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Der Fall Hummels

20.06.2019, 17:40 Uhr von:  Phil Seb Gastautor
Der Fall Hummels

Mats Hummels wechselt zu Borussia Dortmund. Nüchtern analysiert birgt der Transfer Potential, aber auch Fallstricke, wie Phil, Seb und Janni kommentieren.

Vor drei Jahren entschied sich Mats Hummels bekanntlich, den BVB zu verlassen und seine Zelte Richtung München zu verlagern. Sein Abgang verlief dabei nicht sonderlich störungsfrei und es gab größere Dissonanzen zwischen ihm und Teilen der Anhängerschaft. Mats Hummels selbst sprach von „den 300“, mit denen er ohnehin schon seit längerem mehr oder weniger im Streit war, tatsächlich waren es wohl viele Tausend BVB Fans, die seinen Transfer und wie er vollzogen wurde, kritisch sahen und dies auch im Stadion mit Pfiffen kundtaten. Von nur 300 Fans zu sprechen stieß sehr, sehr vielen sauer auf. Diese waren darüber hinaus auch sehr enttäuscht, dass er sich entgegen mancher Aussagen in den Jahren zuvor („Es kommt nicht darauf an, was man alles gewonnen hat, sondern wie und wo man es gewonnen hat“ sei beispielhaft genannt), als amtierender Kapitän vom BVB abwandte und seinem „Heimatverein“ zuwendete. Es war die Art und Weise der Entscheidung, deren Kommunikation und auch da Ziel, welches Unmut hervorrief.

Damals war klar, dass Mats Hummels sich gegen den Legendenstatus in Dortmund entschied und für eine sportlich „einfachere“ Lösung, welche zudem örtlich dort angesiedelt ist, wo er aufwuchs und wo seine Familie und viele Freunde lebten. Man konnte selbst als außenstehender erahnen, dass diese privaten Motive nicht völlig an den Haaren herbeigezogen waren. Aber man konnte auch erahnen, dass er in München den Status, welchen er in Dortmund sich erarbeitet hatte, nicht würde erreichen können. Und so wirkte es schon sehr schnell so, dass Hummels mit seiner Entscheidung nicht übermäßig glücklich war. Sportlich konnte er zwar zur Stammkraft dort werden, gewann unter dem Strich auch 3 Meisterschaften und einen Pokal, aber in der selben Zeit sank sein Stern zunehmend, was nicht zuletzt auch drin mündete, dass seine Nationalmannschaftskarriere (im Übrigen mehr als unwürdig) durch den Nationaltrainer beendet wurde. Sportlich jedoch konnte er den Tiefpunkt dieser Entwicklung in der Hinrunde 2018/2019 dann bereits in der Rückrunde entkräften und wurde nicht zuletzt deswegen jedenfalls durch den „Kicker“ zum besten Verteidiger der Rückrunde erwählt. Insbesondere beim BVB-Gastspiel in der Allianz Arena stellte Mats Hummels unter Beweis, dass er ein sehr, sehr guter und moderner Verteidiger ist.

Und doch kamen recht früh erste Hinweise auf, dass es in München für ihn eher keine große Zukunft mehr geben würde. Der Trainer hatte ihn wohl sowieso von Anfang an nicht favorisiert als Lösung in der Innenverteidigung und so kaufte der FC Bayern dann auch in Lucas Hernandez und Benjamin Pavard zwei französische Weltmeister von 2018 für die Innenverteidigung der kommenden Saison. Und gab dafür wohl über 100 Mio. Euro aus.

Ob es auch private Gründe sind, die Mats Hummels dann dazu antrieben, den Kontakt zum BVB, welcher zu den Entscheidungsträgern dort (und den noch verbliebenen ehemaligen Mitspielern), nie wirklich abgerissen war, zu intensivieren und eine mögliche Rückkehr auszuloten, sei mal dahingestellt. Dies kann nur Mats Hummels selbst beantworten. Prinzipiell kennt aber wohl jeder, der einmal seine Heimat qua Geburt verließ, diesen Gedanken, doch einmal gerne wieder in diese Heimat zurückzukehren. Und manche derer, die es taten, merkten dann doch recht schnell, dass eben doch Zeit verging und manches gar nicht mehr so war, wie man es sich vorstellte.

