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Swanetien-Trekking, der georgische Fußball und Erinnerungen an den BVB

18.10.2019, 12:05 Uhr von:  DocKay
Swanetien-Trekking, der georgische Fußball und Erinnerungen an den BVB
Georgien

Trekkingtouren in oft atemberaubenden Bergwelten reduzieren viele Dinge auf das Wesentliche. Vergessen ist Mentalitätsscheiße, mangelnde Arbeitseinstellung, das unendliche Märchen und das manchmal übertriebene Heldentum eines Übungsleiters. Irgendwie führen letztendlich dann aber doch alle Wege zum BVB.

Der Reisebegleiter meiner Tour durch Georgien heißt Davit und ihm zur Seite steht der Busfahrer Gocha, der dafür sorgt, dass wir längere Strecken schneller und sicherer überwinden können. Die beiden Georgier entpuppen sich als glühende Fußballfans. An einem dieser Tage im Bus auf holprigen Straßen irgendwo zwischen Mestia in Swanetien und Kutaissi in Imeretien beginnen wir über Fußball zu fachsimpeln.

Ja, er war tatsächlich am 24.04.2013 im Westfalenstadion in Dortmund. Davit erzählt mir, dass er damals von 2010 bis 2014 in Berlin lebte. Nach Abbruch des Archäologiestudiums besuchte der jetzt 28-jährige die deutsche Sprachschule und begann schon zu dieser Zeit hobbymäßig als Reiseführer zu arbeiten, um den Deutschen seine Heimat Georgien näher zu bringen. Er erinnert sich an diesen legendären Abend, an dem er extra aus Berlin anreiste, um den glorreichen Auftritt von Robert Lewandowski zu erleben, der an diesem Abend mit vier Toren im Champions League-Halbfinale gegen Real Madrid Geschichte schrieb und als erster Spieler überhaupt in einem Halbfinalspiel vier Tore schoss. Das Endergebnis war ein legendäres 4:1 für unseren BVB und brachte in der Addition den Einzug ins Finale der Champions League. An das Ergebnis dieses Spieles kann ich mich allerdings seit dem Verlassen des ehrwürdigen Wembley-Stadions als Folge einer retrograden Amnesie nicht mehr erinnern.

Stadion Shorapani

In Georgien ist Davit Fan vom letztjährigen Meister FC Saburtalo während Gochas echte Liebe der georgische Serienmeister Dinamo Tiflis ist. Beide Teams spielen in der inzwischen auf zehn Mannschaften reduzierten „Erovnuli Liga“, von den Fans kurz E Liga genannt. International tendiert Davit zu Real Madrid und Gocha zu Manchester United. Obwohl die meisten Georgier sich für die Premier League interessieren, haben Real Madrid und der FC Barcelona die meisten Fans. Die internationalen Spiele kann man im georgischen Pay TV „Silknet“ verfolgen. Das Interesse an den Spielen der heimischen ersten und zweiten Profiliga ist hingegen eher mäßig. So kommen zu den Spielen der Hauptstadt-Mannschaften in Tiflis in der Regel gerade einmal im Schnitt 1500 Zuschauer . Zur Erinnerung: das Boris Paitschadse-Nationalstadion, die Heimspielstätte von Dinamo Tiflis, bietet Platz für 54.549 Zuschauer. In den Regionen außerhalb von Tiflis können es in der E Liga auch schon einmal 4000-5000 Zuschauer sein. Der Eintritt zu den Spielen ist entweder umsonst, oder bewegt sich bei ca. 2-5 Lari (1-2 Euro). Natürlich gibt es Fanclubs und auch eine Ultraszene.

Fußball ist in Georgien sehr populär und schon schwelgen Davit und Gocha in Erinnerungen. Sie erinnern sich an die Spielzeit 1980/1981, als Dinamo Tiflis unter der Leitung von Achalkacis den Europapokal der Pokalsieger im Finale in Düsseldorf gegen den FC Carl Zeiss Jena mit 2:1 gewann. Als einer der wenigen nichtrussischen Vereine spielte man früher in der sowjetischen Liga mit und wurde kritisch beäugt, als man 1964 und 1978 sowjetischer Meister wurde. 1990 erklärte sich Georgien für unabhängig und der georgische Fußballverband löste sich auch im sportlichen Bereich von der Sowjetunion und gründete eine eigene Fußballliga. Vor 4000 Zuschauern holte man dann noch im Jahre 2004 den GUS-Pokal, ein von 1993 bis 2016 ausgespielter Fußballwettbewerb für Vereinsmannschaften aus Ländern der Gemeinschaft unabhängiger Staaten und den Baltischen Staaten.

