Einmal montags zu spielen ist nicht das Problem
Ein Fanzine, zwei Meinungen: Nachdem wir gestern darüber geschrieben haben, warum Montagsspiele Mist sind und Protest notwendig ist, folgt heute ein Text, der den Sinn eines Boykotts in Frage stellt.
Es wirkt komisch, wenn ausgerechnet Fans eines Erstligisten gegen die Ansetzung eines Fußballspiels am Montagabend protestieren. Versetzen wir uns mal in die Lage eines Fans des FC St. Pauli, einem langjährigen Zweitligisten mit überdurchschnittlichem Publikumsinteresse. Dies ist exemplarisch die Verteilung der Anstoßzeiten der Spiele des FC St. Pauli in der Saison 2016/2017:
- Freitags, 18:30 Uhr: 8
- Samstags, 13:00 Uhr: 7
- Samstags, 15:30 Uhr: 1
- Sonntags, 13:30 Uhr: 9
- Sonntags, 15:30 Uhr: 2
- Montags, 20:15 Uhr: 5
- Dienstags, 17:30 Uhr: 1
- Donnerstags, 20:15 Uhr: 1
Was hat sich aus der Sicht dieses Fans durch den neuen TV-Vertrag verändert? Leider nur sehr wenig, die Anstoßzeiten sind und bleiben abseits der ersten beiden und der letzten beiden Spieltage (wo auch mal ein Anstoß um 15:30 Uhr möglich ist) grundsätzlich grauenhaft. Immerhin aber sind fünf der ungeliebten Spiele am Montagabend in die Bundesliga verschoben worden, so dass der Kelch mit den Montagsspielen vielleicht das eine oder andere Mal häufiger am Millerntor vorbeigeht.
Warum erwähne ich das so prominent? Für mich sind die Montagsspiele (in welcher der beiden Bundesligen sie auch immer gerade stattfinden) bloß ein Teil eines viel größeren Problems, das bisher praktisch ausschließlich die Fans von Zweitligisten ausbaden müssen: Die DFL hat vor vielen Jahren beschlossen, sowohl am Samstag wie am Sonntag mit ihren TV-Partnern ein Rundumprogramm an Fußball in die Wohnzimmer zu bringen (jeweils drei Spiele nacheinander), flankiert von zwei Spielen am Freitag und einem Spiel am Montag. In allen Fällen hat die Zweite Liga die Arschkarte gezogen: Fanunfreundliche Spiele am frühen Freitagabend, fanunfreundliche Spiele samstags und sonntags am Mittag, das fanunfreundliche Spiel am Montag. Würde irgendwer von uns im Ernst tauschen wollen? Natürlich nicht.
Der eigentliche Kampf, der zu führen ist, muss deshalb ein Kampf sein, der gemeinsam mit den Fans der Zweitligisten geführt wird, und in dem das Montagsspiel nur ein Problem unter vielen ist: Die DFL muss im Vorfeld der Ausschreibung des neuen TV-Vertrag, der ab der Saison 2021/2022 gelten wird, dazu gebracht werden, mit einer deutlich veränderten Verteilung der Anstoßzeiten in die Ausschreibung zu starten. Wie bereits in einem gemeinsamen Entwurf vieler deutscher Fanszenen skizziert, muss der eigentliche Fokus dabei auf den Anstoßzeiten liegen, die bisher traditionell den Zweitligisten vorbehalten sind: Weg vom Anstoß zur Mittagszeit, weg von Spielen am frühen Freitagabend, Abschaffung der Montagsspiele.
In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen. Zunächst: Welches Druckmittel haben wir Fans eigentlich? Wir können viel davon sprechen, was sich alles verändern muss, aber was tun wir alternativ, wenn nichts davon geändert wird? Für immer wegzubleiben ist nur für wenige von uns eine Option, und selbst dann werden jüngere Fans nachrücken. Und sonst? Letztlich können wir uns viel über die wirtschaftlichen Zwänge in der Bundesliga aufregen, aber ein Teil der Wahrheit bleibt, dass die deutschen Vereine mit Vereinen aus dem Ausland konkurrieren, die in der Spitze deutlich mehr Geld zur Verfügung haben. Man sollte daher nicht mit allzu viel Spielraum für die DFL bei der Gestaltung der Anstoßzeiten rechnen. Und hier knüpft die zweite Frage an: Wenn man davon ausgeht, dass nur wenig verändert werden kann: Ist das Montagsspiel dann eigentlich wirklich das größte Problem? Vermutlich müssen das vor allem die Fans der langjährigen Zweitligisten beantworten.
Für den Protest in Dortmund bedeutet das aus meiner Sicht, dass wir ein bisschen weniger selbstbezogen argumentieren und stattdessen das große Ganze in den Blick nehmen sollten: Die Frage, wie fanfreundlich die Anstoßzeiten im deutschen Fußball sind, entscheidet sich nicht daran, ob wir alle paar Jahre mal zu einem Spiel am Montag antreten müssen oder nicht. Diese Frage wird Woche für Woche in der Zweiten Liga gestellt und beantwortet, und auch wenn sich das erste Montagsspiel in Dortmund natürlich gut als Aufhänger für Protest nutzen lässt, hätte eigentlich eine Strategie gefunden werden müssen, die uns über die nächsten Jahre trägt und eben nicht nur die Spiele am Montag in den Blick nimmt.
Genau hier besteht aus meiner Sicht auch die Gefahr bei einem großflächigen Boykott des Spiels gegen Augsburg: Man startet 2018 mit der größtmöglichen Eskalationsstufe und muss nun im Prinzip dafür sorgen, dass der Druck über die nächsten knapp drei Jahre, bis zur Ausschreibung des nächsten TV-Vertrags, nicht nachlässt. Ziehen wenige andere Fanszenen mit oder kommen zu einem zukünftigen Heimspiel des BVB an einem Montag in einem der nächsten Jahre dann doch wieder mehr Leute, lässt sich der Protest leicht als versandet und das Spiel als in weiten Teilen akzeptiert darstellen. Im schlimmsten Fall hätte man sich kurzfristig Luft gemacht, gleichzeitig aber die Basis für langfristigen Erfolg zerstört. Dabei brauchen wir einen sehr langen Atem.