Er ist wieder da!
Ein Wechsel, viele Meinungen: Mats Hummels kehrt nach drei Jahren in München zurück zum BVB. Gastautor Didi mit seiner Einschätzung zum Transfer.
Am Ende kam es dann, wie es kommen musste. Nach Nuri Sahin, Shinji Kagawa und Mario Götze kehrt mit Mats Hummels auch der vierte Spieler aus der „ersten“ Meistersaison 2010/2011 zum BVB zurück. Und abermals stellt sich die Frage, ob die nächste von Aki Watzke getriebene Rückholaktion wirklich Sinn macht und ob sich das, aufgrund des mäßig moderierten Wechsels nach München, zerschlagene Porzellan überhaupt reparieren lässt.
Mats Hummels war zweifelsfrei eine der prägendsten Figuren der beiden Meisterjahre und 2013, als der BVB ins Finale der Champions League einzog. Die Weiterentwicklung vom Amateurspieler aus München bis hin zum unumstrittenen Nationalspieler verlief konstant, aber doch nicht ohne Ausschläge. In der ersten Champions League Saison in Marseille und Piräus noch wie viele seiner Teamkollegen hoffnungslos überfordert, gelang ein Jahr später beinahe der große Coup. Auch als Führungsspieler konnte sich Hummels beim BVB festigen und seine Identifikation mit dem BVB war nicht nur deshalb glaubwürdig, weil er die eine oder andere Offerte aus München und Manchester ausschlug. Ein Titel in Dortmund sei ihm mehr wert als sieben in München, ließ er wissen. Der Groll über Götzes Abgang, der im April 2013 den ganzen Verein wie der Blitz traf, auch bei Hummels groß.
Die Kräfte des Marktes begannen aber unweigerlich am BVB zu zerren und so vermochte auch Jürgen Klopp seine Truppe nicht mehr so richtig zusammenzuhalten. Lewandowski bereits 15 Monate vor Vertragsende Jahre mit den Bayern einig, Götze längst dort und nach einer auch durch die WM sehr fahrigen Saison warf mit Klopp auch die fraglos entscheidende Figur des BVB-Aufschwungs das Handtuch. Die Bayern in der Liga ohnehin seit Jahren entrückt, schaffte es der BVB auch auf internationalem Terrain nicht mehr, sich über Wert zu verkaufen – sowohl 2014 als auch 2015 war trotz eines respektablen Heimspiels gegen Real Madrid bereits im Achtelfinale Endstation.
Hummels war gerade 2014/2015 gefordert und ging als Kapitän mit dem schwankenden Schiff unter. Spätere Eingeständnisse, er habe einige Kilos mit sich geschleppt, weil er in einem Teufelskreis gesteckt und den sportlichen Frust mit Schokolade bekämpft habe, stellten ihm nur ein mäßiges Zeugnis als Leader und Profisportler aus. Bezeichnend aber dennoch, dass Hummels die Probleme offen einräumte und damit bewusst auch viel Kritik in Kauf nahm. Der Angriff auf die Bayern wurde im gleichen Atemzug wieder ausgerufen und der BVB spielte im ersten Jahr unter Thomas Tuchel eine sehr starke Saison, blieb im Rennen um den Titel aber dennoch beinahe chancenlos. Die Bayern finanziell entrückt, da allmählich von der Last der Allianz Arena befreit und damit letztlich auf beinahe jeder Position stärker besetzt. Das beinahe traditionelle Pokalfinale verlor der BVB gegen die Bayern, nachdem es im Vorjahr unter Klopp eine Pleite gegen Wolfsburg abgesetzt hatte.
Dann brachen die Dämme, weil mit Gündogan und Mkhitaryan gleich zwei Spieler den Verein verlassen sollten, die einen großen Anteil an der starken Premierensaison unter Tuchel hatten. Hummels war darüber offenbar bereits länger informiert und rätselte lange über seine Zukunft. Gewohnt offen ließ er die Öffentlichkeit an seinem Dilemma teilhaben und der kommunikative Gau nahm mit der Adhoc-Meldung des börsennotierten BVB seinen Lauf, in welcher die Wechselabsicht von Mats Hummels zum FC Bayern kundgetan wurde.
Eine Wechselabsicht, die ihm viele Fans mehr als übel nahmen, war es doch gerade Hummels, der sich und den BVB als Gegenpol zum FC Bayern stilisierte und Jahre zuvor auch wissen ließ, es gäbe keinen sportlichen Grund, den BVB für die Bayern zu verlassen. Während die Anhängerschaft des BVB die Abgänge von Mkhitaryan und Gündogan eher gefasst aufnahm, musste Hummels beim Heimspiel gegen Wolfsburg bei jedem Ballkontakt ein wütendes Pfeifkonzert über sich ergehen lassen.