Insofern kommen da dann beim sich nun anbahnenden und recht wahrscheinlichen Transfer zurück zum BVB einige Faktoren zusammen.

Die sportlichen Erwägungen sind dabei sogar sehr nachvollziehbar. Man muss sie nicht zwingend teilen und natürlich ist ein „gebt den jungen Kerlen, die wir haben eine Chance sich zu entwickeln“ sympathischer, aber wenn die Zielvorgabe ganz klar in Richtung „wir wollen deutscher Meister werden“ geht, braucht es angesichts des Konkurrenten aus München wohl doch mehr. Das „erarbeitete“ und in den Analysen der vergangenen Spielzeit entwickelte Profil war dabei recht klar. Und wohl einhellig von allen daran beteiligten getroffen. Es fehlte ein gestandener und erfahrener Spieler in der Innenverteidigung, der idealerweise auch schon auf höherem Niveau Titel gewonnen hat. Darüber hinaus sollte dieser Spieler vor allem über spielerische Fähigkeiten und Lösungen verfügen und eine natürliche Führungsstärke auf dem Platz ausstrahlen. Faktoren wie Kopfballstärke und „verteidigen von Standards“ kamen dann auch noch dazu. Und so kommt man, zumal wenn man dann wusste, dass seitens des Spielers auch durchaus Wechselgedanken angestellt werden, schnell auf den Namen Mats Hummels.

Aber natürlich gibt es auch Fragezeichen dahinter. Ist Mats Hummels sportlich noch „belastbar“, mit nunmehr 30 Jahren. Seine schon immer durchaus vorhandenen Tempodefizite waren seit 2014 nicht weniger geworden. Jedoch konnte Mats Hummels nun wie bereits erwähnt, in der Rückrunde 18/19 sportlich durchaus nachweisen, noch mehr als konkurrenzfähig zu sein. Und ist er überhaupt jene Führungsfigur, die man sich von ihm verspricht? Nach 2014 gab es da ja auch durchaus zu Recht haufenweise Zweifel, ob er tatsächlich ein „Leader“ sei oder doch eher nur ein selbstbezogener Akteur, der sich nur gut zu verkaufen verstand.


Der Vorteil des BVB ist dabei, dass man dies ja selbst miterlebte hatte und noch immer diverse Personen im Verein aktiv sind, die darüber befinden können. Ob nun die Entscheider Watzke und Zorc selbst oder halt Spieler wie Reus, Piszczek, Schmelzer. Gibt es aus diesem Kreis keinen Zweifel daran, dass Mats Hummels da helfen kann, sollte dies auch - bei aller Enttäuschung und Verbitterung über seinen Abgang vor drei Jahren - durch uns Fans wenigstens anerkannt werden.

Bleibt der finanzielle Aspekt. Der BVB hat bereits viel Geld investiert und dabei auch die Strategie erstmals seit ca. 2003 wieder risikoreicher gewählt. Die Rückkehr von Mats Hummel ist kein preisgünstiger „Rückkauf“, den man mal eben so macht. Das Gesamtpaket des Transfers bewegt sich schon in Höhen, die auch hier durchaus die Frage zulassen, ob dieser Spieler (mit seiner Vorgeschichte bei uns), solch ein Gesamtwert inklusive Gehalts noch darstellt. Hier sollte man den Verantwortlichen Watzke, Treß und Cramer schon das Vertrauen entgegenbringen, die finanziellen Aspekte nicht zu überreizen. Nach allem, was man an Informationen dazu öffentlich einsehen kann, ist dem auch nicht so.

