"Geh weg, Horst"
Ein kluger Mann sagte mal: „Das Glück ist mit die Doofen und wenn die Doofen unsere Doofen sind, dann ist es kein Glück, sondern die bessere Spielanlage.“ Na gut, der Mann kommt aus Bochum, kann also nicht so wahnsinnig klug sein, aber wenn der Satz stimmt, dann ist die Spielanlage des BVB meisterhaft. Erneut gewinnen die Borussen durch Treffer in der Nachspielzeit.
Der Frühling naht. Bei Temperaturen nahe der 20 Grad-Grenze erstrahlte das Westfalenstadion endlich wieder großflächig in Gelb, die Zeit der Winterjacken scheint fürs erste vorbei zu sein. Beste Voraussetzungen für einen Heimsieg also, bis der Blick auf den Spielberichtsbogen fiel. Der Kapitän war nicht an Bord. Scheiß Nationalmannschaft, war der erste Gedanke. Doch diesmal war der Grund erfreulich. Der Nachwuchs begehrt Auslass. Norbert Dickel hatte allerdings eine ganz eigene Erklärung dafür:
Bevor das Spiel startete, läutete die Südtribüne die heiße Phase der Saison ein. Zu den Klängen von Bruno Knusts „Borussia“ wurde eine schöne Traditions-Choreo hochgezogen.
Das sollte für lange Zeit auch das letzte Highlight der Partie sein. Ganze 89 Minuten lang dominierte nur ein Thema das Stadion: „Wie geht’s der Taube?“
Direkt zu Beginn des Spiels hatte sich das Tier an der Eckfahne vor der Südtribüne niedergelassen. Als Maximilian Arnold zum Eckball schritt, trollte sich das Tier nur widerwillig zur Seite und ließ sich kurze Zeit später seelenruhig im Fünfmeterraum von Roman Bürki nieder. Bis zum Ende des Spiels wechselte sie mal vom Fünfmeterraum an die Mittellinie, wieder zurück in den Fünfmeterraum und anschließend ins Tor der Wolfsburger. Auch Zweikämpfe in ihrer direkten Umgebung konnten sie nicht aus der Ruhe bringen.
Im Gegensatz zur Taube enttäuschte der BVB auf dem Platz. Die Wolfsburger standen sicher und hatten wenig Mühe die uninspirierten Angriffe der Dortmunder abzuwehren. Eine magere Torchance stand in der ersten Halbzeit zu Buche, aber Paco Alcácer zielte nach Vorarbeit von Mario Götze zu hoch.
Die Wolfsburger kamen ebenfalls nur selten gefährlich nach vorne, der hochgelobte Wout Weghorst war bei Akanji und Zagadou in guten Händen. Eine schöne Flugparade von Bürki, ansonsten hauten sich beide Mannschaften im Mittelfeld gepflegt auf die Knochen. Schnell waren die zentralen Spieler Brooks und Arnold verwarnt, doch auch daraus konnte der BVB kein Kapital schlagen. Zwar ergriffen die Dortmund gegen Ende der ersten Halbzeit etwas die Initiative, aber…wie geht’s eigentlich der Taube?
In der zweiten Halbzeit änderte sich das Bild nicht. Kaum Torchancen und die Taube im Mittelpunkt. Erschwerend kamen noch zwei Verletzungen hinzu. Diallo musste aufgrund einer Muskelverletzung seinen Platz für Hakimi räumen, der nur kurze Zeit später mit einer Fußverletzung vom Feld ging. Für Diallo wird es laut Favre eng mit München, bei Hakimi gibt es noch keine Prognose.
Ab der 80. Minute wachte das Westfalenstadion nochmal auf. Mit Unterstützung der anderen Tribüne versuchte die Südtribüne die Schlussoffensive einzuleiten. Das klappte auch. Allerdings kam die Schlussoffensive von den Wolfsburgern. Mehrmals flog der Ball gefährlich durch den Dortmunder Strafraum, glücklicherweise fehlte stets jemand, der die Fußspitze noch in den Ball halten konnte.