Dabei zeigte sich auch das Dilemma, in das sich Hummels hineinmanövriert hatte: Während die Wechselgelüste der „Hochbegabten“ um Gündogan, Lewandowski, Guerreiro und Aubameyang mit Fassung und im Falle von Pulisic sogar einer großen Portion Generosität begleitet wurden, erntete Hummels den ganzen Frust für die gesäte Hoffnung bei der Anhängerschaft. Dass die medial wohl präsenteste Figur neben Klopp, die gerne Seitenhiebe in Richtung München verteilt hatte, nun ausgerechnet den Transfer in den Süden vollziehen wollte, war in den Augen vieler Fans mehr als nur ein Verrat – nicht zuletzt auch gerade deshalb, weil er Kapitän der Mannschaft war.
Dass Hummels damit den Weg ging, den vor ihm jeder BVB-Spieler mit internationaler Klasse seit 2013 gehen sollte, und auch private Gründe für eine Rückkehr nach München sprachen, fiel dabei nicht weiter ins Gewicht. Der längst verlorene Anschluss in der Liga? Ja wohl sicher kein Grund, ausgerechnet nach München zu gehen, wenn einem die Welt offen steht. Mit Hummels ging wohl das letzte bisschen Nostalgie aus der Klopp-Ära.
Wäre da nicht Aki Watzke, der alte Romantiker, der Hummels bereits im Rahmen seines vermaledeiten Abschieds alle erdenklichen Türen sperrangelweit offen hielt. Und da erstaunte es wenig, dass der BVB das sich öffnende Fenster nutzte und Mats Hummels nach offensichtlich nur kurzem Verhandlungsbedarf wieder an Bord nahm und damit für viele Reaktionen sorgte, denen es nur selten an Emotionalität fehlte.
Ob es so zielführend ist, einem Profi-Fussballer, der im Gegensatz zum Großteil seiner Kollegen seine Interviews selbst durchführt und Social Media-Kanäle mit wechselhaftem Erfolg selbst betreut, Äußerungen aus dem Jahr 2013 vorzuhalten, sei dahingestellt. Ob die Ablösesumme mit einem vermuteten Fix-Betrag von rund 31 Mio. Euro zu hoch ist, kann mit Recht vermutet werden.
Festzuhalten gilt aber, dass Hummels in der Rückrunde seine sehr gute sportliche Verfassung belegt hat und damit nur schwer mit Sahin, Kagawa und Götze zu vergleichen ist und sicher auch Alternativen zum BVB gehabt hätte. Zweifel an seiner kurzfristigen Leistungsfähigkeit scheinen unbegründet und mit 30 Jahren zählt er trotz mäßigem Antritt noch lange nicht zum alten Eisen, zumal die Viererkette mit Hakimi und Akanji über zwei Spieler verfügt, die das Geschwindigkeitsdefizit von Hummels aufzufangen vermögen.
Damit die zweite Ära im Trikot des BVB gelingt, wird Hummels sich aber beim BVB einsortieren müssen und die Skeptiker mit Leistungen überzeugen müssen. Reibungen mit Lucien Favre, ein vom ersten Tag an geäußerter Führungsanspruch oder unzählige selbstreflektierte Interviews sind sicher nicht das, worauf der Verein und seine Fans gewartet haben. Und nicht zuletzt ist er es dem Verein schuldig, die aufgrund der inexistenten Wiederverkaufschance doch sehr hohe Ablöse mit einer professionellen Einstellung zurückzuzahlen und damit weder die Summe auf dem Überweisungsschein nach München noch die Zahl auf der Waage zum Dauerthema wird. Dass der BVB aber das Geld in die Hand nimmt, lässt erahnen, dass dem Spieler die nötige Einstellung zugestanden wird und dass keine Zweifel an seiner charakterlichen Integrität bestehen.
Am Ende läuft es aber nach aktuellem Stand darauf hinaus, dass Mats Hummels am Ende seiner Karriere gut 11 Saisons in Diensten des BVB stehen wird und den Verein in einer seiner größten Phasen mitgeprägt haben wird. Das spricht ironischerweise am Ende doch für sich und bedarf keiner großen Worte.
Auch die Anhänger des BVB werden sich fragen müssen, ob sie 11 Saisons und dereinst 450 Spiele für den BVB weniger gewichten wollen als die 2015 geplatzte Illusion, Mats Hummels sei mehr als ein gewöhnlicher Berufsfußballer und würde aufgrund seiner Liebe zum BVB seine sportlichen Ambitionen verleugnen.
Hummels zu verteufeln, um dann aber gleichzeitig Spieler voranzupeitschen und bedingungslos zu unterstützen, die nach dem fünften tauglichen Spiel für Borussia von Manchester United träumen und in den Geschichtsbüchern des BVB eine Fußnote bleiben werden, wird der Sache wohl nur bedingt gerecht.
In diesem Sinne: Willkommen zurück und hau dich rein, Mats.