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...Stefan Witte: "Die Fangesänge wurde mit erheblichem Aufwand der Behörden strafrechtlich aufgearbeitet."

09.02.2019, 09:45 Uhr von:  cka
...Stefan Witte: "Die Fangesänge wurde mit erheblichem Aufwand der Behörden strafrechtlich aufgearbeitet."

Schmähgesänge, Fadenkreuz, Hopp im Fokus, Androhung von Punktabzug. Es ist viel passiert im letzten halben Jahr in der "Causa Hopp". In einem Kurzinterview mit schwatzgelb.de berichtet Stefan Witte, Anwalt und Sprecher der Fanhilfe über den aktuellen Stand und mögliche Strafen.

schwatzgelb.de: Das letzte Interview haben wir kurz vor dem Hinspiel geführt, als die Nachricht an die Öffentlichkeit kam, dass Dietmar Hopp Anzeige wegen Beleidigung gegen ca. 30 BVB Fans erstattet hat. Was ist diesbezüglich in dieser Geschichte seitdem passiert?

Stefan Witte: In der Sache ist das Ganze auch strafprozessual weiter fortgeschritten, konkret ist bei einem Großteil der geführten Strafverfahren, in denen ein Tatverdächtiger identifiziert wurde - nach meinem Kenntnisstand - ein Strafbefehl ausgebracht worden. Das Ganze wurde mit einer Geldstrafe bis zu 75 Tagessätzen belegt, ein Großteil der Beschuldigten hat nach meinem Kenntnisstand gegen etwaigen Strafbefehl Einspruch eingelegt und bedient sich anwaltlicher Hilfe. Insofern ist nach jetzigem Stand davon auszugehen, dass es zu einer Vielzahl von Hauptverhandlungen kommen wird, dies ist obligatorisch, in den dann auch öffentlich geführten Hauptverhandlungen wird dann eine detaillierte Aufarbeitung der Sachverhalte geschehen, nicht lediglich eine summarische Prüfung wie im Strafbefehlsverfahren.

schwatzgelb.de: Beim folgenden Spiel in Hoffenheim wurde dann neben einem Spruchband auch das Fadenkreuz wieder gezeigt. Man konnte ja erwarten, dass nach den Anzeigen wenige Tage zuvor irgendeine Reaktion aus dem Gästeblock folgen wird. Ist das dann nicht etwas komisch, dass dem Ordnungsdienst dieses große Stück Stoff scheinbar nicht aufgefallen sein soll?

Stefan Witte: Das scheint in der Tat merkwürdig, zumal das Transparent eine erhebliche Größe hat und nicht lediglich die eines Doppelhalters.

Es gab auch auf dieses, dann erneut hochgekochte Thema Hopp Reaktionen vieler Fankurven, mal kreativ und strafrechtlich weniger relevant, mal dann doch eher brachial. Betrachtet man einmal die Entwicklung in der „Causa Hopp“, insbesondere auch aus Sicht der Anhängern von Borussia Dortmund, ist es ja mittlerweile eine Geschichte, die seit der „Beschallungsaffäre“ mal mehr und mal weniger heftig geführt wird, wie es dann allerdings bei einer erwartbaren Gegenreaktion derart große Transparente, zum einen das Fadenkreuz, zum anderen dann noch der dazugehörige Text in den überschaubar großen Gästeblock in Sinsheim schafft, mutet nun wirklich merkwürdig an. Man könnte hier durchaus auch dem Hauseigentümer einen Vorwurf machen, wie dies natürlich bei dem vorangegangenen Spiel in Hoffenheim aufgrund der Gesänge ausgeschlossen ist. Das DFB-Sportgericht jedenfalls hat mangelnde Sicherheitsvorkehrungen des Heimvereins nicht sanktioniert und dann lediglich die bekannten erheblichen Sanktionen gegen den Ballspielverein verhängt.

schwatzgelb.de: Was befürchtet ihr darüber hinaus aus der Fadenkreuzaktion?