Es sah so aus, als ob es erneut einen Rückschlag im Kampf um den Titel geben sollte. Doch dann kam der Ball doch noch einmal an den Strafraum. Brooks traf Paco Alcácer am Fuß und Schiedsrichter Schmidt pfiff noch einmal Freistoß. Um es in der Reportersprache zu sagen „Berührung war da.“
Paco Alcácer legte sich den Ball zurecht und…
…Rückblende
Bereits Mitte der zweiten Halbzeit hatte sich Paco Alcácer den Ball beim Freistoß hingelegt und ihn anschließend so dermaßen weit vorbeigeschossen, dass das Fangnetz der Süd spontan vergrößert werden musste, um den Ball aufzuhalten.
Und auch ansonsten war dem Stürmer im Spiel bislang nichts gelungen. Wenig Grund zu Optimismus also.
Diesmal wählte der Spanier die Gewaltvariante. Stumpf in die Mitte, zwar feste aber unplatziert. Keine große Aufgabe für Koen Casteels, wenn nicht ein Wolfsburger den Ball minimal mittels Gesäß abgefälscht hätte. Der Ball rutschte dem Holländer über die Handschuhe und das Westfalenstadion explodierte.
Die Wolfsburger diskutierten noch ein bisschen mit Schiri Schmidt, wie 9,15 Meter abgemessen werden, den Dortmundern war es herzlich egal.
Und weil es so schön war, gab es anschließend noch den Doppelpaco. Wolfsburg spielte einen Angriff in die Füße von Dahoud, der umgehend Sancho auf die Reise schickte. Maximilian Arnold verlor nach seinen Zweikämpfen mit der Taube und Axel Witsel auch den dritten Zweikampf des Abends, Bruun Larsen ließ klug durch und Paco schoss sich den Ball so kunstvoll ans Standbein, dass Casteels keine Chance hatte. Damit ist Paco Alcácer der erste Spieler, der in einer Bundesliga-Saison fünfmal in der Nachspielzeit treffen konnte.
Schmidt pfiff das Spiel gar nicht mehr an, die Feierlichkeiten konnten beginnen.
Doch bei aller Euphorie, die heutige Leistung wird in den verbleibenden Spielen nicht reichen. Nur selten hatten die Zuschauer das Gefühl, dass dort 11 Borussen alles für die Meisterschaft raushauen. Tempo, Leidenschaft, Inspiration fehlten, herausgespielte Torchancen blieben Mangelware. Das alles kann nicht nur am Fehlen von Marco Reus gelegen haben. Auch das Anlaufen im Block klappte heute nicht. Problemlos konnten sich die Wolfsburger aus dem Dortmunder Pressing befreien. Vielleicht ist es gar nicht schlecht, dass es jetzt nach München geht. Hier sollte jedem klar, dass auf dem Weg zum Ziel jeder 100 Prozent bringen muss.
Einzelkritik:
Bürki: Durfte einmal fliegen und war damit deutlich weniger unter Druck als die Taube.
Wolf: Engagiert, offensiv glücklos, defensiv mit Problemen gegen den starken Roussillon.
Akanji: Hatte Weghorst gut im Griff. Souveräne Vorstellung.
Zagadou: Wieder mit der Souveränität und Abgeklärtheit der Hinrunde. Höhepunkt: Sein Dribbling als letzter Mann gegen drei Wolfsburger sorgte allerdings für Herzrasen.
Diallo (bis 50.): Konnte nur selten die Freiräume links offensiv ausnutzen, benötigte defensiv immer wieder Sanchos Hilfe. Gute Besserung!
Delaney: Defensiv abgeklärt, offensiv unauffällig.
Witsel: Die Präsenz der Hinrunde fehlt noch. Aber absoluter Boss-Move, als er interessiert zuschaute, wie sich zwei Wolfsburger beim Kopfballduell gegenseitig behinderten und sich dann den Ball nahm.
Guerreiro: Das Zusammenspiel mit Wolf klappte nur selten.
Götze (bis 81.): Konnte die Reus-Rolle heute nicht ausfüllen. Kreierte nur wenig Torgefahr.
Sancho: Häufig auf sich allein gestellt. Diesmal kein Unterschiedsspieler.
Paco Alcácer: Joa...90 Minuten Kreisklasse, dann startete die Paco-Show.
Hakimi (ab 50. bis 74.): Gute Besserung!
Bruun Larsen (ab 74.): Bei der besten Aktion berührte er den Ball nicht und ließ ihn für Paco durch.
Dahoud (ab 81.): Stand vor dem 2:0 genau richtig und fing den Fehlpass ab.
Fazit: