Die Stimmung kippt
Freitagabend, Flutlicht, Westfalenstadion – es gibt schlechtere Spiele, um endlich wieder zu Borussia zu gehen. Das erste Spiel nach den Vorfällen am Dortmunder Hauptbahnhof nach dem Derby wäre aber wohl so oder so etwas Besonderes geworden. Da der Kieferknochen noch eher zusammengehalten wird als zusammenhält, war an Block Drölf noch nicht zu denken, aber auch das ließ sich lösen und Stadion ist allemal besser als auf dem Sofa vor der Flimmerkiste.
Insofern war die Vorfreude für ein Spiel gegen Paderborn unüblich groß bei mir. Da konnte auch die eigenartige Situation um Favre und die Analyse der sportlichen Situation ohne Trainer eigentlich nicht viel trüben. Immerhin ging es gegen den Tabellenletzten, der in der Vergangenheit vielen Vereinen den Gefallen getan hat, an seinem eher offensiven System festzuhalten. Nach der wiedermaligen deutlichen Niederlage in München bestand auch die Hoffnung, dass nun die Mannschaft auf Wiedergutmachung setzt.
So startete auch die Südtribüne ganz ordentlich in das Spiel - noch war man gewillt der Mannschaft die Stange zu halten. Auf Seiten der Paderborner war der Gästeblock recht schmucklos, aber zumindest der Stehplatzblock gut gefühlt. Die Szene in Paderborn hat wohl auch mit rund 30 Stadionverboten zu kämpfen, für einen Dorfverein ist das natürlich mehr als erheblich. Irgendwie kann man sich nicht vorstellen, dass das alles wirklich notwendig ist.
Doch bereits nach fünf Minuten belohnten sich die Ostwestfalen und ihre Anhänger für ihren Offensivmut und Bürki musste den Ball aus dem Tor holen. Unfassbar wie einfach sich die Dortmunder Hintermannschaft überrennen ließ. Bemerkenswert auch wie stabil Pröger gegen Schulz agierte, ein Schwarzgelber wäre wohl lamentierend zu Boden gegangen und hätte mit treudoofem Dackelblick gen Schiedsrichter gewinselt.
Über die folgenden 30 Minuten kann man wohl „stets bemüht“ schreiben oder anders gesagt: „viel brotlose Kunst“. Entsprechend wurden die Tribünen immer unruhiger, während die selbsternannten Topspieler ideenlos über den Platz stümperten. Als Paderborn dann noch zum Doppelschlag durch Mamba und Holtmann kam, drohte die Stimmung ganz zu kippen. Von Pfeifen über höhnischen Applaus bis zu vereinzelten „Favre raus“ Rufen war wirklich alles dabei. Lediglich Block Drölf stemmte sich noch dagegen, dass es neben dem Spiel auch auf den Tribünen zu einen Fiasko wurde. Mit einem gellenden Pfeifkonzert wurde die Mannschaft dann auch in die Kabine geschickt.
Rund um die Halbzeit kamen dann Julian Brandt (für den verletzten Alcácer), Hazard für Dahoud und Hakimi für Schulz. Grundsätzlich hätte Favre auch jeden anderen Spieler auswechseln können. Dafür war die Mannschaftsleistung einfach zu grottig. Immerhin rissen sich die Spieler nun für die ersten zehn Minuten zusammen und wurden auch für die engagierten Minuten mit dem Anschlusstreffer belohnt. Das war es dann aber auch wieder für lange Zeit. Immer wieder scheiterte der BVB an sich selbst, dämlichste Fehlpässe und Stockfehler in absurder Menge ließen viele Fans an der Arbeitshaltung des kickenden Personals zweifeln. Bis zur 75. Minute waren die Gäste dem 4:1 näher als der BVB einem weiteren Anschlusstreffer. Es war übel anzusehen. Dass es am Ende zu einem glücklichen und späten Ausgleich reichte (84., Witsel und 90+2., Reus), war wohl vor allem den nachlassenden Kräften des Aufsteigers geschuldet.
Trotz des Unentschiedens nach einem drei Tore Rückstand war die Stimmung im Westfalenstadion nach dem Abpfiff keineswegs erleichtert. Viele Fans brachen schnellstmöglich auf, um nach dem schrottigen Start ins Wochenende nicht noch mehr Zeit von den freien Tagen zu verlieren. Wer noch geblieben war, konnte sich nicht dem Klatschen von Witsel und Hummels anschließen, sondern ließ den Frust raus. Ob dieses Warnsignal in der rosaroten Wattewelt der Stars ankommt, mag mancher mittlerweile bezweifeln. Gefühlt wäre ein Trainerwechsel auch nur ein rumdoktern an den Symptomen und es muss auch ehrlicherweise die Charakterfrage in Richtung der Stars gestellt werden.
Sonst so?
Auf der Tribüne nahm die Initiative Ballspiel.vereint! Stellung zu der Debatte rund um eine Frauenfußballabteilung beim BVB. Diese Frage wird den BVB vermutlich noch eine Weile begleiten. Darüber hinaus zeigten Mitglieder von The Unity ein Spruchband für Veronica & Felix, die in den vergangenen Tagen ein Schicksalsschlag ereilt hat. Auch von dieser Stelle noch einmal: "Ihr seid nicht allein."