Davit glaubt, dass sich der georgische Fußball weiterentwickeln wird und setzt große Hoffnungen in einen altbekannten Spieler der Bundesliga. Er ist neuer Präsident des 1990 gegründeten Georgischen Fußballverbandes und heißt Lewan Kobiaschwili. Nach seiner Spielerkarriere beim SC Freiburg, den Blauen und Hertha BSC leitet er dieses Amt seit Oktober 2015. Kobiaschwili war im Jahre 2000 und 2005 georgischer Fußballer des Jahres und bestritt 100 Spiele in der georgischen Nationalmannschaft. Im Jahre 2005 wählte man ihn auch zum Revierfußballer des Jahres.

Swanetien

Immer wieder kommt es während des Gespräches zu plötzlichen Bremsmanövern und zwar immer dann, wenn eine Kuh plötzlich über die Fahrbahn läuft oder ein Schwein beschließt, mitten auf der Straße stehen zu bleiben. Wegen des regen Verkehrs ist es mir manchmal unverständlich, aber Tatsache ist, dass alle Betroffenen überleben. Wir schauen der gerade noch von der Klinge gesprungenen letzten Sau nach und beschließen unser Gespräch fortzusetzen, ohne den Verkehr aus den Augen zu lassen. Aktuell ist die erste und zweite Bundesliga arm an georgischen Spielern. Davit meint, nur bei Union Berlin spielt ein Deutscher mit georgischer Abstammung mit dem Namen Akaki Gogia. Das war früher anders. Neben dem erwähnten Kobiaschwili spielte auch Alexander Iashvili beim FC Freiburg und bestritt 198 Bundesligaspiele. Iashvilli, der inzwischen für den nationalen Verband „Georgian Football Federation“ (GFF) arbeitet, wünscht sich, dass mehr georgische Spieler in den internationalen Ligen spielen, so wie der 19-jährige Giorgi Chakvetadze, der aktuell bei KAA Gent in Belgien unter Vertrag steht. Im Übrigen ein Talent, auf das auch der BVB schon einmal ein Auge geworfen hatte. Davit erinnert sich in diesem Zusammenhang an Georgi Kinkladse, der 1995 von Dinamo Tiflis zu Manchester City wechselte und in den darauf folgenden Jahren mit seinen Dribblings und spektakulären Toren Kultstatus entwickelte.

Wir halten auf unserem weiteren Weg kurz in Shorapani an. Ich hatte gegenüber Gocha und Davit den Wunsch geäußert, ein Bild von einem Stadion eines regionalen Fußballclubs außerhalb der Ballungszentren zu machen. Die Stadt Shorapani zeigt die andere Seite des georgischen Fußballs. In der Umgebung initiierte ein Mäzen den Bau eines neuen Stadions mit gleichzeitigem Aufbau eines Profiteams und einer Jugendakademie. Möglicherweise Korruption, Missgunst und sonstige Ungereimtheiten führten zum Zwangsabstieg des Fußballteams in die vierte Liga. Da der Präsident dies nicht akzeptierte, gibt es im erbauten Stadion aktuell keinen Spielbetrieb mehr - lediglich die Jugendakademie ist noch existent.

Während Gocha weiter seinen Bus steuert, spreche ich mit Davit am Ende unseres Gespräches natürlich noch über den BVB der heutigen Zeit und was er aktuell mit den Schwarzgelben verbindet. Borussia Dortmund sei eine sympathische Mannschaft, bemerkt er. Er vergleicht sie mit Ajax Amsterdam. Ihm gefällt der offensive Stil und das für ihn hervorragende Scouting. Ganz besonders ist er natürlich aufgrund seiner persönlichen Erfahrung von der „gelben Wand“ angetan. Irgendwann höre ich auch einmal in einem Nebensatz den Namen Jürgen Klopp, aber wir wollten ja in der Gegenwart verbleiben.

Schließlich erreichen wir die Hauptstadt Tiflis und die Reise neigt sich dem Ende zu. Am folgenden Tag geht es mit gepackten Koffern zurück in die schwarzgelbe Metropole. Im November plane ich eine Tour auf Gran Canaria und bewege mich auf „königlichen Wegen“ über die Insel. Ich erkundige mich in den folgenden Tagen nach dem Reiseführer und lese im Internet, dass Götz seit 1996 wechselweise auf den Balearen und Kanaren lebt. Neben dem Wandern hat er zahlreiche weitere Leidenschaften. Abschließend steht geschrieben, dass er samstags manchmal besser gelaunt ist als ohnehin schon. Dies kann dann an einem Sieg seines Lieblings-Fußballvereins liegen, dem BVB. Dann auf ein Neues und irgendwie führen auch königliche Wege zum Ballspielverein 09.

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