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Ein neues Paris

18.02.2020, 11:01 Uhr von:  Nicolai
Ein neues Paris

Seit 2010 hat sich viel bei PSG getan. Während sportlich glanzvolle Zeiten begannen, erlebten die Tribünen einen vollen Wandel - nicht unbedingt zum Besseren hin.

Wer am 21.10.2010 beim Spiel Borussia Dortmund gegen Paris Saint Germain war, dem bot sich ein unübliches Bild. Im nicht ganz ausverkauften Westfalenstadion wurden die Gästefans aus Paris in unterschiedlichsten Bereichen untergebracht. Sowohl auf der Nordtribüne als auch auf der Osttribüne im Oberrang standen erhebliche Teile der Pariser Fanszene.

Fans im Gästebereich - Nordtribüne 2010

Spätestens als die Fangruppen, die der Kop of Boulogne zugeordnet werden, die Nordtribüne betraten und ohne großes federlesen die offiziellen Gästefans attackierten, begriffen die meisten Dortmunder, dass das kein alltägliches Spiel auf den Rängen wird. Die Fangruppen der Virage Auteuil wurden währenddessen im Oberrang der Osttribüne platziert - möglichst weit entfernt von den restlichen Fans. Nach dem Abpfiff entschied sich die Polizei dann die Gästefans auf der Osttribüne über die Südausgänge herauszuleiten, um die Fantrennung unter den Franzosen weiterhin zu garantieren. Etwas, dass ich zumindest noch nie in Dortmund erlebt habe.

BVB Fans solidarisieren sich mit den Gruppen der Virage Auteuil

Die Vorgeschichte zu diesen Umständen ist vielfach erzählt worden, es lohnt sich noch einmal zu schauen, woher der nun schwerreiche Club kommt. Obwohl PSG sportlich und finanziell in einer sehr schwierigen Phase steckte, war die Stimmung im Parc des Princes unbestritten berüchtigt. Die Kurven mit ihren starken Gruppen galten als lautstark und kreativ. Dennoch schwelte die ganze Zeit ein Konflikt, der sich immer wieder in blutigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Fangruppen ausdrückte. Am 28.02.2010 erfolgte dann ein Angriff auf die Virage Auteuil durch Teile der Kop of Boulogne, in dessen Folge einer der Angreifer vier Tage später seinen Verletzungen im Krankenhaus erlag.

Hintergrund der ganzen Auseinandersetzung ist die Prägung der Kurven. Während die Virage Auteuil durch die ethnische vielfältige Jugend der Pariser Vorstädte geprägt war, galt die Kop of Boulogne als „weiß“ mit entsprechenden Klientel. Dieser Kurve wurden etliche rassistische Übergriffe zugeschrieben. Schlussendlich sind die Auseinandersetzungen aber auch Ausdruck der sozialen Spaltung, die sich in Frankreich immer wieder in verschiedenen Kontexten entladen.

Pariser Anhänger umstellt von der Polizei

Was folgte, war das bekannte Spiel aus Empörung und Aktionismus, der sich nur mit den Auswirkungen aber nicht den Ursachen beschäftigte. Noch im selben Jahr wurden die führenden Gruppen Supras Auteuil, Authentiks und Grinta vom Innenministerium verboten (die Boulogne Boys waren da schon seit zwei Jahren verboten). Durch die französische Gesetzgebung und Maßnahmen des Vereins (Dauerkartenumsetzung, hohe Ticketpreise) zogen sich die organisierten Gruppen bis heute zurück und sind nicht mehr aktiv im Stadion – es folgten stimmungstechnisch triste Zeiten im Parc des Princes. Wie prägend die Virage Auteuil war, zeigte auch die Episode um die Markenrechte "Ici c’est Paris", um die sich der Verein und eine Nachfolgeorganisation der Fangruppen gerichtlich stritten. Mittlerweile hat sich wieder ein organisierter Support entwickelt, der zuweilen auch sehr stark daher kommt aber deutlich angepasster ist und kein kritisches Gegengewicht darstellt, wie man es sonst von Fanszenen häufig kennt. So oder so haben die mehr als 9 Jahre eine Menge verändert.

Emre Can im Einsatz in Leverkusen

Sportlich hat sich mit dem Einstieg der Qatar Sports Investment das Blatt hingegen vollkommen gewendet. Die Transferbilanz der Pariser weist ein astronomisches Defizit auf und auch wenn die UEFA noch nicht wie jüngst bei Manchester City eingegriffen hat, weiß eigentlich jeder, dass hier die Regeln bis zur Unkenntlichkeit verbogen sind. Was PSG allerdings mit Manchester City gemein hat, ist die chronische Erfolgslosigkeit in der Champions League – das eigentliche Ziel der Investoren auf beiden Seiten des Ärmelkanals.

Als Tabellenführer kommen die Pariser ins Westfalenstadion, konnte aber gegen den Tabellenvorletzten zuletzt nur ein 4:4 Unentschieden erzielen. Allerdings hatte Tuchel scheinbar auf Belastungssteuerung gesetzt und auf Neymar, Mbappé und Sarabia verzichtet. Nichtsdestotrotz konnte man mit Namen wie Edinson Cavani, Angel di Maria und Julian Draxler aufwarten. Für die doch recht brüchige Hintermannschaft des BVB, rund um seine kaiserliche Hoheit Mats Hummels, wartet also in jedem Fall eine anspruchsvolle Aufgabe. Ein Faktor kann hierbei der sehr robust zu Werke gehende Emre Can sein, der auch die internationale Erfahrung für ein solches Spiel mitbringt. Sicher fehlen werden auf Dortmunder Seite Julian Brandt, Marco Reus und Thomas Delaney. Interessant wird zu sehen sein, ob Favre weiterhin auf die Dreierkette setzt oder gegen die illustre Pariserreihe doch etwas mehr auf Sicherheit setzen will.

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