Brazzos Dienstjubiläum
Eigentlich müsste ich als Vater Hasan Salihamidzic dankbar sein. Wenn ich mal ein Beispiel suche, um meinen Kindern zu zeigen, dass man alles werden kann, was man möchte, wäre die Besetzung des Sportdirektors bei den Bayern prädestiniert. Selbst, wenn einen niemand auf dem Schirm hat und es niemand einem zutraut, man kann es schaffen. Dummerweise käme ich dann aber an dem Punkt ins Schleudern, an dem ich erklären müsste, wie er dort hingekommen ist. Beim Sportdirektor vermuten die einen, dass er etwas über Hoeneß oder Rummenigge weiß, das selbst Zoll und Finanzamt noch nicht herausfinden konnten, die anderen, dass die beiden für den Posten bloß eine Handpuppe gesucht haben – ohne gleich direkt eine Handpuppe auf den Stuhl zu setzen. Von Fachkompetenz oder guten Leistungen spricht allerdings niemand. Das eignet sich also nicht gerade als leuchtendes Vorbild.
Selbst heute, auf den Tag genau zwei Jahre nach seiner Amtseinführung, sorgt diese Personalie wahlweise für Kopfschütteln oder allgemeine Erheiterung. Wer ihn dort auf dem Pressepodium sitzen sieht, eingeklemmt zwischen den beiden Großkopferten, hat sofort das Bild eines kleinen Bubs vor Augen, der in Papas acht Nummern zu großen Schuhen herumstolziert und erwachsen spielt. Maßgeblich zu diesem Eindruck beigetragen haben Geschichten wie die der letztendlich gescheiterten Verpflichtung von Chelseas Nachwuchsstar Hudson-Odoi.
Auf einer Pressekonferenz zu erklären, dass man einen Spieler „unbedingt verpflichten“ wolle, gehört nicht gerade zum Standardrepertoire in Sachen Verhandlungstaktik. Es fehlte eigentlich nur noch der Zusatz „Geld spielt keine Rolle“. Richtig dumm wird es dann, wenn man es letztendlich nicht einmal schafft, einen Verhandlungserfolg zu erzielen. Der Spieler wird auch zukünftig an der Stamford Bridge spielen.
Auch wegen Geschichten wie dieser dürfte Salihamidzic die Worte von Rummenigge, die eigentlich auf Trainer Kovac im Zusammenhang mit der Wechselposse um Leroy Sané gemünzt waren, auf sich bezogen und gehorsam verkündet haben:
„Wir sind alle gut beraten, nicht über solche Spieler zu sprechen"
und „Deswegen hat es der Vorstandsvorsitzende gesagt. Ich hoffe, dass wir es alle verinnerlichen."
Da ist aber mal einer stramm eingenordet. Eine Aussage so servil, dass man sich gut vorstellen kann, wie der gute Mann in einem früheren Leben mit einem Buckel und einem Kerzenleuchter in der Hand durch dunkle Schlossgänge gewandelt ist und dabei Sätze gesagt hat wie „Ja, Meissster“. Verinnerlicht scheint er zumindest schon mal die Angewohnheit des geliebten Vorstandsvorsitzenden Rummenigges zu haben, Floskeln wie „wir sind alle gut beraten“ einzustreuen. Der hat es fast zur Meisterschaft darin gebracht, auch dem größten Stuss einen staatstragenden Anstrich zu verpassen.
Aber natürlich gehören immer zwei dazu, wenn die Butter vom Brot verschwindet. Einen, der sie sich nehmen lässt und einen, der nimmt. In diesem Fall sind es gleich zwei Nehmer. Rummenigge und Hoeneß tun beide ihr Möglichstes, um zu demonstrieren, wer die Hosen an hat und wer nur der Sidekick ist. Zwar erklärte KHR zu Jahresbeginn huldvoll, sein sportlicher Direktor wäre „on fire“, häufiger jedoch erweckt man den Eindruck, er würde maximal schwach glimmen dürfen. Ganz besonders großartig war in diesem Zusammenhang die legendäre Pressekonferenz, in der seine Bosse über das Grundgesetz schwadronierten. Nicht allein, dass Salihamidzic erst dann ein paar Worte beisteuern durfte, nachdem Hoeneß und Rummenigge mit voller Breitseite gefeuert hatten. Sogar eine Frage, die ein Journalist explizit an ihn gerichtet hat, wurde dann vom Mann aus Lippstadt beantwortet. Spätestens das wäre der Moment gewesen, etwas Persönlichkeit zu zeigen und einfach aufzustehen und zu gehen.
Nun könnte man einwerfen, dass die Medienarbeit nicht jedermanns Sache ist und Hasan vielleicht sogar ganz glücklich ist mit seinem Platz in der zweiten Reihe, so lange es bei der fachlichen Arbeit läuft. An dieser Stelle betritt dann allerdings Uli Hoeneß die Bühne, legt die Latte drei Stufen höher und wartet grinsend auf das folgende Schauspiel. Die mittlerweile legendäre Ankündigung aus dem Doppelpass von wegen „wenn Sie wüssten, was wir alles schon sicher haben für die neue Saison“ ist ihm zwar auch deutlich auf die Füße gefallen, trotzdem bleibt am Ende auch beim Sportdirektoren als ausführendes Organ der Eindruck haften, dass er mehrere Transfers, die kurz vor der Realisierung standen, mächtig verdaddelt hat. Die bisherigen Erfolge haben jedenfalls selbst in Spielerkreisen für wenig Begeisterung gesorgt.
Wobei: vielleicht war er bei diesen groß angekündigten Transfers auch gar nicht involviert. Auf eine Verpflichtung vom blauen Nübel angesprochen, erklärte Uli nämlich, er wäre für „Investitionen unter 25 Millionen“ gar nicht zuständig. Dabei sind 25 Millionen Euro mittlerweile ein Betrag, für den man kaum noch einen Spieler verpflichten kann, der wirklich bei den Bayern das Zeug zum sofortigen Stammspieler hat. Dem dritten „starken“ Mann beim FC Bayern scheint man also eigenverantwortliches Handeln nur dann zuzutrauen, wenn es um die Verpflichtung von Perspektivspielern geht. Klammer auf – da kann man nicht so viel kaputt machen – Klammer zu. Alles andere ist dann wieder Aufgabe der großen Jungs.
So steht auch zum zweiten Dienstjubiläum weiterhin ein ungläubiges „wie zur Hölle konnte der nur….“ verbunden mit der Hoffnung auf noch weitere Jahre voller Belustigung, Kopfschütteln und manchmal auch ein bisschen Mitleid.
Walk on, Sportdirektor der Herzen.