Und am Ende ist dann die emotionale Frage noch im Raum, wie man als Fan mit dieser Personalie umgeht. Der BVB sieht hier sportlichen Bedarf, und vom Trainer, über den Sportdirektor und der sportlichen Leitung, bis hin zur Geschäftsführung und deren Beratern, sind alle zur der Auffassung gekommen, dass dieser Bedarf durch Mats Hummels zu stillen ist. Und der Finanzvorstand hat hierfür auch grünes Licht gegeben. Aber wie geht man als Fan dann damit um? Erneut soll ein Spieler aufgenommen werden, welcher zumindest durch größere Teile der Fanszene vor drei Jahren auch mit Banner und Sprechchören/Pfeifkonzerten verabschiedet wurde. Macht sowas als Fan „Spaß“ und freut mich sich darüber? Dem ist natürlich nicht so. Zumal es auch schon Dissonanzen zwischen Mats Hummels und manchen Fans gab, als er noch als fester Bestandteil beim BVB unter Vertrag stand.

Aber Hummels hatte zuvor auch 8 Jahre beim BVB gespielt und viele Jahre war er, trotz sehr guter Angebote den Verein zu verlassen, eben geblieben und hatte sich nicht, wie manch andere, sehr schnell vom „geilsten Klub Europas“ (anno 2013) verabschiedet. Er hatte seinen Abgang 2016 dann nicht glücklich gestaltet und ihn nicht gut kommuniziert bzw. erklärt gegenüber den Fans, die durchaus auch ihren Anteil daran hatte, dass Hummels Teil dieses Märchens 2008-2013 war. Aber intern wurde sein Abgang immer als sehr sauber und durchaus gut verständlich wahrgenommen. Natürlich war Hummels spätestens nach dem WM Titel 2014 zunehmend kein herausragender Sympathieträger mehr. Nicht selten hörte man aus dem Kosmos des BVB, dass seine arrogante und abgehobene Art nervte. Dies müsste Hummels definitiv verändern bzw. einstellen. Und natürlich wohnt diesem Transfer auch das Risiko inne, dass dies nicht gelingt und man sich einen teuren Spieler in den Kader zurückholt, der die Hierarchie durcheinander bringt, aber sportlich auch nicht mehr den Mehrwert darstellt, den man sich erhofft.


Aber sollte man als Fan nicht ggf. auch verstehen, wenn ein Spieler eine falsche Entscheidung, nämlich den „Legendenstatus“ in Dortmund aufzugeben, um wohl auch aus privaten Gründen motiviert in seiner Heimat spielen zu können, dann korrigieren will? Diese Fehleinschätzung ggf. auch eingesteht und nun die Möglichkeit bekommt, diese zu korrigieren.

Es ist nun an Mats Hummels selbst, die Zweifel auszuräumen: Auf dem Platz muss er nachweisen, dass seine spielerische Klasse die Ablösesumme rechtfertigt und die starke Rückrunde eben nicht nur ein temporäres Aufbäumen gegen die Ausbootung bei den Bayern und der Nationalmannschaft war. Neben dem Platz muss er unter Beweis stellen, dass er die Führungskraft sein kann, die jüngere Spieler anleitet und, dass er seine schnöselig arrogante Art abgelegt hat, mit der er zuweilen gegenüber anderen auftritt, die nicht zum Führungskreis gehören. Zu guter Letzt wird Mats Hummels wohl auch ein reinigendes Gewitter der Fans über sich ergehen lassen müssen. Selbstkritisch muss er in diesem Fall hinterfragen, wo er durch öffentliche Aussagen falsche Hoffnungen geweckt und Enttäuschungen provoziert hat. Dazu gehört auch sein eher abfälliger Umgang mit verschiedenen Fangruppen. Diesen Dingen wird sich Hummels stellen müssen, um im Verein und auch bei weiten Teilen der Fans wieder anerkannt zu werden.

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