meinung nach die Stärken aber auch die Schwächen
der Mannschaft des FC Union momentan?!
Lopatta:
Siehe oben. Aber ganz wichtig ist sicher bei Union, wie in den
Vorjahren der Teamgeist. Was erstaunlich ist, denn auch bei Union ist
ein munteres Kommen und Gehen. Nicht wie in den Siebzigern, wo solche
Leute wie Achim Sigusch, Karsten Heine, Lutz Hendel oder Wolfgang
Matthies fast ihre ganze aktive Zeit bei Union verbracht haben. Aber
das Problem kennt ihr ja auch.
Schwatzgelb.de: Und
wie schätzt du die Stärken und Schwächen des BVB ein?
Lopatta:
Keene Ahnung. Mein Intendant hat mich früher immer montags gefragt,
ob ich denn dass BVB-Spiel gesehen hätte und, wie ich es fand…
Meine Antwort war: „Union spielt zweite (oder gar dritte oder
vierte) Liga - erste Liga interessiert mich nicht.“ Jetzt spielen
wir zwar in der selben Liga, trotzdem beschäftige ich mich nicht so
mit anderen Vereinen oder Spielern. Selbst die Perle Max Kruse war
mir vorher nicht so ein Begriff. Den Namen hatte ich zwar schon mal
gehört und dass er ne Menge Kohle im Taxi hat liegen lassen… Aber
das so ein juter Mann bei uns anheuert, macht mich erst jetzt
erstaunt, wo ich ihn erlebe.
Schwatzgelb.de:
Was für ein Spiel erwartest du morgen?
Lopatta:
Eine Niederlage. Hoffentlich keine Klatsche oder enge Kiste, wie wir
Unioner sagen. Wir sind mal in Köln 0:7 untergegangen - dit war ne
jaaanz enge Kiste.
Schwatzgelb.de: Wo siehst du
Union Berlin in den kommenden Fußball Jahren?!
Lopatta:
Hoffentlich als stabilen Erstligisten. Was Augsburg, Mainz und
Freiburg geschafft haben, könnten wir auch schaffen. Durchaus auch
mal mit einem Ausrutscher in die Zweite Liga. Aber aus der wieder
hoch zu kommen, wird ja immer schwieriger.
Schwatzgelb.de:
Wenn du dir irgendeinen Spieler dieser Welt aussuchen dürftest, wen
würdest du für deinen FC Union Berlin verpflichten?!
Lopatta:
N Kumpel von mir hat mal gesagt, wenn er richtig fett im Lotto
gewinnen würde, würde er Messi koofen und ihn bei Union in die
Küche stellen. (Aber so viel Geld kann man ja nicht mal im Lotto
gewinnen!)
Schwatzgelb.de: Zum Abschluß noch die
wichtigste Frage: Was tippst du für das Spiel morgen?!
Lopatta:
Ick tippe nie. Wie gesagt, ich rechne mit ner Niederlage. Alles mit
weniger als zwei Toren Unterschied würde ick unterschreiben. N Punkt
würde ick feiern.
Mit Verlaub, aber
uns wäre es doch lieber, wenn Chris Lopatta am morgigen 19.09. eher
weniger Grund zum feiern hätte.
Nach dem
fulminanten 4:3 bei Bayer Leverkusen in der Liga und dem 2:1 Sieg in
Istanbul unter der Woche, steht der BVB vor dem 5. Spieltag auf Platz
drei der Tabelle, einen Punkt hinter Bayern und drei Zähler hinter
Wolfsburg. Union Berlin ist Tabellen-Achter. Personell könnte es für
Schulz und Hazard nach ihren Verletzungen nicht für einen Kaderplatz
reichen. Dahoud hingehen könnte durch Rotation für Brandt,
Bellingham oder Witsel spielen. Wer auch immer morgen auf dem Platz
stehen wird, das Wichtigste ist doch, dass sie das Wappen von
Borussia Dortmund (diesmal auch) sichtbar auf der Brust tragen.
Wir danken Chris
Lopatta für dieses Interview.