Die TV-Experten
Eins der beherrschenden Themen der aktuellen Tagespolitik ist der Vorschlag von Hubertus Heil für eine allgemeine Grundrente. Leider ist das Leben kein Fußballspiel, sonst gäbe es einen ganz einfachen Ansatz zur Bekämpfung von Altersarmut. In jede Talkshow zum Thema „Arbeitsplätze“ werden Heerscharen ehemaliger Arbeitnehmer als Experten eingeladen und jeder, der schon mal beim Arzt gewesen ist, darf etwas zum Themengebiet Gesundheitsvorsorge beisteuern. So wären alle beschäftigt, hätten ihr Auskommen mit dem Einkommen nach der aktiven Zeit und die Sendeanstalten könnten sich immer auf die Expertise von Leuten, die „dabei“ waren, berufen.
Leider, oder eher zum Glück, ist der Profifußball aber ein ganz eigener Kosmos und so funktioniert dieses System nur dort. Für jeden Ex-Spieler, dessen Kompetenzen nicht für ein Trainer- oder Manageramt ausreichen, der aber auch keinen Plan hat, was er sonst in seinem Leben anstellen soll, gibt es immer noch die Möglichkeit, als TV-Experte unter zu kommen. Die Glücklicheren schaffen es gleich zu einer Festanstellung, der Rest muss als Wandernervschrecke durch die verschiedenen Fernseh- und Radioformate tingeln. Die besonders Verzweifelten schrecken sogar vor einer Gastkolumne im deutschen Hetzblatt mit den vier Buchstaben nicht zurück.
Es sind natürlich nicht alle so
Dabei gibt es natürlich immer Ausnahmen von der Regel. Matthias Sammer zeigt bei Eurosport, dass er ein enormes taktisches Verständnis hat und in der Lage ist, einen Vorbericht deutlich oberhalb der sonst üblichen Linie zur Grenzdebilität zu gestalten. Auf der anderen Seite tritt zum Beispiel Hasan Salihamidzic in München gerade den Beweis an, dass auch völlige Talentfreiheit in diesem inzestuösen Geschäft nicht immer vor einem offiziellen Engagement in der mittleren Managementebene schützt.
Nun kann man anführen, dass es angesichts der Millionenbeträge, die da im Profigeschäft mittlerweile hin und her geschoben werden, sogar sicherer ist, diese Riege der Altstars auf einen dieser sichtbar unbequemen Röhrenstühle in einem Studio zu platzieren und sie vom operativen Geschäft fern zu halten, für die Allgemeinheit entwickeln sich die Hamanns, die Baslers und die Lahms aber zu einer echten Geißel des Gehörgangs. Zwei Gesprächsrunden an einem Sonntag zu verfolgen reicht aus, um einen völlig verwundert zurück zu lassen, ob diese Leute jahrelang ihren Beruf ausgeübt haben, ohne dabei tatsächlich mehr Fachwissen als der gemeine Fußballstammtisch angesammelt zu haben. Die andere Erklärung wäre, dass sie wissen, wie der Fußball funktioniert – sie wollen es uns nur nicht sagen. Wirklich eignen tun sich diese Auftritte nur als Feldstudie zur Entwicklung des Profifußballers.
Aber wehe, wenn die Hamanns, Baslers und Lahms auftreten
Die ganz alte Garde fängt jeden zweiten Satz mit der Einleitung „Zu meiner Zeit…“ an und präsentiert als Lösung für jedes Problem im fußballerischen Bereich, dass doch alle nur mal zusammen in die Kneipe gehen und sich ordentlich einen über den Knorpel plätschern lassen sollten. Gleichzeitig können sie kaum verhehlen, dass sie die heutige Generation der Leistungssportler für eine Bande von totalen Weicheiern hält, die damals im Training keine fünf Minuten ausgehalten und dann weinend den Trainingsacker verlassen hätten. Im Grunde interessiert sie das aktuelle Geschehen nämlich gar nicht und sie besuchen solche Laberrunden nur, um die eigene Generation abzufeiern. Und natürlich wegen des Geldes.
Eine Spielergeneration weiter, also in der Riege um Didi Hamann, geht man da nicht mehr ganz so brachial vor. Man spricht über Körpersprache, untermauert die eigene Meinung mit selbst ausgedachtem Zahlenmaterial und wenn man gar nicht mehr weiter weiß, dann stellt man die Frage, ob der Trainer die Mannschaft noch erreicht. Tut er in der Regel natürlich nicht. Weil so eine „Expertenanalyse“ viel mehr Beachtung findet, wenn das Ergebnis eine konkrete Handlungsempfehlung (Trainer raus!) beinhaltet und nicht einfach nur den Status Quo für ziemlich in Ordnung einstuft. Das klingt alles schon etwas fundierter und ernsthafter als bei den Dinos, ist aber letztendlich auch nichts anderes als das, was der langjährige Fußballfan nicht selber durch die willkürliche Aneinanderreihung von fußballspezifischen Allgemeinplätzen zu Stande bringen könnte.
Traurigerweise ist das immer noch gehaltvoller als das, was die bereits medial durchgeschulten Spieler, die erst kürzlich ihre aktive Karriere beendet haben, zum Besten geben. Sobald ein Thema auch nur ansatzweise kontrovers werden könnte, wird schleunigst der Notausgang gesucht. Selbst der ARD waren Lahms Aussagen zu belanglos, um ihn weiter zu beschäftigen. Für diese Generation ist eine Talkrunde, um den ollen Clausewitz zu bemühen, die Fortsetzung eines Kathrin-Müller-Hohenstein-Poolinterview mit anderen Mitteln. Also ohne Wasser.
Dabei gibt es wirklich viele Bereiche, in denen man sachlich, fachlich und auch kontrovers streiten kann. Auf dem Platz, auf der Tribüne und in den Bürotrakten passieren genug spannende und bemerkenswerte Themen, um damit viele, viele Stunden zu füllen. Dafür wäre es aber mal notwendig, auf diese ganzen Quatschköpfe, die sich mit Belanglosigkeiten in den Vordergrund drängen, aus diesen Runden zu verbannen. Man braucht auch, um den Bogen zum Anfang zu spannen, bei ihnen keine Angst haben, dass sie ohne ihr Gnadenbrot beim Doppelpass in die Altersarmut rutschen.
So lange das nicht passiert, sollte man es mit dem großen Peter Lustig halten: „Und jetzt? Richtig. Abschalten!“