Stefan Witte: Wie gestern in dem Artikel eines BVB-Medienpartners zu lesen war, soll es gegen 41 identifizierte Verdächtige aus dem „Dortmunder Lager“ Ermittlungsverfahren gebe, konkrete Erkenntnisse hierzu hat weder die Fanhilfe noch ich als Rechtsanwalt. Ermittlungsverfahren sind bis dato nicht bekannt. Grundsätzlich ist natürlich in keiner Weise auch zu erwarten, dass das Ganze strafrechtlich unaufgearbeitet bleibt, insbesondere nicht, da natürlich schon bereits die Fangesänge mit durchaus erheblichem Aufwand seitens der Behörden strafrechtlich aufgearbeitet wurden und noch wird.

schwatzgelb.de: Auch gegen einige Kölner Fans wurde ja bekanntlich Anzeige erstattet. Wie genau können die Leute eigentlich ermittelt werden, zumal ja bekanntlich deutlich mehr als 30 Fans vermeintlich beleidigende Texte mitgesungen und skandiert haben?

Stefan Witte: Hier gibt es auch Verfahren gegen andere Fanszenen, auch gegen die Mitglieder der Kölner Fanszene. Bei der Identifizierung der Leute wird auf Stadionvideotechnik und polizeiliche Mitschnitte zurückgegriffen, weshalb dann nur eine Anzahl von 30 Leuten rauskommt, ist in der Tat fraglich, auch ohne, dass eine genaue Zahl bekannt ist, dürfte allerdings doch schon ein nennenswerter Teil des Gästeblocks (Kapazität unbekannt) mitgesungen haben. Hier wird dann die Frage zu stellen sein, wie selektiv konkret vorgegangen wurde und ob denn tatsächlich auch die Fans überhaupt Vorwerfbares skandiert und was sie konkret skandiert haben.

schwatzgelb.de: Ein Punktabzug steht als Strafe im Wiederholungsfall im Raum. Kann der DFB so eine Strafe überhaupt verhängen? Ist das Strafmaß im Vergleich angemessen?

Stefan Witte: Ja, der DFB ist berechtigt gemäß den Regelungen seiner Rechts- und Verfahrensordnung Sanktionen zu verhängen bis hin zum Punktabzug. Die verschiedenen Sanktionsstufen beginnen bei Geldstrafen mit und ohne Auflagen, über Zuschauerausschluss partiell oder ganz, Aberkennung von Punkten und auch Ausschluss vom Wettbewerb verhängen. Entsprechendes ist in der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB geregelt.

Die Angemessenheit des Strafmaßes orientiert sich natürlich formaljuristisch betrachtet an der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. In deren Systematik fügt sich das Ganze grundsätzlich in die Sanktionshistorie betreffend den BVB ein. Eine Gewisse „wir stellen uns vor einen verdienten Mann“ Argumentation und hierdurch bedingte Strafverschärfung im Sinne eines deutlichen Zeichens beinhaltet das Strafmaß aber ebenfalls. Im Fokus der Sanktionen steht natürlich letztlich nicht der Verein, sondern die Fans, beachtet man insbesondere auch, dass das Ganze natürlich präventiv null Wirkung entfaltet, wie der Verlauf der „Causa Hopp“ deutlich zeigt.

schwatzgelb.de: Heute steht für den BVB das nächste Spiel gegen Hopps TSG an. Wie sollten sich die BVB Fans eurer Meinung nach verhalten?

Stefan Witte: Aus juristischer Sicht kann natürlich allen Fans, auch im Interesse des Vereins nur geraten werden, sich rechtskonform zu verhalten, ob allerdings die für den Verein gültige Rechtsnorm des DFB ebenfalls für den Einzelnen ausschlaggebend sind, mag jeder selbst beantworten. In jedem Fall sollte man sich natürlich auch vor Augen führen, dass der Verein an sich immer die Konsequenzen trägt, sei es bei einer Geldstrafe oder letztlich dann auch durch fehlende Unterstützung beim Zuschauerausschluss, ob dann die Spirale in der „Causa Hopp“ unbedingt noch weiter bedient werden muss, ist die Frage. Sicherlich sinnvoller ist eine Auseinandersetzung auf sachlicher und faktischer Ebene, Argumente, die letztlich auch den kritischen Blick auf den Herrn Hopp und sein Engagement bei der TSG begründen gibt es ausreichend, auch wenn diese medial deutlich weniger Aufmerksamkeit und Beachtung generieren als markige Forderungen wie die nach Punktabzug für Schmähgesänge.

schwatzgelb.de: Wir bedanken uns für das Gespräch.

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